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"Ich habe davon gehört, dass die Menschen in Europa von morgens bis abends essen. Und dann trinken sie noch Tee. Danach wird wieder gegessen." Das sagt Ng’ikito Lomunukuny aus Kenia. "Hier gibt es keinen Tag, an dem wir alle wirklich satt werden." An ihrem und anderen Beispielen aus insgesamt fünf Ländern zeigen die beiden Autoren Marcus Vetter und Karin Steinberger, was Hunger bedeutet. Hunger - das ist auch der Titel ihres Dokumentarfilms, der auf einer gemeinsamen Veranstaltung der drei Ausschüsse für Ernährung, Menschenrechte und wirtschaftliche Zusammenarbeit am Donnerstag, 7. Oktober 2010, im Bundestag in Ausschnitten gezeigt wurde.
Dagmar Wöhrl (CSU) und Kerstin Tack (SPD) eröffneten die Veranstaltung mit einem Dank an die Autoren und Produzenten des Films. "Bilder sprechen mehr als Worte", sagte Wöhrl, Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Sie hoffe, dass der Film, der am 25. Oktober in der ARD gesendet wird, Emotionen wecke und die Menschen sich fragen, was sie gegen den Hunger in der Welt tun können.
Auch Kerstin Tack, Mitglied im Ernährungsausschuss, mahnte, dass "gerade wir in Europa Verantwortung haben". "Wir" müssten uns vor Augen führen, welchen Einfluss etwa die Subventionspolitik auf die Ernährung in Entwicklungsländern habe. "Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind an Hunger", so Tack. "Das bedeutet, dass 500 Kinder an Hunger sterben, während wir uns die Filmausschnitte ansehen", ergänzte Peter Latzel vom Südwestrundfunk.
Suman Sahai, eine indische Genforscherin, die sich für den Erhalt tradiioneller Reissorten einsetzt und die die Filmemacher in Indien bei ihrer Arbeit in Indien begleitete, sagte nach der Vorführung: "Hunger ist eine Schande für die Gesellschaft."
Die noch größere Schande sei, dass der Hunger nicht ab-, sondern zunehme. Es bedürfe keiner Technologien oder neuer Erfindungen. "Es ist ein politisches Problem. Das Problem ist die fehlende Gerechtigkeit." So sei etwa der Kampf um Nahrung von der gerechten Verteilung des Wassers abhängig.
Thilo Hoppe, Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für Welternährung, schilderte seine Erfahrung damit, wie schwer sich die Politik mit dem Kampf gegen den Hunger tut: "Auf dem einen Gipfel sprechen sich Politiker dafür aus, Kleinbauern mit Kleinkrediten zu unterstützen, die ländliche Entwicklung zu fördern und die regionale Produktion in Entwicklungsländern zu stärken. Auf einem anderen Gipfel verhandeln die gleichen Politiker, dass die Fleischexporte aus Südamerika verfünffacht werden."
Welche Auswirkungen die Fleischproduktion in Brasilien hat, zeigt auch der Film: Damit die Rinder weiden können, werden Wälder gerodet. Übrig bleibt ödes Land, auf dem kein Getreide mehr angebaut werden kann, das die Bevölkerung vor Ort ernähren könnte.
Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, forderte, dass über einen zentralen Punkt neu nachgedacht werden müsste: "Der Zugang zum Weltmarkt, der für die Entwicklungsländer immer gefordert wird, löst die Probleme nicht." Der Film zeige deutlich, dass vor allem die regionalen Märkte in den Ländern gestärkt werden müssten.
Der entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sascha Raabe, sagte, dass der Film an einzelnen Schicksalen zeige, was für eine Milliarde Menschen auf der Erde Alltag ist - der Hunger. Wie Suman Sahai forderte auch er, dass Pflanzen für Biokraftstoffe nicht zulasten von Nahrung angebaut werden dürfen.
"Hunger ist eine entwürdigende Situation. Es ist schrecklich Hunger zu haben. Obwohl es möglich wäre, Essen zu produzieren und Hunger zu eliminieren, haben wir versagt", sagt Sahai im Film. (nt)
25. Oktober 2010: 22.45 Uhr in der ARD
26. Oktober 2010: 20.15 Uhr im Kanal Phoenix mit anschließender Diskussion