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Yvonne Ploetz ist 26 Jahre jung, eine der jüngsten Bundestagsabgeordneten und Nachrückerin für den am 1. Februar 2010 durch Mandatsverzicht ausgeschiedenen Chef der Fraktion Die Linke, Oskar Lafontaine. Die Politikstudentin aus Gersheim im Saarland trat als Bundestagsneuling zwar die Nachfolge eines versierten Politikprofis an, aber Angst habe sie vor der Aufgabe nicht. Die junge Abgeordnete sieht es eher als große Herausforderung in ihrer noch jungen politischen Karriere. Selbstbewusst sagt sie: "Ich will eigene Akzente setzen, denn ich kann Oskar natürlich nicht ersetzen. Ich bin jung und will im Bundestag für Die Linke meine Generation vertreten. Dass ich dabei Ratschläge von Oskar Lafontaine gern annehme, versteht sich für mich von selbst".
Yvonne Ploetz machte 2004 das Abitur und studiert seit 2005 Politikwissenschaft, Kunstgeschichte und Soziologie mit Zusatzzertifikat Ostasiatische Studien. Im gleichen Jahr trat sie in PDS ein, da war sie gerade 20 Jahre alt. Allerdings war das nicht die erste Entscheidung für eine Parteimitgliedschaft. Yvonne Ploetz war seit ihrem 14. Lebensjahr Mitglied der Jungen Union im saarländischen Gersheim.
"Ich wohnte in einer ländlichen Region und wollte mich schon sehr früh politisch engagieren. Da es in meinem unmittelbaren Umfeld nur die Junge Union gab und alle meine Freunde sich dort engagierten, wurde auch ich Mitglied. Es hat mich damals überzeugt, dass die Junge Union viel für die Bürger im Ort und für die Umwelt etwas erreichen wollte", sagt Ploetz.
Mit 18 hatte sie vier Jahre in der Jungen Union mitgearbeitet und merkte, dass sich ihre eigenen Ziele und Ansichten immer mehr von denen der Jungen Union entfernten. Nach einem Schlüsselerlebnis im Gemeinderat stand für sie fest, dass die Junge Union nicht mehr länger ihrer politische Heimat sein würde.
Sie erzählt: "Ich setzte mich damals für den Bau eines Jugendfreizeitplatzes ein und brannte für diese Sache, denn ich war ja selber erst 18 und wollte für die Jugend am Ort etwas erreichen. Da die Junge Union aber mit mir völlig unverständlichen Argumenten dagegen war, trat ich sofort aus."
Zu dieser Zeit wechselte Yvonne Ploetz gerade von der Gesamtschule aufs Gymnasium und belegte als Leistungskurs Politik. "Ich besorgte mir die Programme aller Parteien und las mir alle Ziele durch. Ich gebe zu, es ist ungewöhnlich, denn über ein Parteiprogramm bekommen die wenigsten Zugang zu einer Partei. Aber ich wollte auf jeden Fall politisch aktiv sein, nicht nur wegen des Leistungskurses", erzählt die junge Abgeordnete.
Das Programm der damaligen PDS sagte der Saarländerin am meisten zu, deshalb trat sie 2005 dort ein. Es war das Jahr, in dem sie zum ersten Mal ihre Stimme bei einer Bundestagswahl abgeben konnte. Mit ihrem Eintritt in die PDS lag sie damals offenbar im Trend der links Denkenden. Oskar Lafontaine erklärte am 24. Mai 2005 seinen Austritt aus der SPD und kündigte an, ein Linksbündnis aus WASG und PDS bei der Bundestagswahl 2005 zu unterstützen.
Er kandidierte für ein Direktmandat im Wahlkreis Saarbrücken und gewann mit 26,2 Prozent der Erststimmen den dritten Platz hinter der SPD und der CDU.
Vom populären Saarländer Lafontaine profitierte auch der Landesverband Saarbrücken, dem Yvonne Ploetz angehörte. Hatte die Partei anfangs gerade einmal 80 Mitglieder, war der Zulauf nach dem Wechsel von Lafontaine zur WASG weitaus größer. Heute hat der Landesverband mehr als 2.500 Mitglieder.
Nach dem Abitur und zu Beginn ihres Studiums war Yvonne Ploetz bereits sehr aktiv in der Partei. Sie arbeitete im Landesvorstand mit und war maßgeblich am Aufbau der Linkspartei im Saarland beteiligt. Außerdem war sie Mitbegründerin der Linksjugend Saar, die sie noch heute tatkräftig unterstützt.
