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"Politikberatung ist so alt wie die Politik, und wissenschaftliche Politikberatung ist so alt wie die Wissenschaft“, sagte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert, als er am Mittwoch, 29. September 2010, die Feierlichkeiten im Bundestag anlässlich des 20. Jubiläums des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) eröffnete. Gleichzeitig stellte Lammert heraus, wie wichtig die selbstständige wissenschaftliche Einrichtung, die den Bundestag und seine Ausschüsse seit ihrer Gründung am 29. August 1990 in Fragen des wissenschaftlich-technischen Wandels berät, gerade in der Gegenwart sei: "Die wichtige Frage, was in unserer Gesellschaft erlaubt ist, hängt auch eng zusammen mit der Frage nach Chancen und Risiken neuer technischer Entwicklungen.“
Als auf den Tag genau hundert Jahre vor Gründung des TAB Gottlieb Daimler bei der Präsentation des weltweit ersten Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor sagte, er sehe künftig für Fahrzeuge eine globale Nachfrage von höchstens einer Million, sei er einem spektakulären Irrtum unterlegen. "Mit TAB wäre das nicht passiert“, sagte Lammert mit einem Augenzwinkern.
Die Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Ulla Burchardt (SPD), betonte, Technik beinhalte auch ein bestimmtes Missbrauchspotenzial und berge ebenfalls Risiken. Diese müssten stets berücksichtigt werden, wenn die Rede von den Chancen sei. Entscheidend sei allerdings die Akzeptanz der Bürger, auf die jede Innovation dringend angewiesen sei, so Burchardt.
Rückblickend auf die vergangenen zwei Dekaden der Zusammenarbeit zwischen Bundestag und TAB sagte sie, diese Zeit sei voller "spannender und spannungsreicher“ Ereignisse gewesen. Gerade weil zwei sehr verschiedene Kulturen aufeinander gestoßen seien: "Wenn der Elfenturm auf die Umgehungsstraße trifft, setzt dies Lernfähigkeit und gegenseitigen Respekt voraus“, sagte Burchardt und bezeichnete den Diskurs bis heute "als gelungen“.
Auch Prof. Dr. Armin Grunwald, der das TAB seit acht Jahren leitet, sah hierin das Erfolgsrezept. "Wichtig ist es, dass Wissenschaftler und Abgeordnete die Andersartigkeit des anderen akzeptieren.“ Der Erfolg dieses Miteinanders habe nicht von Anfang an festgestanden, sagte er und fügte an: "Gerade nach der Gründung des TAB hat es viele Skeptiker gegeben.“
Für ihn selbst gewinne daher der Jahrestag noch mehr an Bedeutung. Großen Wert legte Grunwald auf die weitere Erhaltung der wissenschaftlichen Unabhängigkeit. "Wir bilden uns unser eigenständiges Urteil. Lobbyisten haben bei uns keinen Zugang.“
Der frühere Bundesumweltminister und spätere Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP, Prof. Dr. Klaus Töpfer, sagte bei der abschließenden Podiumsdiskussion zum Thema "Nutzen und Nutzung wissenschaftlicher Politikberatung“, der Bedarf an wissenschaftlichem Know-how sei außerordentlich groß und nehme weiter zu."
Die Themen des TAB seien auch global ein wichtiges Thema. "Und dabei ganz besonders innerhalb der Vereinten Nationen“, sagte Töpfer, der seit 2009 als Gründungsdirektor des Instituts für Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit (Institute for Advanced Sustainability Studies, IASS) in Potsdam zusammen mit bis zu 50 Wissenschaftlern Spitzenforschung an der Nahtstelle zwischen Klimawandel und nachhaltiger Ökonomie betreibt.
In der Podiumsrunde waren sich die anwesenden Parlamentarier über die Bedeutung und Notwendigkeit des TAB fraktionsübergreifend einig. "Prozesse in Wissenschaft und Technik haben schon 1990 ein Niveau erreicht, das eine institutionalisierte wissenschaftliche Politikberatung notwendig machte“, sagte Dr. Petra Sitte (Die Linke) und wurde in dieser Meinung bekräftigt durch Sylvia Canel (FDP), die sich dankbar über die Möglichkeit eines "unabhängigen Beratungsinstruments“ äußerte, mit dessen Hilfe sich schnell und umfassend qualifizierte Informationen sammeln ließen.
René Röspel (SPD) berichtete, er habe bisher noch aus jedem TAB-Bericht ein "Aha-Erlebnis“ gewonnen. Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) sagte, die früher verbreitete Technikgläubigkeit sei inzwischen einer Technikskepsis gewichen. Daher sei es hilfreich, mittels entsprechender Expertise einen sachlich fundierten Ausgleich zu erhalten.
Besonders deutlich wurde Hans-Josef Fell (Bündnis 90/Die Grünen). "Wenn es schon vorher eine Einrichtung gegeben hätte, die Risiken technischer Neuerungen bewertet, hätte ich in den 60er und 70er Jahren nicht die gleiche Motivation gehabt, mich politisch zu engagieren. Vielleicht hätte es dann auch die Grünen nicht gegeben." (jmb)