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Vorabmeldung zu einem Interview in der
nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 25. Mai 2010)
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung
-
Der neue Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, will sich auch in Zukunft in die Diskussion einmischen, welche Waffensysteme und welche Ausrüstung die Bundeswehr in Afghanistan einsetzen soll. Dies kündigte der 59-Jährige, der am 20. Mai seinen Amtseid vor dem Deutschen Bundestag abgelegt hat, im Interview mit „Das Parlament“ an. Der ehemalige FDP-Abgeordnete, dessen Mandat mit seinem Amtsantritt endete, verwies darauf, dass dies die Grundrechte der Soldaten auf körperliche Unversehrtheit betreffe. Wörtlich sagte er: „Auch die Frage, welche Mittel den militärisch Verantwortlichen für ihre Einsätze zur Verfügung stehen, gehört deshalb dazu. Hier geht es vor allem um die Frage, ob die Soldatinnen und Soldaten den bestmöglichen Schutz erhalten damit sie gesund aus ihren Einsätzen heimkehren.“ Der Schutz der Grundrechte sei eine Pflicht, die den Wehrbeauftragten auch ganz persönlich betreffe.
Königshaus ging zudem auf sein Amtsverständnis als Wehrbeauftragter und sein Verhältnis zum Bundestag ein. Er sei zwar kein Konkurrent oder Kontrolleur des Parlaments. „Aber ich kann, darf, muss dem Parlament Hinweise geben oder sogar mahnen, wenn ich die Grundrechte der Soldaten verletzt sehe, und sei es als Folge parlamentarischen Handelns. Ihre rechtliche Situation wird nicht nur vom Verteidigungsministerium, dem Dienstherren, ausgestaltet, sondern vielfach vom Parlament selbst.“
Königshaus verwies auf die „starke verfassungsrechtliche Stellung“ seines Amtes. Der Wehrbeauftragte werde „mit der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages gewählt und er leistet den Amtseid nach Artikel 56 des Grundgesetzes. Das unterstreichen auch die im Gesetz über den Wehrbeauftragten verankerten Rechte – etwa das Recht auf Akteneinsicht oder das Recht auf unangemeldete Truppenbesuche.“ Königshaus kündigte an, dass er wie sein Vorgänger Reinhold Robbe, seine Truppenbesuche bei der Bundeswehr in der Regel unangemeldet machen werde.
Das Interview im Wortlaut:
Herr Königshaus, Sie haben sich in den vergangenen
Jahren mit harten Befragungen in drei Untersuchungsausschüssen
einen Namen gemacht. Werden Sie als Wehrbeauftragter die Bundeswehr
ebenso investigativ unter die Lupe nehmen?
Ich werde
meine Aufgaben so wahrnehmen, wie es das Amt und mein Eid gebieten.
Das heißt, ich werde die Grundrechte der Soldaten und
Soldatinnen schützen, und ich werde als Hilfsorgan des
Bundestages die parlamentarische Kontrolle der Streitkräfte
unterstützen. Der Vergleich mit dem Untersuchungsausschuss
passt insofern nicht, als dieser ein Organ ist, das vor allem
zurückliegende Sachverhalte erforschen will. Der
Wehrbeauftragte darf es dabei nicht belassen, er muss sich vor
allem um die Lösung der noch akuten und vorhersehbaren
Probleme bemühen.
Vor Ihrer Vereidigung als Wehrbeauftragter am 20. Mai
haben Sie in ihrem letzten Abgeordneten-Newsletter anklingen
lassen, dass Sie im Wehrbeauftragten durchaus mehr sehen als ein
Hilfsorgan des Bundestages...
Es gibt schon Indizien,
die dafür sprechen, dass der Wehrbeauftragte eine starke
verfassungsrechtliche Stellung hat. Er wird mit der Mehrheit der
Mitglieder des Bundestages...
... der sogenannten
Kanzlermehrheit...