Im dritten Semester wurde sie von Oskar Lafontaine angesprochen, ob sie nicht einen Antrag auf ein Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung stellen möchte. "Ich war darüber natürlich froh, denn die Parteiarbeit ließ es kaum zu, dass ich neben Studium und Parteiengagement noch flächendeckend jobbte. Und reiche Eltern hatte ich auch nicht, sodass ich immer große Probleme mit der Studienfinanzierung hatte", erzählt sie.
Yvonne Ploetz schickte ihre Bewerbung für ein Stipendium an die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die bevorzugt Studierende unterstützt, die sich durch hohe fachliche Leistungen sowie ein ausgeprägtes gesellschaftliches und soziales Engagement im Sinne der Rosa-Luxemburg-Stiftung auszeichnen. Mit einer Empfehlung von Oskar Lafontaine wurde sie berücksichtigt.
Während Yvonne Ploetz am Aufbau eines starken Landesverbandes mitwirkte, hatte Oskar Lafontaine große Pläne. Er strebte die Vereinigung von PDS und WASG an, um in Deutschland eine starke Linke zu etablieren. "Die Vorurteile, die die PDS-Mitglieder in vielen Ost-Verbänden gegenüber der WASG hatten, gab es im Saarland aber nicht. Hier hatten sich Menschen zusammengefunden, deren Herz einfach nur links schlug", sagt Yvonne Ploetz. Die Vereinigung der PDS mit der WASG fand im Jahr 2007 statt. Sie wurde nicht von allen, aber der Mehrheit der Genossen begrüßt.
Dass Oskar Lafontaine eine hohe Meinung von der Studentin Yvonne Ploetz hatte und glaubte, sie hätte großes Potenzial, zeigte sich vor der Bundestagswahl 2009. Da fragte er Yvonne Ploetz, ob sie nicht auf einem Nachrückerplatz kandidieren wolle, auch wenn es eher ein aussichtsloser Listenplatz sei. Die Studentin erkannte sofort ihre Chance.
"Auch wenn ich wusste, dass ich nicht gewinnen werde, konnte ich den Wahlkampf doch als Plattform nutzen, meine Ideen zu präsentieren. Einer Bundestagkandidatin hören die Menschen zu. Ich habe viele Veranstaltung mit Oskar Lafontaine gemeinsam absolviert und war immer seine Vorrednerin. Ich absolvierte unzählige Zeitungs-, Radio- und Fernsehinterviews. Eine Erfahrung, die ich keinesfalls missen möchte. Ich habe in dieser Zeit sehr viel von ihm gelernt", sagt Yvonne Ploetz. Aber sie war nicht ausschließlich mit Oskar Lafontaine unterwegs. Yvonne Ploetz suchte sich ihr eigenes Publikum, ging an Schulen und diskutierte mit Studenten an Universitäten.
Nachdem die Partei Die Linke bei der Bundestagswahl 2009 mehr als zwölf Prozent der Wählerstimmen geholt hatte, traf die Nachricht von einer Krebserkrankung von Oskar Lafontaine die Partei schwer. Bereits am 9. Oktober 2009 gab er seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur für den Fraktionsvorsitz bekannt, und im Januar 2010 legte er sein Bundestagsmandat nieder. Yvonne Ploetz rückte für ihn nach und erhielt sein Mandat.
"Mich traf das unverhofft, aber ich war ja gut vorbereitet. Außerdem: wer A sagt, muss auch B sagen. Ich hatte mich darauf eingelassen und konnte und wollte nicht kneifen. Problematisch war nur, dass ich mitten im Studienabschluss bin und zurzeit an meiner Magisterarbeit schreibe. Aber das habe ich inzwischen auch gut hinbekommen, denn ich will demnächst Politikwissenschaftlerin sein", sagt Yvonne Ploetz.
Dass sie als Nachrückerin von Oskar Lafontaine ein großes "Erbe" antritt, sieht Yvonne Ploetz durchaus. "Ich möchte aber meine eigenen Akzente setzen. Der Vergleich mit einem Spitzenpolitiker wie Oskar Lafontaine ist natürlich kaum möglich. Wenn ich meine eigenen Ideen umsetze, werde ich dabei sicher Fehler machen, aber es sind meine eigenen, und aus Fehlern kann man ja lernen", sagt die Abgeordnete selbstbewusst.
Ihr größtes Anliegen als Bundestagsabgeordnete ist der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Sie setzt sich für Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit ein und gegen Studiengebühren an den Hochschulen sowie für ein Recht auf Ausbildung. Außerdem liegt ihr das Thema der Jugendarmut am Herzen. Yvonne Ploetz ist stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (bsl)