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Kernenergie, Globalisierung, Gentechnologie - es sind stets Zukunftsfragen, mit denen sich Enquete-Kommissionen befassen. Mit diesen überfraktionellen, von Abgeordneten und Sachverständigen besetzten Arbeitsgruppen versucht das Parlament, über den Tellerrand der Tagespolitik hinauszublicken und Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme zu finden. Gerade in Zeiten großen Reformbedarfs sind die Enquete-Kommissionen so zu einem wichtigen Instrument der Entscheidungsvorbereitung für den Bundestag geworden.
Für ihre Befürworter war die Gentechnik schon früh eine Schlüsseltechnologie. Sie galt zugleich als Wirtschaftsfaktor mit großem Arbeitsplatzpotenzial und als Schlüssel zur Lösung drängender Probleme in Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt und Medizin. Ihre Kritiker jedoch sehen bis heute in dem Eingriff in das Erbgut von Lebewesen ein großes Risiko. Die Folgen für Mensch und Umwelt seien überhaupt nicht abzuschätzen, so die Gentechnologie-Gegner.
Seit es Anfang der siebziger Jahre Forschern in den USA gelungen war, das erste genetisch veränderte Bakterium zu erzeugen, hatte die Diskussion um Chancen und Risiken der Gentechnik stets ihre Weiterentwicklung begleitet. Auch in Deutschland löste die Technologie nicht nur Hoffnungen und Ängste aus, sie warf auch die ganz grundsätzliche, ethische Frage auf, inwieweit der Mensch eigentlich Schöpfer spielen dürfe.
Als Reaktion beschloss der Bundestag auf Antrag der SPD mit großer Mehrheit (aber bei Enthaltung der Grünen) am 29. Juni 1984 die Einsetzung einer Enquete-Kommission, deren Aufgabe es sein sollte, die Gentechnik in "ihren Chancen und Risiken“ darzustellen. Doch so fraktionsübergreifend der Wille zur Einrichtung dieses Gremiums, so unterschiedlich waren auch die Erwartungen, die die einzelnen Fraktionen an die Kommission hatten.
Die Grünen planten, die Kommission zu nutzen, um auf die Gefahren der Gentechnologie hinzuweisen. "Ich hoffe“, sagte Kommissionsmitglied Erika Hickel (Grüne), "dass der Druck der Öffentlichkeit ... dazu führen wird, dass die Sicherheitsbestimmungen (in den Forschungsinstituten) noch vor Abschluss unserer Arbeiten verschärft werden“.
Die Regierungsfraktionen CDU/CSU und FDP begrüßten die Enquete dagegen mit dem Ziel, eine größere Akzeptanz der Gentechnik bei der Bevölkerung zu erlangen: "Auf den Erkenntnisfortschritt mit Technikfeindlichkeit zu reagieren ... wäre falsch“, betonte Roland Kohn. "Aber ebenso falsch wäre es auch, blindlings und unreflektiert die Dinge treiben zu lassen“, so der FDP-Abgeordnete.
Unter dem Vorsitz des SPD-Abgeordneten Wolf-Michael Catenhusen nahm das 17-köpfige Gremium – neun Abgeordnete und acht Experten aus Wissenschaft (Genetik, Recht, Biochemie, Medizin, Theologie) und Industrie – am 14. August 1984 seine Arbeit auf.
Der Auftrag war mehr als komplex: Zielkonflikte zwischen Forschungsfreiheit und anderen Grundrechten untersuchen, Grenzen der gentechnologischen Anwendungen erarbeiten, Empfehlungen für Sicherheitsstandards aufzeigen und mögliche Maßnahmen zur Förderung der Gentechnik vorschlagen
Im Januar 1987 legte die Kommission nach 55 Kommissionssitzungen, mehr als 20 Anhörungen und einer Delegationsreise nach Japan ihren Bericht vor. In rund 180 Einzelempfehlungen nahm sie Stellung zu den wichtigsten Anwendungsbereichen der Gentechnologie, behandelte Sicherheitsfragen im Umgang mit der Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen sowie Fragen der militärischen Nutzbarkeit der Gentechnik. Ein klares Nein erteilten die Kommissionsmitglieder vor allem aber Eingriffen in das menschliche Genom.
Hatte sich die Kommission in ihren Empfehlungen noch um größtmöglichen Konsens bemüht, so zeigten sich bald jedoch sehr deutlich die Differenzen zwischen den Fraktionen – insbesondere zwischen Regierungskoalition und den Grünen. Die waren mit der Arbeit der Kommission insgesamt unzufrieden: So kritisierte Regula Schmidt-Bott in der Bundestagsdebatte am 4. Juni 1987, die Kommission habe die gesellschaftliche Debatte über die Gentechnik aus Angst vor "Polarisierungen“ zu verhindern versucht.
Darüber hinaus warf die Abgeordnete dem Gremium vor, sich "einseitig und tendenziös“ mit den Chancen, nicht mit den Risiken gentechnischer Forschungsprojekte beschäftigt zu haben. In den Anhörungen seien "alternative Strategien fast völlig ignoriert worden“, bemängelte sie. Die Kommissionsmehrheit habe den "Schutz von Forschung und Industriemanagern“ über den von Mensch und Umwelt gestellt, so Schmidt-Bott.
Trotz solcher Kritik, die in ihrer Vehemenz aber eine Ausnahme blieb, stellte der Kommissionsbericht eine wichtige Vorarbeit für spätere Gesetze dar: Die Empfehlungen der Kommission waren die Grundlage für das am 3. Oktober 1990 in Kraft getretene Gentechnikgesetz.
Die Nutzung der Gentechnologie und die Verhütung von Gefahren wurden damit erstmalig in Deutschland gesetzlich geregelt. Im gleichen Jahr beschloss der Bundestag zudem das Embryonenschutzgesetz, das die Forschung an befruchteten, entwicklungsfähigen Eizellen regelt und beschränkt.
Die Debatte um die Gentechnik war damit aber nicht beendet: 1996 führte der Import von gentechnisch veränderten Sojabohnen zu einer öffentlichen Kontroverse über den Anbau von genmanipulierten Pflanzen. 2004 wurde daraufhin das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts beschlossen, das europäische Richtlinien umsetzt und das Nebeneinander von herkömmlicher Landwirtschaft und der Landwirtschaft, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut, regelt.