...gewählt und er leistet den
Amtseid nach Artikel 56 des Grundgesetzes. Das unterstreichen auch
die im Gesetz über den Wehrbeauftragten verankerten Rechte
– etwa das Recht auf Akteneinsicht oder das Recht auf
unangemeldete Truppenbesuche.
Ich habe darauf hingewiesen, dass sich die verfassungsrechtliche Bewertung dieses Amtes in der wissenschaftlichen Diskussion seit seiner Einrichtung 1959 verändert hat. Dabei geht es mir nicht um eine Kategorisierung, sondern um Inhalte. Ich habe mit meinem Amtseid geschworen, meine Pflichten gewissenhaft zu erfüllen. Da ist es schon wichtig, sich über deren Reichweite zu vergewissern. Ich will keine meiner Pflichten unerfüllt lassen, aber auch keine Grenzen überschreiten. Artikel 45 b des Grundgesetzes legt die Spannweite meiner Aufgaben fest: „Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter berufen.“ Er hat also zwei unterschiedliche Aufgaben. Der Schutz der Grundrechte ist eine Pflicht, die den Wehrbeauftragten auch ganz persönlich betrifft.
Das heißt, Sie werden auch dem Bundestag auf die
Finger schauen und sich gegebenenfalls zu Wort
melden?
Ich bin kein Konkurrent und erst recht
kein Kontrolleur des Parlaments, sondern dessen Beauftragter, wie
es schon die Amtsbezeichnung sagt. Aber ich kann, darf, muss dem
Parlament Hinweise geben oder sogar mahnen, wenn ich die
Grundrechte der Soldaten verletzt sehe, und sei es als Folge
parlamentarischen Handelns. Ihre rechtliche Situation wird nicht
nur vom Verteidigungsministerium, dem Dienstherren, ausgestaltet,
sondern vielfach vom Parlament selbst. Zum Beispiel bei den
Versorgungsregelungen für jene Soldatinnen und Soldaten, die
im Einsatz verletzt wurden. Oder bei der Behandlung der
posttraumatischen Belastungsstörungen von Soldatinnen und
Soldaten, wo die gesetzlichen Regelungen natürlich auch den
Dienstherrn binden.
Die Frage ist also, wo die Grenzen des Aufgabenbereichs des
Wehrbeauftragten liegen. Mir ist vor meiner Amtsübernahme
vorgehalten worden, ich hätte Dinge angesprochen,...
...etwa mit der Forderung nach dem Einsatz schwerer
Waffen in Afghanistan...
... die außerhalb des
Zuständigkeitsbereichs des Wehrbeauftragten liegen. Und
deshalb ist es wichtig, diese Frage zu klären. Ich werde auf
keinen Fall diese Grenzen überschreiten. Ich werde mich als
Wehrbeauftragter beispielsweise nie zu der Frage äußern,
ob ein Auslandseinsatz gerechtfertigt ist oder nicht. Das ist die
Entscheidung des Parlaments. Aber ich habe mich sehr wohl –
das gilt übrigens auch für die Frage der Wehrpflicht
– mit der Frage zu befassen, wie die konkrete Umsetzung
ausgestaltet wird, und ob dabei die Interessen der Soldatinnen und
Soldaten berücksichtigt werden, und ob ihre Grundrechte
beeinträchtigt werden könnten. Auch die Frage, welche
Mittel den militärisch Verantwortlichen für ihre
Einsätze zur Verfügung stehen, gehört deshalb dazu.
Hier geht es vor allem um die Frage, ob die Soldatinnen und
Soldaten den bestmöglichen Schutz erhalten damit sie gesund
aus ihren Einsätzen heimkehren.
Ihr Vorgänger Reinhold Robbe hat die von Ihnen
erwähnten unangemeldeten Truppenbesuche zu einer Art Credo
erhoben. Werden Sie diese Praxis
fortsetzen?
