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"Kommen wir zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums auf Drucksache 17/15." Bundestagsvizepräsident Dr. Wolfgang Thierse (SPD) hat auf seinem Platz an der Stirnseite des Plenarsaals im Bundestag Platz genommen und greift nach einem Bogen Papier, auf dem die Abstimmungsergebnisse notiert sind. "Zahl der abgegebenen Stimmen: 568. Mit Ja haben gestimmt: 322, mit Nein: 246 Abgeordnete. Keine Enthaltungen." Thierse macht eine kurze Pause und sagt dann: "Das Gesetz ist in der Ausschussfassung angenommen."
Damit hatte das erste große Gesetzesvorhaben der christlich-liberalen Regierungskoalition, das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz, am 4. Dezember 2009 den Bundestag erfolgreich passiert. Am 18. Dezember stimmte ihm dann auch der Bundesrat zu.
Nur vier Tage später, am 22. Dezember, wurde das Gesetz von Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sowie den beteiligten Bundesministern, Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und Familienministerin Dr. Kristina Köhler, unterzeichnet und zur Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 30. Dezember freigegeben.
Pünktlich zum neuen Jahr, am 1. Januar 2010, trat das Gesetzespaket, welches umfassende steuerliche Erleichterungen vorsah, schließlich in Kraft. In sechs Wochen hatte das Gesetz den gesamten parlamentarischen Prozess durchlaufen.
Nicht immer geht das so zügig. Meistens braucht ein Gesetzentwurf länger, um den Weg bis zu seinem Inkrafttreten zurückzulegen. Manchmal aber, wie etwa in der Finanz- und Wirtschaftskrise im Herbst 2008, muss es sehr schnell gehen. Damals durchlief das Finanzmarktstabilisierungsgesetz im Eilverfahren Beratungen und Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat. Nur vier Tage, nachdem die Bundesregierung ihr Gesetzesvorhaben angekündigt hatte, konnte das Gesetz nach seiner Verkündung am 17. Oktober in Kraft treten.
Doch ob ein Gesetz nun Tage, Wochen oder Monate braucht, letztlich müssen alle vorgeschriebenen Stationen der Gesetzgebung eingehalten werden - auch wenn das Verfahren so verkürzt wird wie beim Finanzmarktstabilisierungsgesetz. Was aber passiert eigentlich genau hinter den Kulissen?
Mit seinen 21 Mitarbeitern ist das Parlamentssekretariat sozusagen der Servicedienstleister im Räderwerk des Bundestages. Unter der Leitung von Volker Görg wird hier nicht nur zusammen mit den Parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen und dem Ältestenrat die Tagesordnung für die Sitzungen im Bundestagsplenum erstellt.
Auch alle politischen Initiativen der Fraktionen, der Bundesregierung oder des Bundesrates im Bundestag behandelt werden sollen, erblicken hier parlamentarisch "das Licht der Welt", wie es Frank Sobolewski, Görgs Vorgänger im Referat PD1, einmal formulierte.
Das heißt konkret: Alle Gesetzesinitiativen und Anträge werden hier, bevor sie überhaupt im Plenum beraten werden können, auf ihre geschäftsordnungsrechtliche Zulässigkeit geprüft und mit der notwendigen Drucksachennummer versehen. Diese setzt sich stets zusammen aus der Zahl der Wahlperiode und einer fortlaufenden Nummer für das einzelne Dokument.
Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hatte zum Beispiel die Nummer 17/15 - 17 steht dabei für die 17. Legislaturperiode, 15 für den Gesetzentwurf. Erst mit einer solchen Drucksachennummer wird die Vorlage zu einem offiziellen Dokument, das nun seinen Weg durchs Parlament antreten kann.
Währenddessen haben die Mitarbeiter des Parlamentssekretariats es immer im Blick: Wartet ein Gesetz noch auf die erste Lesung im Plenum oder wird es schon im Ausschuss beraten? Mit wenigen Mausklicks am Computer können Görg und seine Mitarbeiter über das elektronische "System zur integrierten Vorgangsverfolgung und Steuerung" nachvollziehen, wo genau im parlamentarischen Prozess es sich gerade befindet.
Gibt der federführende Ausschuss nach Abschluss seiner Beratung eine Beschlussempfehlung an das Bundestagsplenum ab und werden hierzu Änderungs- oder Entschließungsanträge eingebracht, dann landen diese Vorlagen erneut im Parlamentssekretariat. Dort bekommen auch sie ihre Drucksachennummern und werden sowohl in gedruckter wie auch in elektronischer Form in Intranet und Internet veröffentlicht.
