Navigationspfad: Startseite > Presse > Pressemitteilungen > 2010 > 05.09.2010
Vorabmeldung
zu Interviews in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
"Das Parlament" (Erscheinungstag: 06. September
2010)
– bei
Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung
–
Nach seinem Besuch bei den in Nordafghanistan stationierten
Bundeswehrsoldaten sieht Bundestagspräsident Norbert Lammert
(CDU) sowohl Fortschritte als auch Rückschritte im
angestrebten Entwicklungsprozess des Landes. Er habe in dieser
Hinsicht "manche Besorgnisse bestätigt gefunden, aber auch
manche Ermutigung erfahren, auch an Stellen, wo ich sie eher nicht
erwartet hätte" sagte Lammert in einem Gespräch mit der
Wochenzeitung ?Das Parlament“ (Erscheinungstag: 06. September
2010). Dies gelte etwa für die bevorstehenden Wahlen zum
afghanischen Parlament. Dabei ähnele jedenfalls in der
Hauptstadt Kabul schon das Erscheinungsbild "etwa in Form von
Plakaten doch in erstaunlichem Maße westlichen
Gewohnheiten".
Auch sei bei den Vorbereitungsmaßnahmen für die Öffnung und Platzierung von Wahllokalen bis hin zu Vorkehrungen im afghanischen Wahlsystem ein "bemerkenswertes Engagement"festzustellen, fügte der CDU-Politiker hinzu. So gebe es im Gegensatz zum deutschen Wahlsystem in Afghanistan eine Regelung, dass beim Ausscheiden einer gewählten Abgeordneten "in jedem Fall eine Frau nachrücken muss und keineswegs irgendein männlicher Repräsentant der Gruppierung, zu der sie im Parlament gehört“.
Das Interview im Wortlaut:
Herr Präsident,
Sie kommen gerade aus dem komplizierten Afghanistan zurück.
Ihr erster Eindruck vom Land? Wie weit sind Sie dort
herumgekommen?
Lammert:
Ich war in Masar- i-Sharif, in
Kunduz und in Kabul. Der Besuch war zu kurz, um ernsthaft einen
Eindruck vom Land zu gewinnen, aber er war intensiv genug, um einen
Eindruck von handelnden Personen und von Fortschritten und
Rückschritten in dem Entwicklungsprozess zu gewinnen, den wir
mit dem Einsatz deutscher ziviler und militärischer
Kräfte hier befördern wollen.
Trotzdem die Frage:
Sind Ihre schlimmsten Erwartungen übertroffen worden oder
haben Sie mit dem Elend, das sie vorgefunden haben, gerechnet? Oder
existiert das zum Beispiel in Kabul gar nicht
mehr?
Lammert:
Nochmal, ich habe in der
verfügbaren Zeit nicht Dörfer und Regionen besucht,
sondern ich habe deutsche Soldatinnen und Soldaten getroffen, also
Standorte besucht, und habe mit offiziellen Repräsentanten des
Landes und der internationalen Gemeinschaft geredet. Deswegen ja
auch meine Zurückhaltung, was die Kommentierung der
Verhältnisse des Landes betrifft. Ich habe mit Blick auf den
Entwicklungsprozess, den wir uns gemeinsam vorgenommen haben,
manche Besorgnisse bestätigt gefunden, aber auch manche
Ermutigung erfahren, auch an Stellen, wo ich sie eher nicht
erwartet hätte….
…zum
Beispiel?
Lammert: Zum Beispiel die jetzt bevorstehenden
Wahlen zum afghanischen Parlament, die im Übrigen auch schon
im Erscheinungsbild, jedenfalls in Kabul, etwa in Form von Plakaten
doch in erstaunlichem Maße westlichen Gewohnheiten
ähneln, und wo ich von den auch mit internationalen
Zivilorganisationen abgestimmten Vorbereitungsmaßnahmen
für die Öffnung und die Platzierung von Wahllokalen bis
hin zu Vorkehrungen im afghanischen Wahlsystem doch ein
bemerkenswertes Engagement feststelle. Beispielsweise in Gestalt
einer Regelung, die wir im deutschen Wahlsystem nicht haben und
vermutlich auch nicht brauchen, dass dann, wenn eine gewählte
Parlamentarierin aus dem Parlament ausscheidet, aus welchem Grund
auch immer, in jedem Fall eine Frau nachrücken muss und
keineswegs irgendein männlicher Repräsentant der
Gruppierung, zu der sie im Parlament gehört.
Eine gewisse
Verankerung demokratischer Verhältnisse haben Sie also doch
feststellen
können?
Lammert:
Jedenfalls gibt es außer
den Hinweisen auf eine insgesamt offenkundig militärisch und
sicherheitspolitisch schwierigere Lage, auch und gerade von den
Vertretern der internationalen Zivilorganisationen Hinweise auf
Fortschritte, sowohl was die politische Kultur, als auch was die
Sicherheitsarchitektur in bestimmten Regionen angeht.
Hatten Sie
irgendwann auf Ihrer Reise ein mulmiges
Gefühl?
Lammert:
Nicht im Sinne eines
subjektiven Bedrohungsgefühls. Aber es ist eben schon etwas
anderes, mit einem bequemen Dienstwagen durch die Bundesrepublik zu
fahren als mit Militärhubschraubern mit offener Ladeluke, wo
hinten ein Soldat am Maschinengewehr angegurtet sitzt und vorne
zwei hinter dem Cockpit, um bei möglichen Angriffen sofort
auch reagieren zu können.