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Der Transport von Castor-Behältern mit Atommüll aus dem Kern- forschungszentrum Karlsruhe in das Zwischenlager Nord bei Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern hat am Freitag, 17. Dezember 2010, während einer Aktuellen Stunde zu einer heftigen Diskussion geführt. "Erstmals“, so Steffen Bockhahn (Die Linke), "wurde westdeutscher Atommüll in ein ostdeutsches Zwischenlager gebracht.“ Damit sei ein Konsens gebrochen worden, da immer klar gewesen sei, dass im Zwischenlager Nord nur Müll aus ehemaligen DDR-Reaktoren eingelagert werde.
Der Transport in das bundeseigene Zwischenlager Nord sei laut Bockkhahn nötig geworden, weil die privaten Atomkonzerne sich geweigert hätten, den Müll anzunehmen. Die Bundesregierung spekuliere darauf, immer dann, wenn sie den Müll bei privaten Konzernen nicht los werde, das Lager in Lubmin heranzuziehen. "Damit sind Sie dabei, Mecklenburg-Vorpommern zum Atomklo Deutschlands zu machen“, sagte Bockhahn, dessen Fraktion die Aktuelle Stunde beantragt hatte.
Zugleich bestehe die Gefahr, dass Lubmin zum atomaren Endlager werde. Zwar sei die Betriebsgenehmigung nur bis 2039 erteilt worden. Er gehe jedoch nicht davon aus, dass bis dahin ein echtes Endlager gefunden sei. Dann werde die Genehmigung verlängert und schleichend in Lubmin ein Endlager geschaffen.
Das Zwischenlager Nord sei ein Zwischen- und kein Endlager betonte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Ursula Heinen-Esser (CDU/CSU). Es diene vorwiegend der Zwischenlagerung ostdeutschen Atommülls. Da seine Kapazität damit nicht erschöpft sei, habe man sich dafür entschieden, Atommüll aus öffentlichen Forschungslaboren dort zu lagern.
Wer wie die Linke fordere, dass kein Atommüll aus dem Westen der Republik in den Osten gebracht werden dürfe, obwohl es dort ein aufnahmefähiges Zwischenlager gebe, verlange damit den Bau neuer Zwischenlager.
Heinen-Esser nannte es "zutiefst unseriös und absolut irreführend“ wenn die Linksfraktion von einem Endlager bei Lubmin rede. "Sie spielen mit den Sorgen der Bevölkerung“, sagte sie.
Es werde im Zwischenlager Nord kein Endlager eingerichtet, sagte die SPD-Abgeordnete Ute Vogt. "Es handelt sich aber um ein faktisches Endloslager“, betonte sie. Das ergebe sich daraus, dass die Union im Jahre 2006 verhindert habe, dass eine alternative Standortsuche nach einem Endlager habe stattfinden können. Stattdessen würde die Koalition nun mit Gorleben "ein totes Pferd reiten“.
Vor diesem Hintergrund sei es klar, dass die Menschen in den Regionen, wo Müll hingefahren werde, die Sorge hätten, dass ein Lager auf unbestimmte Zeit eingerichtet werde. Die Heftigkeit der Proteste brauche niemanden zu verwundern, sagte Vogt. Schließlich habe die Koalition durch die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke "jedes Vertrauen in eine glaubwürdige Energiepolitik zerstört“.
Die "provinzielle und engstirnige“ Argumentation der Linksfraktion zeige deren "Mauer im Kopf“, sagte der FDP-Abgeordnete Michael Kauch. Bei der Entsorgung von Atommüll gebe es eine nationale Verantwortung und keine Kleinstaaterei. "Niemand will und kann in Lubmin ein Endlager bauen“, sagte Kauch. Dazu würden schon die geologischen Vorraussetzungen fehlen.
Es sei auch der Müll von SPD und Grüne der hier transportiert werde, sagte der FDP-Politiker. Schließlich sei es der grüne Umweltminister Trittin gewesen, der im Grunde den Auftrag für diesen Transport gegeben habe. Seit zehn Jahren gebe es zudem einen Erkundungsstopp für Endlager, sagte er. In dieser Zeit habe es auch eine rot-grüne Bundesregierung gegeben.
Jürgen Trittin habe ein Endlagergesetz erarbeiten lassen, was jedoch aufgrund des Regierungswechsels 2005 nicht mehr eingebrachte werden konnte, sagte die Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Sylvia Kotting-Uhl. "Wir hätten längst einen Endlagersuchprozess, wenn die Regierung nicht gewechselt hätte.“
Dass die Genehmigung zur Zwischenlagerung in Lubmin erteilt wurde, sei richtig gewesen, sagte Kotting-Uhl. Der Müll aus dem Forschungsreaktor habe schließlich nicht in der Großstadt Karlsruhe bleiben können und musste nach Aussage der Grünenabgeordneten in ein bundeseigenes Zwischenlager gebracht werden.
Was jedoch zur Verunsicherung der Menschen führe sei die "Geheimniskrämerei der Bundesregierung“. So sei angesichts der unklaren Angaben der Regierung zur Nutzung des Zwischenlagers davon auszugehen, dass dieses auch für den Müll aus Atomkraftwerken geöffnet werden solle.
Die "unseriöse“ Politik der Linken kritisierte der Unionsabgeordnete Michael Paul. "Sie versuchen systematisch, die Menschen in diesem Lande für dumm zu verkaufen.“ Während auf der einen Seite "Krokodilstränen“ über die lange Dauer der Zwischenlagerung geweint würden, unternehme die Opposition auf der anderen Seite alles, um Fortschritte bei der Erkundung im Salzstock Gorleben zu verhindern.
Die Entsorgung radioaktiver Abfälle sei eine gesamtstaatliche Aufgabe, sagte Paul. Erst recht gelte dies, wenn die Verursacher öffentliche Einrichtungen seien. Dann müsse die öffentliche Hand einen Entsorgungsweg suchen. Das auch von der SPD mitgetragene Entsorgungskonzept sei richtig gewesen, sagte der CDU-Politiker. "Ich verstehe daher nicht, wieso die SPD heute Verständnis für die Proteste gegen den Transport hat.“ (hau)