Ist ein Gesetz nach den Beratungen in Ausschüssen und Plenum vom Bundestag beschlossen worden, kommen die Mitarbeiter des Parlamentssekretariats erneut zum Einsatz: Sie sind verantwortlich dafür, dass auch wirklich die Version des Gesetzes, die letztlich im Parlament beschlossen wurde, auf den weiteren Weg der Gesetzgebung gelangt.
"In den seltensten Fällen ist nämlich der Wortlaut des verabschiedeten Gesetzes mit dem des Gesetzentwurfs identisch", sagt Volker Görg. In der Regel gilt das, was der frühere Bundesverteidigungsminister und Fraktionsvorsitzende der SPD, Dr. Peter Struck, einmal als "erstes Strucksches Gesetz" bezeichnete: "Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist."
Im Beratungsprozess in den Ausschüssen werden fast immer Änderungen und Ergänzungen im ursprünglichen Text des Gesetzentwurfs vorgenommen und abgestimmt. Verabschiedet dann das Plenum diesen Text, heißt es so wie im Fall des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes von Bundestagsvizepräsident Thierse verkündet: "Das Gesetz ist in der Ausschussfassung angenommen."
Die Aufgabe der Mitarbeiter des Parlamentssekretariats ist es nun, die vom Plenum beschlossene Fassung des Gesetzes in einem Dokument für die sogenannte Notifizierung zusammenzustellen. Mit dieser Notifizierung teilt der Bundestag den anderen am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Institutionen offiziell mit, welche Beschlüsse das Parlament endgültig gefasst hat.
Also sendet das Parlamentssekretariat die Notifizierung zunächst direkt zum Bundesrat. Gleichzeitig erhält aber auch das zuständige Bundesministerium die Notifizierung, damit nach erfolgreichem Abschluss der Beratungen in der Länderkammer - was unter Umständen auch die Beteiligung des Vermittlungsausschusses einschließt - die "Bütte" erstellt werden kann. So wird das offizielle Gesetzesdokument genannt, das dem zuständigen Bundesminister, der Bundeskanzlerin und zuletzt auch dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung übersendet wird.
Aber zurück zum Parlamentssekretariat: Um die Notifizierung des Gesetzes vorzunehmen, verwenden die Sekretariatsmitarbeiter die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses, dem oft eine Synopse beigefügt ist. Diese Synopse ist eine Tabelle, in der alle vom Ausschuss vorgenommenen Änderungen übersichtlich zusammengestellt sind: Links steht die Formulierung des ursprünglichen Gesetzentwurfs, rechts sind die verabschiedeten Änderungen aufgeführt.
Diese arbeiten die Sekretariatsmitarbeiter Artikel für Artikel in den Gesetzestext ein. Wurde ein Gesetzentwurf - abgesehen von einigen kleineren Änderungen - unverändert in Ausschuss und Plenum angenommen, wird er unter "der Maßgabe" dieser Änderungen notifiziert - das bedeutet, dass nicht der gesamte Gesetzestext noch einmal in der Notifizierung aufgeführt werden muss, sondern nur die ausdrücklich angegebenen Modifizierungen.
Ist die Notifizierung eines Gesetzes schließlich auf den Weg gebracht, endet grundsätzlich auch diese Aufgabe des Parlamentssekretariats. Anlaufstelle für die anderen Institutionen bleibt es aber weiterhin, etwa, wenn aus einem der Ministerien Rückfragen kommen. Oder wenn die Schriftleitung des Bundesgesetzblattes noch einen Fehler im Gesetzestext gefunden hat. Druckfehler oder andere offensichtliche Unrichtigkeiten werden dann nach einem in der Geschäftsordnung des Bundestages geregelten Verfahren korrigiert - wobei unter Umständen auch der jeweilige zuständige Ausschuss beteiligt wird.
Sind schließlich alle Fragen und Unstimmigkeiten ausgeräumt, ist das Gesetz am Ziel. Es kann im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Dies ist die letzte, wichtige Station: Ohne eine Verkündung im offiziellen Verkündungsblatt, das vom Bundes- justizministerium herausgegeben wird, ist nämlich kein Bundesgesetz gültig. (sas)