Natürlich, das hat sich
bewährt, aber es geht nicht immer. In der Tat ist es so: Je
überraschender der Besuch kommt, desto klarer ist das Bild,
das man vom Normalzustand vor Ort gewinnt. Aber in Kundus kann ich
beispielsweise nicht unangemeldet mit dem Taxi am Tor des
Feldlagers vorfahren. Es wäre auch völlig unangemessen,
auf diese Weise den militärischen Betrieb in einer solchen
Einsatz- und Ausnahmesituation durcheinander zu bringen. Als
Wehrbeauftragter muss ich klar abwägen, in welchen Fällen
ein unangemeldeter Besuch angebracht ist und in welchen nicht. Aber
in der Regel werde auch ich die Truppe unangemeldet besuchen.
Reinhold Robbe war sicherlich der bislang politischste
Wehrbeauftragte, der sich auch öffentlichkeitswirksam
Gehör verschafft hat. Werden Sie einen ähnlichen Stil
pflegen? Würden auch Sie einen hohen Offizier öffentlich
kritisieren?
Wenn dies nötig ist, dann ja. Die
Frage ist, wann eine Situation wirklich danach verlangt. Das werde
ich sicherlich nur in extremen Ausnahmefällen machen. Es macht
auch keinen Sinn jemanden kopieren zu wollen. Ich pflege meinen
eigenen Stil. Aber wenn ich die Kritik, die an meinen
Äußerungen vor meiner Amtsübernahme geübt
wurde, richtig verstanden habe, dann werde auch ich nicht als
bequem und angepasst wahrgenommen. Das wird sich auch im Amt des
Wehrbeauftragten nicht ändern.
Die Mängelliste des letzten Wehrberichts ist lang.
Welches der vielen Probleme der Bundeswehr sehen Sie als das
dringlichste an?
Ich greife Eins zu Eins das auf, was
Reinhold Robbe angemahnt hat: die angespannte Situation im
Sanitätsdienst, die Ausrüstung und die Ausbildung der
Soldatinnen und Soldaten in den Auslandseinsätzen, die
Vereinbarkeit von Dienst und Familie, und vieles mehr.
Die zur Verfügung stehenden Finanzmittel für
die Bundeswehr werden aber sicherlich nicht
größer...
Das ist zu befürchten.
Wie groß ist denn dann ihre Zuversicht, dass die
gravierendsten Probleme trotzdem zeitnah gelöst
werden?
Das ist auch eine Frage der
Prioritätensetzung. Der Verteidigungshaushalt ist mit rund 32
Milliarden Euro ja nicht gerade klein. Aber im Haushalt finden sich
eine Reihe von Beschaffungsvorhaben, die uns im Augenblick wenig
nutzen, weil sie erst in ferner Zukunft realisiert werden und uns
in den Einsätzen, etwa in Afghanistan, nicht zur
Verfügung stehen.
Das heißt, sie schließen sich der Meinung
von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg an, der
militärische Ausrüstung notfalls auch im Ausland kaufen
will?
Mit geht es darum, dass die Soldaten und
Soldatinnen ausreichend ausgerüstet sind. Natürlich bin
ich dafür, dass wir die deutsche Industrie stützen, die
Arbeitsplätze und das Know-How erhalten. Aber wir unterhalten
die Streitkräfte, um militärische Einsätze
durchführen zu können. Und wenn die benötigte
Ausrüstung hier nicht zur Verfügung steht, dann
müssen wir uns auch woanders umsehen.
Die Bundesregierung will den Wehrdienst von neun auf
sechs Monate verkürzen. Wäre es nicht sinnvoller gewesen,
sie hätte die Ergebnisse der Bundeswehrstrukturkommission
abgewartet?
Nein, darin sehe ich kein Problem.
Abgewartet wird doch immer. Und das ist mit ein Grund für die
Probleme, die die Bundeswehr hat. Die Kommission weiß ja, was
beschlossen wurde, und wird dies in ihre Überlegungen
einfließen lassen. Zudem hat der Inspekteur des Heeres der
Kommission bereits durchaus überzeugende Überlegungen
vorgetragen, wie er die Wehrpflichtigen in Zukunft ausbilden und
einsetzen will –und zwar zum größtmöglichen
Nutzen für die Streitkräfte, aber auch für die
einzelnen Soldaten.