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Zur Feier des Tages der Deutschen Einheit beim Bürgerfest am 2. und 3. Oktober 2010 in Bremen hat der Deutsche Bundestag eine Plenarsitzung in Form eines Rollenspiels nachgestellt. Ein "Parlamentarier“ erzählt vom Scheitern eines Entwurfs zum Fischverzehrförderungsfinanzierungsgesetz:
Der Gong schlägt. Schon kehrt Ruhe ein im Saal. Alle erheben sich: eine Geste des Respekts vor dem Präsidenten des Deutschen Bundestages, der nun zum Rednerpult schreitet. Erst als er es erreicht und seinen Blick ins weite Rund wirft, dürfen wir uns wieder setzen.
Die kurzzeitige Ruhe aber ist dahin. Auf einmal stören uns dumpfe Popmusik-Klänge in unserer Arbeit, dazu eine mittelmäßige Bariton-Stimme mit einer aufreizend einfachen Melodie. Der Krach kommt von draußen. "Schlachtgesänge der außerparlamentarischen Opposition", erklärt der Bundestagspräsident kurz. Wir, die Parlamentarier, müssten über solchen Dingen stehen - und unsererseits die Würde des Parlaments wahren.
Etwa durch angemessene Kleidung. Nicht gefragt sind auch Kopfbedeckungen, zumal wenn sie eine religiöse oder politische Aussage transportierten. Zwei "Dracula-Gesichter" hat der Bundestagspräsident in den Reihen der "Linken" ausgemacht - als Vampire geschminkte Kinder - und merkt an: derlei lasse sich fast schon als politische Aussage deuten. Doch eben nur fast. Die Kinder haben Glück - und dürfen bleiben.
Es gibt ein wichtiges Thema zu besprechen: Der Bundeskanzler bringt einen Gesetzentwurf ein, über welchen wir abzustimmen haben, einen Entwurf zum Fischverzehrförderungsfinanzierungsgesetz. Ein heikles Thema! Wohl nicht umsonst betonen sowohl der Kanzler als auch anschließend eine Sprecherin der Opposition, dass man sich "intensivst" mit der Problematik auseinandergesetzt habe - nicht ohne im selben Atemzug der jeweils anderen Seite jegliches Engagement abzusprechen.
Seine Partei sowie die CSU und die FDP hätten nicht umsonst auch den Heilbutt und den Stockfisch in den Gesetzentwurf eingearbeitet, erklärt der Kanzler. "Was Ihnen", spottet "Herr Merkel" mit Blick auf die Oppositionsbänke, "zu teuer" ist. Besonders viel Gewicht aber könne er diesem ökonomischen Einwand nicht beimessen: "Ich nehme an, Sie haben unseren Entwurf gar nicht gelesen", behauptet er süffisant.
Peinlicherweise bleibt die Widerrede der Oppositionsführerin an dieser Stelle aus. Die Dame aus den Reihen der SPD hat den Saal vorzeitig verlassen. Jetzt erteilt der Bundestagspräsident einer Sprecherin der zweitstärksten Oppositionsfraktion, der "Linken", das Wort. Und diese erfüllt unsere Erwartungen voll und ganz, spricht sogleich, sichtlich erregt, von einer "Finte der Regierung": weil zu einer gesunden Ernährung nicht nur Fisch gehöre, sondern auch Gemüse. Auch seien die Meere ohnehin längst leergefischt, der ganze Gesetzentwurf also widersinnig.
Hier nun meldet sich der Bundesratspräsident zu Wort, mahnt zu einer kleinen Differenzierung: Fisch sei nicht gleich Fisch, wohl aber jeder Fisch gleichermaßen förderungswürdig. Und deshalb sähen es zumal die Bundesländer jenseits der Künstenregionen gern, wenn nicht nur der Seefisch in dem neuen Gesetz berücksichtigt würde, sondern wenn überdies ein Passus einflösse, der den Anbau von Fischteichen unterstützte.
Besonders beeindrucken kann uns der Ratspräsident mit dieser Einlassung allerdings nicht. Und so dringt der Bundestagspräsident denn auch rasch zur Abstimmung. Gemäß der Empfehlung des Ältestenrates stimmen wir namentlich ab - mit überraschendem Ergebnis: einer Schlappe der Regierung. Wir lehnen ihren Antrag ab.
Ausschlaggebend sind die vielen Gegenstimmen aus der FDP. Und so klingen die Worte des - von den Regierungsfraktionen gewählten - Bundestagspräsidenten zum Abschied des Parlaments denn auch prompt ein wenig sarkastisch: "Haben Sie vielen Dank", spricht der Mann.
Und wir glauben, den einen oder anderen kurzen, aber giftigen Blick in die Reihen der Liberalen wahrzunehmen. (als)