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"Dies ist eine ziemlich echte deutsch-deutsche Kunstausstellung. Und Ihre Biografie ist eine echte deutsch-deutsche Künstlerbiografie. Eigentlich ist heute Abend alles ziemlich echt.“ Mit diesen Worten eröffnete Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert die aktuelle Ausstellung des Bundestages "Bernhard Heisig - Das große Welttheater" am Donnerstag, 2. Dezember 2010, im Kunst-Raum des Deutschen Bundestages im Berliner Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Dort kann die Ausstellung ab Dienstag, 7. Dezember 2010, bis 13. März 2011 bei freiem Eintritt besichtigt werden, und zwar jeweils dienstags bis sonntags von 11 bis 16 Uhr.
Voraussetzung ist eine Anmeldung per E-Mail mindestens 24 Stunden im Voraus an die Adresse kunst-raum@bundestag.de. Interessenten sollten die Namen, Vornamen und Geburtsdaten aller Personen angeben, die die Ausstellung besuchen möchten. Sie erhalten eine Bestätigung oder, bei ausgebuchtem Termin, den Vorschlag eines Alternativtermins. Die Führungen beginnen am Haupteingang des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses in der Adele-Schreiber-Krieger-Straße 1 in Berlin. Dort muss am Einlass der Ausweis vorzeigt werden.
In seiner Eröffnungsrede verneigte sich Lammert vor dem 85-jährigen Künstler, der als einer der Protagonisten der Leipziger Schule und damit der DDR-Kunst gilt und Sohn des Breslauer Malers Walter Heisig ist. An den Künstler gewandt, der heute in Strodehne in Brandenburg lebt und arbeitet, sagte Lammert: "Sie haben sich einmal darüber beschwert, dass es keine wirkliche deutsch-deutsche Kunstausstellung gibt. Nun, vielleicht können wir mit dieser Ausstellung einen bescheidenen Beitrag zu Ihrem runden Geburtstag leisten.“
Gleichzeitig machte Lammert deutlich, welchen Stellenwert die Auseinandersetzung mit bedeutenden zeitgenössischen Künstlern wie Heisig für den Bundestag nach wie vor hat.
"Wir wollen nicht mit Gallerien und Museen konkurrieren“, betonte der Bundestagspräsident, "sondern konzentrieren uns lieber auf unserere besonderen Anliegen, die wir mit unseren Ausstellungen verfolgen.“ Dies sei an vorderster Stelle das Spannungverhältnis zwischen Kunst und Politik.
Welch unersetzliches Anliegen dies sei, lasse sich am besten an der Gestaltung des Reichstagsgebäudes ersehen, so Lammert. Nach dem Umzug des Bundestages von Bonn nach Berlin sei es den damals Handelnden wichtig gewesen, das Reichstagsgebäude mit der Kunst bedeutender zeitgenössischer Künstler auszustatten. "Dies, so wage ich einmal zu behaupten, ist für ein Parlament in der Welt einmalig.“
Der Besucher hat nun erstmals die Chance, Heisigs Werk in seiner Entstehung nachzuvollziehen. Die Ausstellung rekonstruiert mit Vor- und Nachfassungen, durch fotografische Dokumente und Farbstudien das Werden dieses zentralen Werks.
"Zwar mag so mancher die hier ausgestellten 31 Bilder als vergleichsweise bescheidene Auswahl bezeichnen, dennoch stellen gerade diese sehr gut ausgewählten Exponate ein äußerst gelungenes Spannungsverhältnis dar“, sagte Lammert.
Einen Höhepunkt der Ausstellung ist Heisigs Werk "Ikarus“. Zum einen, weil es bereits 1976 im Palast der Republik der DDR hing und zum anderen, weil es nun erstmals seit zehn Jahren wieder ausgestellt wird. "Schon damals in Ost-Berlin war das Motiv Ikarus, dieser Mythos von Ehrgeiz, Selbstbewusstsein, Stolz und tiefem Fall, ein Politikum - und ist es bis heute“, so Lammert.
Gleiches lässt sich auch über das Portrait von Helmut Schmidt sagen, mit dem der Altkanzler aus Hamburg 1986 Heisig für die Galerie mit den Porträts der ehemaligen Bundeskanzler im Bundeskanzleramt in Bonn beauftragt hatte - und damit in Ost wie West für reichlich Verblüffung gesorgt hatte.
Der Titel der Ausstellung "Das große Welttheater“ ist einerseits der barocken Farbenpracht der augestellten Werke geschuldet, aber andererseits auch der Idee von der Bühne, die aufgebaut wird, auf der, in schicksalhafter Gemeinschaft, Helden, Verbrecher und Opfer der Geschichte gewirbelt werden - so auch in seinem Gemälde "Zeit und Leben", das er 1999 für das Reichstagsgebäude schuf.
Heisig nimmt sich dabei selbst mit hinein in sein Werk, als Mithandelnder, Mitleidender.
Erst wenn der Betrachter länger vor Heisigs Bildern stehen bleibt, wird er hineingezogen in ein Chaos aus Bewegung und Lärm. Erst nach und nach tauchen immer mehr historisch vertraute Gesichter an die Oberfläche, und plötzlich hat das Panorama einen Ton. So als sei die Pausenfunktion eines Filmes in der Endlosschleife unterbrochen.
Das Standbild gerät wieder in Bewegung und setzt sich fort, ohne Anfang, ohne Schluss. So wie auch Heisigs Bilder nie wirklich fertig sind, wirken sie wie ein Spiegel für Heisigs Leben selbst, der unermüdlich mit seiner einzigartigen Übermaltechnik zuvor Angefertigtes wieder abkratzt, neu übermalt, wieder verwirft und wieder neu kreiert.
So auch sind seine Panoramen, die er geschaffen hat: Ebenso im Fluss, im Übergang begriffen, wie der Künstler durch seine Herangehensweise selbst. Ein durch und durch organischer, lebender Prozess - nicht selten geprägt durch Leid. Dieses ist auch Heisig gut vertraut. Als junger Mann kämpfte er in der Waffen-SS und wurde mehrmals verwundet. Später in der DDR trug er einen anderen Kampf aus: Für eine freiere Kunst gegen ein totalitäres Regime. (jmb)