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Nach monatelangem Streit über das Energiekonzept der Bundesregierung hat der Bundestag am Donnerstag, 28.Oktober 2010, mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit die Gesetzesvorlagen der Regierungskoalition zur Novelle des Atomgesetzes angenommen. Danach will die Regierung bis 2050 etwa 80 Prozent des Stroms aus Öko-Energien erzeugen sowie die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre verlängern.
Die hierfür eingebrachten Gesetzesvorlagen der Koalitionsfraktionen hatten neben den beiden Änderungen des Atomgesetzes ( 17/3051, 17/3052) ebenfalls die Errichtung eines Energie- und Klimafonds ( 17/3053) sowie ein Kernbrennstoffsteuergesetz ( 17/3054) zum Gegenstand. Dazu hatten der Umweltausschusses ( 17/3409) und der Haushaltsausschuss ( 17/3405, 17/3453) Beschlussempfehlungen vorgelegt.
In namentlicher Abstimmung lehnte der Bundestag 24 Änderungsanträge von Bündnis 90/Die Grünen zur elften Änderung des Atomgesetzes ebenso mehrheitlich ab ( 17/3486, 17/3487, 17/3488, 17/3489, 17/3490, 17/3491, 17/3492, 17/3493, 17/3494, 17/3495, 17/3496, 17/3497, 17/3498, 17/3499, 17/3527, 17/3531, 17/3532, 17/3533, 17/3534, 17/3535, 17/3536, 17/3537, 17/3538, 17/3539) wie drei Änderungsanträge der Fraktion zur zwölften Änderung des Atomgesetzes ( 17/3528, 17/3529, 17/3530). Keine Mehrheit fanden bei Enthaltung von SPD und Grünen auch Entschließungsanträge der Linksfraktion ( 17/3439) sowie von Bündnis 90/Die Grünen ( 17/3485), dem neben den Grünen noch Die Linke zustimmte.
Angenommen wurde ein Antrag von Union und FDP mit dem Titel "Energiekonzept umsetzen - Der Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien" ( 17/3050). Das Energiekonzept der Bundesregierung ( 17/3049) nahm das Parlament auf Empfehlung des Wirtschaftsausschusses ( 17/3402) zur Kenntnis.
Der Antrag der SPD ( 17/3426), wonach die Bundesregierung ihr Energiekonzept zurückziehen soll, wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Eröffnet wurde die Bundestagssitzung durch Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU), der sich mit Blick auf die hitzigen Auseinandersetzungen der vergangenen Tage zwischen den Fraktionen dafür aussprach, sich "nüchtern und ehrlich" mit der Debatte auseinanderzusetzen. Er betonte, das Ziel müsse sein, eine "saubere, sichere und bezahlbare Energieerzeugung zu erreichen". Hierfür gingen die durch die Bundesregierung formulierten Ziele über das hinaus, was zuvor innerhalb der großen Koalition und auf europäischer Ebene abgestimmt worden sei.
Als Schlüssel bezeichnete Pfeiffer den Ausbau der Infrastruktur. "Wir brauchen ein Stromnetz von insgesamt 3.500 Kilometern. Mit der aktuellen Ausbaugeschwindigkeit werden wir dieses auch in 50 Jahren nicht haben", betonte Pfeiffer und bezeichnete das Energiekonzept der Bundesregierung als "Meilenstein der Energiepolitik".
Scharfe Kritik am Vorhaben der Regierung, die Atomkraftwerkslaufzeiten zu verlängern, äußerte in der Debatte SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. "Sie spalten die Gesellschaft dort, wo diese schon einig war“, sagte Gabriel und verwies darauf, dass 300.000 Arbeitsplätze in den vergangenen Jahren mit Hilfe erneuerbarer Energien entstanden seien. Statt diesen Erfolg weiter auszubauen, stoppe die Regierung diese Entwicklung, so Gabriel.
Im Gegenzug würden die "vier Dinosaurier der Energiewirtschaft“ durch ein geplantes Programm zur Sicherheitsnachrüstung bevorzugt, das die Kosten für die Unternehmen auf 500 Millionen Euro begrenze. An Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen gewandt betonte Gabriel: "Sie sind der Minister, der die Bevölkerung für ihre Sicherheit selbst zahlen lässt.“
Auch Dr. Gregor Gysi (Die Linke) wandte sich gegen den Umgang der Koalition mit dem Parlament. "Wenn alles mit den Energieunternehmen ausgehandelt ist, soll das Parlament kein Komma mehr ändern dürfen.“
Die Regierung rede mit der Atomlobby, nicht aber mit dem Bundestag, sagte Gysi und kritisierte: "Vier Konzerne gewinnen, Millionen von Menschen verlieren.“
Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die durch die Regierung angepriesene Revolution in der Energiepolitik sei in Wirklichkeit "ein Putsch“. "Sie wissen, dass die Kraftwerke nicht den modernen Sicherheitsansprüchen genügen und deckeln gleichzeitig die Kosten für die Nachrüstungen auf 500 Millionen Euro“, sagte Trittin an die Regierung gewandt.
"Damit wollen Sie die laxe Form der Atomaufsicht zum Bundesgesetz erheben.“ Dieses Gesetz werde ein sehr kurzfristiges Geschenk an die Energiekonzerne bleiben, sagte Trittin und verwies auf die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe in dieser Frage.
Die Sprecher aus den Reihen der Koalition wiesen die Kritik zurück. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte an die Opposition gewandt: "Sie machen viel Wind, aber davon dreht sich in Deutschland kein einziges Windrad.“
Ausdrücklich bedankte sich Brüderle bei Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der im Verlauf des Atomstreits häufig unter Beschuss der Opposition geraten war, für die Zusammenarbeit.
Michael Kauch (FDP) warf der Opposition "Hysterie“ vor. Diese erkenne nun, was sie in der Vergangenheit alles versäumt habe, so Kauch. "Sie werden vor Neid erblassen, wenn unser Konzept in die Realität umgesetzt wird.“
Kritik am Verhalten der Opposition äußerte auch Umweltminister Norbert Röttgen (CDU). "Sie schüren die Ängste der Wähler mit Ihrem Geschrei, um daraus Kapital zu schlagen.“ Es sei der parteipolitische Neid, der die Opposition zum Schreien bringe sagte der Minister weiter und kritisierte, dass er bisher zwar viel Kritik vernommen habe, aber keine politischen Alternativen. (jmb)