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Der Streit um den Bahnhofsneubau in Stuttgart hat das Thema Volksentscheid einmal mehr in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Während in den Landesgesetzgebungen - unter anderem auch in Baden-Württemberg - dazu schon Regelungen existieren, gibt es diese auf Bundesebene nicht. Die Linksfraktion will das ändern und hat daher einen "Gesetzentwurf zur Einführung der dreistufigen Volksgesetzgebung in das Grundgesetz" ( 17/1199) vorgelegt, über den der Bundestag am Freitag, 12. November 2010, im Anschluss an die um 10.40 Uhr beginnende 90-minütige Debatte abstimmen wird. Der Entwurf sieht die direkte Einflussnahme auf politische Entscheidungen auch auf Bundesebene durch eine "dreistufige Volksgesetzgebung" vor, um gegen "Politikverdrossenheit und geringe Wahlbeteiligung" anzukämpfen, wie die Fraktion in der Begründung ihres Gesetzentwurfs schreibt.
Danach sollen über das Instrument der Volksinitiative 100.000 Wahlberechtigte beim Bundestag Gesetzesvorlagen einbringen können und zugleich das Recht auf Anhörung im Plenum und seinen Ausschüssen haben.
Lehne das Parlament die Initiative ab, sei frühestens nach zwei Monaten das Recht auf ein Volksbegehren zulässig, heißt es in dem Entwurf.
Das Volksbegehren käme zustande, wenn ihm mindestens eine Million Wahlberechtigte innerhalb von sechs Monaten zugestimmt hätten.
Ein Volksbegehren, das eine Änderung des Grundgesetzes anstrebt, bedürfe der Zustimmung von zwei Millionen Wahlberechtigten, schlägt die Linksfraktion vor.
Einen Volksentscheid wiederum sieht der Entwurf vor, wenn das Parlament nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten dem Volksbegehren entspricht. Der Bundestag könne auch einen Volksentscheid mit der Mehrheit seiner Abgeordneten "zu einem von ihm behandelten politischen Gegenstand" beschließen. Die Fraktionen des Bundestages könnten eigene Gesetzesvorlagen zum selben Gegenstand zur Abstimmung stellen.
Ein Volksentscheid benötigt dem Entwurf der Linksfraktion zufolge eine Mehrheit unter den Abstimmenden, ein das Grundgesetz änderndes Gesetz die Zustimmung von mindestens zwei Drittel der abgegebenen gültigen Stimmen. Zudem müsse mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten seine Stimme abgegeben haben. Der Innenausschuss hat bereits empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen (17/3609).
Während der ersten Lesung zu dem Entwurf fand die Idee der Linksfraktion grundsätzliche Unterstützung bei allen anderen Fraktionen mit Ausnahme der CDU/CSU. Der Unionsabgeordnete Helmut Brandt bezeichnete den Antrag als "populistisch". Es dürfe nicht so getan werden, als ob Volksentscheide ein Allheilmittel gegen Politikverdrossenheit seien, forderte er. Zudem könnten extrem komplexe Entscheidungsprozesse nicht schlicht mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden.
Plebiszite einzuführen bedeute nicht automatisch den Verfall in die Gefälligkeitsdemokratie, sagte hingegen der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann. Seiner Ansicht nach sind die Deutschen "reif für mehr direkte Demokratie".
Der FDP-Abgeordnete Jimmy Schulz begrüßte grundsätzlich den Gedanken einer direkten Demokratie, zeigte sich jedoch skeptisch gegenüber der im Gesetzentwurf der Linken enthaltenen Vorgehensweise. So sei das Quorum von 100.000 Stimmen zur Durchsetzung des Rechts auf eine Anhörung im Plenum und seinen Ausschüssen "eine deutlich zu niedrige Schwelle", sagte Schulz. Stattdessen schlage seine Fraktion 400.000 Stimmen vor.
In diese Richtung würden auch die Vorstellungen ihrer Fraktion gehen, sagte Ingrid Hönlinger (Bündnis 90/ Die Grünen), die außerdem die "zu kurzen Fristen" kritisierte, die der Gesetzentwurf der Linken zwischen den drei Stufen der geplanten Volksgesetzgebung vorsehe. Grundsätzlich sei die Idee hinter dem Entwurf aber definitiv richtig. "Jeder Bürger sollte auch zwischen den Wahlen demokratisch aktiv leben können", befand Hönlinger. (hau)