Navigationspfad: Startseite > Dokumente & Recherche > Textarchiv > 2010 > Aktuelle Stunde
Die Zahlen der Steuerschätzung beschäftigten den Bundestag. © picture-alliance / Bildagentur-online/Klein
Knapp 39 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen bis 2013 als bisher berechnet - so schätzt der Arbeitskreis der Steuerschätzer die künftigen Einnahmen ein. In der von der SPD beantragten Aktuellen Stunde am Donnerstag, 6. Mai 2010, löste die Prognose unterschiedliche Einschätzungen aus. Während Union und FDP sich in ihrer Politik bestärkt sahen, warfen die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke der Regierung Blindheit und Versagen vor.
"Die Bürger haben mit Schwarz-Gelb die Katze im Sack gekauft“, rief Joachim Poß (SPD). Die Vorhersagen der Steuerschätzer - darunter 1,2 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen in diesem Jahr gemessen an der Schätzung von November 2009 - seien keine Überraschung. Die öffentlichen Kassen blieben leer, es gebe keinen Platz für Steuersenkungen, wie sie die Regierung anstrebe.
Vor allem die FDP habe sich der Realität nicht gestellt. "Sie schauspielern Regierung“, warf Poß den Liberalen vor. Für Union und FDP gebe es nur eine Möglichkeit, Steuern zu senken: Kommunen und Steuersysteme auszuplündern.
Dr. Volker Wissing (FDP) entgegnete, das Problem der Regierung liege bei den Ausgaben, nicht den Einnahmen. Der Haushalt sei zu aufgebläht. Die Ergebnisse des Arbeitskreises zeigten, dass die Einnahmen aus Steuern stiegen, "nur nicht so stark wie gedacht“.
Laut Steuerschätzerkreis werden die Einnahmen in diesem Jahr voraussichtlich bei 510,3 Milliarden Euro liegen. Der Bund kann den Experten zufolge mit 600 Millionen Euro mehr als bisher geplant rechnen, die Länder mit einer Milliarde Euro mehr. Dagegen werden die Kommunen vermutlich einen Verlust von einer Milliarde Euro hinnehmen müssen.
Wissing hob die acht Milliarden Euro Entlastung für deutsche Steuerzahler hervor, die die schwarz-gelbe Regierung dieses Jahr beschlossen habe. Er betonte, der Inhalt des Koalitionsvertrages, also unter anderem weitere Entlastungen für die Bürger, würden in dieser Legislaturperiode umgesetzt.
Alexander Bonde (Bündnis 90/Die Grünen) sah die Lage anders. Die Steuerschätzung bezeichnete er als "schallende Ohrfeige“ für die Koalition. Das von Wissing hervorgehobene Wachstumspaket koste acht Milliarden Euro, bringe aber einer Studie des Sachverständigenrates der Bundesregierung zufolge nur ein Wachstum von 0,05 bis 0,07 Prozent.
Die Steuereinnahmen erreichten den Schätzungen zufolge im Jahr 2013 wieder das Niveau von 2008. Die Ausgaben würden aber 2013 höher sein als es noch 2008 der Fall gewesen sei, prognostizierte Bonde. Die Regierung drücke sich jedoch vor der Antwort auf die Frage, wo gespart werden müsse, um die Ausgaben zu senken.
Auch Dr. Barbara Höll (Die Linke) sah die Schuld für die vermutlich geringeren Steuereinnahmen bei der Regierung. "Ein Großteil der Ergebnisse wurde verursacht durch Ihre Steuerpolitik“, warf sie Union und FDP vor. Sie forderte ein gerechteres Steuersystem, das oben belaste und unten entlaste.
"Starke Schultern können mehr tragen als schwache“, sagte Höll. Sie plädierte außerdem für einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent sowie einen gesetzlichen Mindestlohn.
Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) verteidigte die Politik der Regierung. Sowohl FDP als auch die Union wollten ein einfacheres und gerechteres Steuersystem erreichen. Im Vordergrund stünden allerdings Haushalten und Konsolidierung. Die Arbeit von Schwarz-Gelb zeige Wirkung: "Unsere Wirtschaft nimmt Fahrt auf, das ist erkennbar das Ergebnis unserer Arbeit."
Hartmut Koschyk, parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, argumentierte ebenso. Dass die Steuerschätzer die Einnahmen der kommenden Jahre jetzt niedriger veranschlagten als noch im vergangenen Jahr, sei normal. "Bei der letzten Schätzung war das Ausmaß der Krise noch nicht ganz klar“, sagte der CSU-Politiker.
Er kündigte "erste Schritte zu Steuervereinfachungen“ an. Vor allem die Komplexität des Steuersystems werde von den Bürgern als Belastung empfunden. 2011 werde es aber noch keine Senkung der Einkommensteuer geben können.