Steinmeier verteidigt seine Informationspolitik nach dem Kundus-Bombardement

1. Untersuchungsausschuss - 10.02.2011

Berlin: (hib/KOS/AH) Vor dem Kundus-Untersuchungs-ausschuss betonte am Donnerstagnachmittag SPD-Oppositions-führer Frank-Walter Steinmeier zum Beginn seiner Vernehmung, dass er als Außenminister der Großen Koalition bereits in der ersten Zeit nach dem Bombardement in der afghanischen Kundus-Region am 4. September 2009 gegenüber den Medien die Existenz ziviler Opfer nicht ausgeschlossen habe. Seine in der Öffentlichkeit zunächst ”relativ zurückhaltende“ Reaktion auf den von Bundeswehr-Oberst Georg Klein befohlenen und von zwei US-Piloten ausgeführten Luftschlag auf zwei von Taliban gekidnappte Tanklaster begründete der Zeuge mit der in jenem Moment ”unklaren, diffusen und widersprüchlichen Informationslage“. Steinmeier: ”Ich ließ mich nicht hinreißen, irgendetwas auszuschließen.“ Der Ausschuss soll Umstände, Hintergründe und Konsequenzen des Luftangriffs durchleuchten, bei dem bis zu 142 Tote und Verletzte, darunter zivile Opfer, zu beklagen waren. Dieses Bombardement zählt zu den gravierendsten Vorfällen in der Geschichte der Bundeswehr.

Der SPD-Politiker übte keine direkte Kritik am damaligen Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU). Allerdings erklärte der einstige Außenminister, die unklare Nachrichtenlage in der Anfangsphase nach dem Luftschlag habe wohl auch im Verteidigungsministerium vorgelegen. Damit spielte der Zeuge auf die Informationspolitik dieses Ressorts an, das in der ersten Zeit nach dem Luftangriff die Existenz ziviler Opfer bestritten, dann dieses Problem zwar eingeräumt, aber niedrig gehängt hatte. Jung trat Ende November 2009 vom zwischenzeitlich übernommenen Amt des Arbeitsministers mit dem Argument zurück, er wolle die ”politische Verantwortung“ für Informationspannen im Zusammenhang mit dem Kundus-Bombardement übernehmen.

Die Nachrichtenpolitik der Regierung und besonders des Verteidigungsressorts nach dem Luftschlag gehört zu den zentralen Themen des Untersuchungsausschusses.

Steinmeier erklärte gegenüber den Abgeordneten, er habe sich damals für eine ”aufrichtige Aufklärung“ des Luftangriffs durch die Bundesregierung und die militärischen Instanzen in Afghanistan eingesetzt. Das Auswärtige Amt habe über ”keine Sonderinformationen“ zu diesem Vorfall verfügt. Seine ”vordringliche Aufgabe“ nach dem Bombardement habe er jedoch darin gesehen, so der Zeuge, eine Beschädigung der Glaubwürdigkeit deutscher Politik in Afghanistan und im Kreis der Alliierten zu verhindern. Aus Sicht des Ex-Außenministers drohte der Kundus-Luftschlag wegen der vielen zivilen Opfer, die deutsche Leitlinie zu gefährden, bei militärischen Einsätzen gegen die Taliban zivile Opfer so weit wie irgend möglich zu vermeiden. Der Luftangriff sei deshalb nicht nur ”tragisch“, sondern auch ”politisch kritisch“ gewesen, sagte der heutige SPD-Fraktionschef. Deswegen habe er seinerzeit rasch mit dem afghanischen Außenminister wie auch mit europäischen Kollegen telephoniert, von denen einige ”überraschend harsch“ auf das Bombardement reagiert hätten.

Nach der Befragung Steinmeiers ist für den frühen Abend die Vernehmung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Kundus-Ausschuss geplant.

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