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Angesichts der jährlich steigenden Kassenausgaben für Arzneimittel haben die drei Oppositionsfraktionen Bundesgesundheitsminister Dr. Philip Rösler (FDP) zögerliches Vorgehen vorgeworfen. Das im März vorgestellte Eckpunktepapier des Ministers sei nicht ausreichend, um die Preismacht der Pharmaindustrie wirklich zu durchbrechen, hielten sie dem Minister in der Bundestagsdebatte vom Donnerstag, 22. April 2010, vor.
Zu den dringlichsten Forderungen in den Anträgen der SPD ( 17/1201), der Linken ( 17/1206) und von Bündnis 90/Die Grünen ( 17/1418) gehören die Einführung einer Positivliste für wirksame Medikamente und ein öffentliches Register für Arzneimittelstudien, um der Manipulation von Ergebnissen vorzubeugen. Die Vorlagen wurden nach 45-minütiger Debatte in die Ausschüsse verwiesen.
Rösler hatte im März ein Eckpunktepapier vorgelegt, das unter anderem vorsieht, die Arzneimittelpreise bis zum Jahr 2013 auf dem Niveau vom August 2009 einzufrieren. Außerdem sollen die Rabatte für Arzneimittel ohne Festbeitrag von sechs auf 16 Prozent angehoben werden.
Bei der Markteinführung neuer Medikamente, die gegenüber eingeführten Mitteln einen Zusatznutzen bieten, sollen Hersteller und Krankenversicherungen innerhalb eines Jahres einen Rabatt aushandeln. Werden sie sich in dieser Zeit nicht einig, entscheidet eine neutrale Schiedsstelle innerhalb von drei Monaten über den Preis.
Zudem müssen die Pharmaunternehmen in eigenen Studien den Zusatznutzen innovativer Medikamente nachweisen. Nicht rabattierte Arzneimittel soll Patienten über eine so genannte Mehrkostenregelung zugänglich gemacht werden. Damit können beispielsweise chronisch Kranke ein solches Arzneimittel bekommen - allerdings müssen sie dafür einen Aufpreis zahlen.
Die Gesundheitsexpertin der Linken, Kathrin Vogler, sagte, Röslers Vorschläge seien für ihre Fraktion "in einigen Punkten zustimmungsfähig“. Doch die Pläne seien keineswegs ausreichend. Mit den höheren Rabatten verschaffe die Regierung der Krankenversicherung zwar kurzfristig Luft. Doch sei damit zu rechnen, dass die Konzerne künftig ihre Preise einfach höher ansetzen würden.
Wenn sich Leistung lohnen solle, müssten Medikamentenpreise "konsequent am Nutzen für die Patienten“ ausgerichtet werden. Solange die Industrie jedoch weiter allein über ihre Studien entscheide, "werden wir die Ausgaben nicht in den Griff bekommen“, sagte Vogler. Die jüngste Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt zeige, dass die Industrie "im großen Stil“ durch die Unterdrückung und Manipulation unliebsamer Ergebnisse einen falschen Nutzen vortäusche. Nur ein öffentliches Register für Arzneimittelstudien könne dem entgegenwirken.
Ähnlich äußerte sich die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Birgit Bender. In Röslers Eckpunktepapier gebe es "weiße Stellen“, durch die die Pharmaindustrie weiterhin "Mondpreise“ durchsetzen könne. So könnten die Hersteller im ersten Jahr der Medikamenteneinführung ihre Preise völlig frei selbst bestimmen. Ihre Fraktion fordere deshalb eine Regresspflicht, wie es sie in mehreren Nachbarländern gebe: Sollte sich in einer Kosten-Nutzen-Bewertung herausstellen, dass ein Preis überteuert ist, so könnten die Hersteller nachträglich in Regress genommen werden.
Wie die Linksfraktion fordern auch die Grünen die Einführung eines verpflichtenden Studienregisters. Zudem müsse eine Positivliste "als Instrument für Qualität und Transparenz“ eingeführt werden, sagte Bender. Harsche Kritik übte sie an dem geplanten Mehrkostensystem. Damit würden die Rabattverträge de facto außer Kraft gesetzt und zudem eine Zwei-Klassen-Medizin sowohl im Hinblick auf die Patienten als auch auf die Arzneimittel eingeführt.
Die SPD nutzte die Debatte für einen Rundumschlag gegen Röslers bisherige Politik. Die FDP habe sich in den ersten sechs Monaten ihrer Regierungszeit lediglich mit Steuergeschenken für Hoteliers und dem Streit um die Kopfpauschale gestritten, sagte die SPD-Abgeordnete Bärbel Bas. Der Herstellerrabatt komme sechs Monate zu spät. Deshalb habe die Regierung der gesetzlichen Krankenversicherung finanziellen Schaden zugefügt.
Der Gesundheitsexperte der SPD, Dr. Karl Lauterbach, sagte, die geplanten Preisverhandlungen seien kompliziert, ohne Einsparpotenziale und "Bürokratie pur“. Röslers "einziger brauchbarer Vorschlag“ sei die Einführung des Zwangsrabattes von 16 Prozent, doch dieser komme zu spät. Zu den eigenen Plänen äußerte sich Lauterbach nicht. Bas zählte als Forderungen die Positivliste, europäische Durchschnittspreise und die Teilung des finanziellen Risikos bei innovativen Krebsmedikamenten zwischen Krankenkassen und Industrie auf.
Die Vertreter der Regierungsfraktionen warfen den SPD-Abgeordneten Hilflosigkeit vor. Dass Lauterbach den eigenen Antrag nicht einmal erwähnt habe, zeige, dass dieser schlicht überholt sei, sagte der Unions-Gesundheitsexperte Jens Spahn. Die Regierung setze zum einen auf kurzfristige Sparmaßnahmen wie den gesetzlichen Herstellerrabatt. Zum zweiten werde sie langfristig die Strukturen so ändern, dass die Arzneimittelhersteller nicht mehr wie bisher ihre Preise einseitig festlegen können. Stattdessen werde der Preis an den tatsächlich bewiesenen Zusatznutzen gekoppelt.
Spahn Fraktionskollege Stephan Stracke betonte, mit ihren Plänen wahre die Regierungskoalition die Balance zwischen Innovation und Bezahlbarkeit von neuen Medikamenten. Für Patienten müsse sichergestellt sein, dass sie Zugang zu den besten und wirksamsten Medikamenten hätten. Die Voraussetzung seien hierfür aber leistungsstarke Unternehmen, die in Forschung und Entwicklung investieren. "Wir wollen gute Leistung belohnen“, sagte Stracke. Andererseits solle für neue Medikamente nur dann mehr bezahlt werden, wenn ein tatsächlich bewiesener Nutzen vorliege.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Daniel Bahr (FDP), betonte, um Einsparungen im Gesundheitswesen zu erreichen, müssten alle Beteiligten ihren Beitrag leisten. Es gehe nicht einseitig ums Preis-Drücken, sondern darum, "faire Preise für Hersteller und Krankenkassen“ zu erreichen. Der offene Zugang zu Innovationen müsse erhalten bleiben. Dies dürfe jedoch kein Freifahrtschein für die Preisbildung durch die Industrie sein.
Die Regierungspläne sorgten dafür, dass die Menschen "die besten und wirksamsten Arzneimittel erhalten“ und sie Wahlfreiheit in der Behandlung hätten, sagte Spahn. Zudem würden dadurch "verlässliche Rahmenbedingungen für Innovationen und Arbeitsplätze“ geschaffen.