Navigationspfad: Startseite > Dokumente & Recherche > Textarchiv > 2010 > Das neue strategische Konzept der Nato
Das geplante neue strategische Konzept der Nato, das am 19. und 20. November auf dem Gipfel in Lissabon verabschiedet werden soll, ist am Donnerstag, 11. November 2010, Thema im Bundestag. Von 9 Uhr an wollen die Abgeordneten voraussichtlich anderthalb Stunden lang über die Neuausrichtung der North Atlantic Treaty Organization, der Nordatlantischen Vertrags- organisation, debattieren. Zur Debatte haben die SPD ( 17/3677), Die Linke ( 17/3678, 17/3679) und Bündnis 90/Die Grünen ( 17/3680, 17/3681) jeweils eigene Entschließungsanträge vorgelegt.
Das Konzept, über das die Außen- und Verteidigungsminister der Mitgliedstaaten Mitte Oktober in Brüssel beraten haben, soll für die kommenden zehn Jahre gelten. Der wichtigste Punkt ist ein sogenannter Raketenabwehrschild unter Führung der USA.
US-Angaben zufolge könnte dieser "Schirm" weite Teile Europas etwa vor Mittelstrecken aus dem Iran schützen. Die geschätzten Kosten belaufen sich auf allein 200 Millionen Euro im Laufe von zehn Jahren für die Anbindung Europas an die US-Raketenabwehr, dazu kämen Kosten für neue Abfangsysteme in den einzelnen Ländern.
Erstmals will die Nato über den Abbau von Atomraketen nachdenken, ein Ausschuss für Rüstungskontrolle soll sich mit diesem Thema befassen. Die rund 20 in Deutschland stationierten US-Sprengköpfe werden aber nicht abgezogen, anders, als vom Bundestag gefordert.
Um die Zusammenarbeit mit Russland zu verbessern, soll ein gemeinsamer Sicherheitsraum entstehen. Russlands Präsident Dmitri Medwedew hat nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy seine Teilnahme am Gipfel zugesagt. Außerdem will die Nato mehr Mittel in die zivilen Formen der Krisenvermeidung stecken.
Nach der Vorstellung von Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen könnte künftig auch der Bündnis-Fall bei Angriffen über das Internet ausgerufen werden. Gegen diesen Vorschlag gibt es aber Widerstand, unter anderem von Deutschland. Außenminister Dr. Guido Westerwelle zufolge können die Mitgliedstaaten sich bei der Prävention gegen Attacken auf Computernetzwerke unterstützen. Dies sei jedoch nicht mit bewaffneten Angriffen vergleichbar.
Das neue Konzept der Nato soll das alte von 1999 ablösen. Das bisherige Konzept ist nur auf 16 Mitgliedstaaten ausgelegt, inzwischen sind es aber 28. Auch berücksichtigte die bisherige Strategie nicht die weltweite Sicherheitslage nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001. Im Mai dieses Jahres legte eine Expertenkommission ihre Empfehlungen für ein neues Konzept vor.
Im Oktober beschäftigte sich auch der Auswärtige Ausschuss des Bundestages in einer öffentlichen Anhörung mit diesem Thema. Die FDP-Fraktion wandte sich gegen die Ausrufung eines Bündnisfalls bei einem Cyber-Angriff. Auch Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und die Die Linke sahen diesen Punkt sehr kritisch.
Ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion konnte sich dagegen grundsätzlich Szenarien vorstellen, in denen ein Angriff auf einen Staat über das Internet die Sicherheitsinteressen von Mitgliedstaaten berühren könnte, etwa bei Angriffen auf Atomkraftwerke. (ske)