Navigationspfad: Startseite > Dokumente & Recherche > Textarchiv > 2010 > Rente mit 67
In einer von der Fraktion Die Linke beantragten Aktuellen Stunde hat der Bundestag am Mittwoch, 27. Oktober 2010, über die Bedingungen für die Einführung der Rente mit 67 debattiert. Klaus Ernst (Die Linke) sagte, dass nur 9,9 Prozent der Menschen in der Altersgruppe von 64 Jahren noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt seien. "Das heißt, dass 90 Prozent der Menschen mit der Rente ab 67 nur eine Rentenkürzung bekommen.“ Ernst hielt der Bundesregierung vor, die Menschen in Altersarmut zu treiben.
Die Koalitionsfraktionen widersprachen der Darstellung und verwiesen darauf, dass 2029 bei Einführung der Rente mit 67 der Arbeitsmarkt völlig anders aussehen werde. "Herr Ernst hat uns mit allen Beispielen angelogen, weil die Rente mit 67 im Jahr 2029 kommt und nicht heute“, sagte der Arbeitsmarktexperte der CDUCSU, Peter Weiß. Auch die FDP-Fraktion wehrte sich dagegen, die Menschen unnötig zu verunsichern.
Ernst verwies auf Zahlen der Bundesregierung, nach denen aktuell 36 Prozent aller Unternehmen keine Arbeitnehmer über 50 Jahre beschäftigen. 16 Prozent der über 55-Jährigen seien erwerbslos. "Wir haben eine steigende Arbeitslosigkeit der Personengruppe, die bis 67 Jahre arbeiten soll“, sagte er. Sein Fraktionskollege Matthias Birkwald sagte, wenn die Arbeitnehmer sieben Euro mehr an Beitrag zahlten, könnte die Rente mit 67 gestoppt werden.
Weiß betonte, 2029 werde der Arbeitsmarkt grundlegend anders aussehen. Er verwies darauf, dass es schon 2025 rund sieben Millionen weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter gebe. Zudem sei im Gesetz über die Rente mit 67 festgeschrieben, dass alle vier Jahre über die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt für Ältere berichtet und dann abgewogen werde, ob die gesetzlichen Regelungen bestätigt würden.
Im November werde die Bundesregierung ihren ausführlichen Bericht vorlegen. "Das zeigt, dass Die Linke nicht an Daten und Fakten, sondern schlichtweg nur an Polemik interessiert ist.“
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Ferner sagte, 2012 werde laut Gesetz mit der schrittweisen Heraufsetzung des Rentenalters begonnen. Die entscheidende Frage sei, ob dies angesichts der derzeitigen Situation auf dem Arbeitsmarkt zu verantworten sei. "Wir bestreiten nicht, dass es Verbesserungen gegeben hat“, sagte sie. "Wir bestreiten aber, dass dies ausreichend ist, um 2012 beginnen zu können.“
Ferner sprach sich für flexible Übergänge ins Rentenalter aus und erneuerte die Forderung nach Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes. Nur so könne die Rente armutsfest gemacht werden, sagte sie. Den Unternehmen hielt die SPD-Politikerin vor, dass viele von denjenigen, die heute den Fachkräftemangel beklagten, sich in der Vergangenheit um ihre Ausbildungsverpflichtung gedrückt hätten.
Der Sprecher für Rentenpolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, sagte, im Moment seien die Voraussetzungen für die Rente mit 67 nicht gegeben. Es gehe aber darum zu beurteilen, wie sich die Situation entwickle. "Unser wesentliches Ziel ist: Die Rente mit 67 darf keine Rentenkürzung sein.“
Deshalb müsse die Politik aktiv werden, damit sich die Arbeitsmarktlage für Ältere verbessert, beispielsweise mit speziell auf diese Altersgruppe zugeschnittenen Arbeitsmarktprogrammen. Bislang fehlten von der Regierungskoalition aber noch konkrete Vorschläge.
Der CSU-Sozialpolitiker Max Straubinger nannte es nicht vertretbar, dass erfahrene Arbeitnehmer in den Ruhestand geschickt würden und gleichzeitig der Ruf nach Fachkräften erfolge. Die steigende Lebenserwartung gebiete allein schon aus Gründen der Generationengerechtigkeit, über eine verlängerte Lebensarbeitszeit nachzudenken, sagte er. Jetzt müsse versucht werden, ältere Erwerbslose wieder in Arbeit zu bringen. "Das gelingt zunehmend“, sagte Straubinger.
Nach Überzeugung des sozialpolitischen Sprechers der FDP-Fraktion, Heinrich L. Kolb, gibt es keinen Grund, das von SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering eingeführte Gesetz einer Rente mit 67 zu stoppen. Er gehe von steigenden Erwerbsquoten der über 50-Jährigen in den kommenden Jahren und einer Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt aus. Sein Fraktionskollege Pascal Kober sagte, "der Fachkräftemangel wird uns dabei positiv unterstützen.“ (sn)