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Im Rückblick wäre es richtig gewesen, wenn der Luftangriff von Kundus unterblieben wäre: Dieses Urteil fällte Verteidigungsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg am Donnerstag, 22. April 2010, zum Auftakt seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss. Das Gremium soll Umstände und Hintergründe des Bombardements zweier von Taliban entführter Tanklaster in der Nacht zum 4. September mit bis zu 142 Toten und Verletzten samt vielen zivilen Opfern aufklären.
Seine Einschätzung wollte der CSU-Politiker aber nicht als Kritik an Oberst Georg Klein verstanden wissen, der sich auf der Grundlage der ihm damals zur Verfügung stehenden Informationen die Entscheidung zum Angriffsbefehl nicht leicht gemacht habe und diese Order beim Wissen um zivile Opfer nicht gegeben hätte. Der Ressortchef bezeichnete den Luftschlag in Afghanistan als die "schwerwiegendste Operation in der Geschichte der Bundeswehr“.
Guttenberg rechtfertigte die Revision seiner Bewertung des Bombardements mit dem zwischenzeitlich erfolgten Gewinn neuer Erkenntnisse und in diesem Zusammenhang mit der politischen Neugewichtung des Angriffs. Anfang November hatte er den Angriffsbefehl trotz Kleins Fehlern bei der Anwendung von Einsatzregeln als "militärisch angemessen“ und sogar zwingend klassifiziert.
Laut dem Zeugen fußte diese wenige Tage nach Amtsantritt gefällte positive Einschätzung allein auf militärischen Kriterien. Dabei habe er sich auf die "eindeutige und unmissverständliche Wertung“ des ISAF-Untersuchungsberichts durch die Spitze im Haus um Staatssekretär Dr. Peter Wichert und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan gestützt.
Die Kenntnis von ihm bis Ende November vorenthaltenen weiteren Analysen wie dem Feldjäger-Bericht habe jedoch eine "politische Gesamtbeurteilung“ des Luftangriffs als nicht angemessen erforderlich gemacht, die er Anfang Dezember im Bundestag verkündete. Der Minister erklärte, ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass unter deutschen Generälen kontrovers über das Bombardement diskutiert worden sei.
So sei auch von einem "Riesenfehler“ und davon die Rede gewesen, dass der Luftschlag vielleicht verzichtbar gewesen wäre. Zudem habe man beim Einsatzführungsstab in Potsdam negative Auswirkungen auf die Bundeswehr befürchtet, wenn der Feldjäger-Bericht unkommentiert publik werde, was ihm ebenfalls lange Zeit verborgen geblieben sei.
Seine revidierte Einschätzung begründete Guttenberg unter anderem damit, dass die Zahl ziviler Opfer anfänglich zu niedrig eingestuft worden sei. Vor allem aber dürfe sich eine "ganzheitliche Betrachtung“ nicht nur auf die militärische Lage vor Ort zum Zeitpunkt des Bombardements beziehen, sondern müsse auch politische Aspekte wie etwa die Konsequenzen für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan und die Wirkung in der Öffentlichkeit bedenken.
Dabei könnten "Zielkonflikte“ auftreten. Im Rückblick stelle sich die Lage vor Ort auch nicht derart dramatisch dar, dass ein so schwerwiegender Einsatz wie das Bombardement zu rechtfertigen sei.
Der Minister verteidigte in seiner über einstündigen Rede seinen Entschluss, sich von Schneiderhan und Wichert zu trennen. Beide hätten am 25. November bei einem Gespräch erst auf mehrfaches Nachfragen hin die Existenz weiterer Expertisen neben der ISAF-Analyse wie vor allem des Feldjäger-Berichts eingeräumt.
Von da an sei klar gewesen, dass er sich nicht mehr auf die "Beratung“ im Haus verlassen könne. Er "akzeptiere es nicht“, so Guttenberg, dass ihm gerade der Feldjäger-Bericht "in einer derart sensitiven Angelegenheit“ nicht vorgelegt worden sei. Mit der Entlassung sei keine Beurteilung der "fachlichen Kompetenz und persönlichen Integrität“ Schneiderhans und Wicherts verbunden.
Der CSU-Politiker wies Vorwürfe zurück, er habe die beiden als "Bauernopfer“ auserkoren, um ihnen die Schuld für seinen Meinungswandel zum Kundus-Bombardement zu geben. Guttenberg äußerte sich auch kritisch über die Informationspolitik im Ministerium unter seinem Vorgänger Dr. Franz-Josef Jung. Diese mangelhaften Strukturen seien mittlerweile aufgearbeitet worden.
Auch zeigte sich der Zeuge "verwundert“, dass Jung und Schneiderhan eine eigenständige nationale Untersuchung neben der NATO-Analyse abgelehnt haben. Dies werde künftig bei solchen Vorkommnissen wie in Kundus der Fall sein. Als Konsequenz aus dem Luftschlag sei die Bundeswehr in Afghanistan gründlich über die Einsatzregeln unterrichtet worden. Abschließend sagte Guttenberg, wegen ziviler Opfer, die nicht auszuschließen seien, stehe in Afghanistan das "militärische Handeln unter besonderem Rechtfertigungszwang“.