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Der Bundestag will am Freitag, dem 3. Dezember 2010, abschließend über die neuen Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger beraten und sie anschließend in namentlicher Abstimmung beschließen. Grundlage für die rund 75-minütige Debatte ist ein von CDU/CSU und FDP vorgelegter Gesetzentwurf ( 17/3404), zu dem der Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Beschlussempfehlung erarbeitet hat ( 17/4032, 17/4095). Ab dem 1. Januar 2011 soll der Regelsatz für Hartz IV um fünf Euro auf 364 Euro für Alleinstehende steigen. Notwendig machte die Gesetzesänderung ein Urteil des Bundesverfassungs- gerichts. Die Karlsruher Richter hatten fehlende Transparenz bei der Berechnung der Hartz-IV-Sätze bemängelt und eine Neuberechnung gefordert. Die Bundesregierung hat einen wortgleichen Gesetzentwurf zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ( 17/3958) vorgelegt, der auch die Stellungnahme des Bundesrates enthält. Die Gegenäußerung der Bundesregierung liegt ebenfalls vor ( 17/3982).
Abgestimmt wird auch über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ( 17/3631, 17/3683), der die Aufteilung der Kosten für Heizung und Unterkunft der Hartz-IV-Bezieher auf Bund und Länder regelt. Dazu liebt ebenso eine Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vor ( 17/4033, 17/4094).
Die SPD hat einen ( 17/4104), Die Linke zwei Entschließungsanträge ( 17/4015, 17/4106) vorgelegt. Zudem gibt es neun Änderungsanträge von Bündnis 90/Die Grünen ( 17/4096, 17/4097, 17/4098, 17/4099, 17/4100, 1/4101, 17/4102, 17/4103, 17/4107) und zwei Änderungsanträge der Linksfraktion ( 17/4084, 17/4085). Insgesamt gibt es zu diesem Tagesordnungspunkt fünf namentliche Abstimmungen.
Gleichzeitig wurde für Kinder und Jugendliche aus Hartz-IV-Familien ein Bildungspaket in Höhe von rund 700 Millionen Euro geschnürt, damit diese eine angemessene Lernförderung erhalten sowie an Vereinsaktivitäten teilnehmen können. Die Opposition hält das Angebot für nicht ausreichend und kritisiert, dass Schulen und Kitas personell besser ausgestattet werden müssen, damit die Angebote auch bei den Kindern ankommen.
Die Oppositionsfraktionen haben bereits ihren Widerstand gegen die neuen Hartz-IV-Sätze angekündigt und mangelnde Transparenz bei der Berechnung kritisiert. "Es ist deshalb zweifelhaft, ob durch die Reform tatsächlich ein menschenwürdiges Existenzminimum sichergestellt wird", heißt es in dem Antrag der SPD-Fraktion ( 17/3648). Kritisiert wird zudem, dass nur noch 15 Prozent der Haushalte als Referenz bei der Neuberechnung herangezogen wurden und nicht wie in der Vergangenheit die unteren 20 Prozent.
Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hält den Gesetzentwurf für nicht geeignet, ein menschenwürdiges Existenzminimum angemessen sicherzustellen. "Statt die tatsächlichen Bedarfe zu decken, zu denen auch die soziale Teilhabe zählt, streicht die Bundesregierung Freizeit und Kultur weitgehend", heißt es in einem eigenen Antrag ( 17/3435). Die Grünenabgeordneten verlangen eine Regelsatzerhöhung auf 420 Euro wie dies vom Paritätischen Wohlfahrtsverband empfohlen worden sei.
Für eine komplette Abschaffung von Hartz IV plädiert die Fraktion Die Linke. "Die Einführung von Hartz IV war eine historische Fehlentscheidung. Mit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und der Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds wurden soziale Rechte entzogen", heißt es in dem Antrag ( 17/2934). Die Grundsicherung werde als Instrument zur Ausweitung des Niedriglohnsektors missbraucht.
Von der Leyen verteidigte dagegen die neuen Regelsätze als klar und transparent. Gleichzeitig erinnerte die Ministerin daran, dass SPD und Grüne unter Beteiligung von CDU und CSU 2004 die Hartz-Reform auf den Weg gebracht hätten.
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales unter Vorsitz von Katja Kipping (Die Linke) hat den von ihm geringfügig geänderten Gesetzentwürfen am Mittwoch, 1. Dezember, gegen die Stimmen der Opposition zugestimmt. In der Sitzung hatten CDU/CSU und FDP einen Änderungsantrag beschlossen, der neben zahlreichen technischen Änderungen hauptsächlich zwei Neuigkeiten enthält: Das Hartz-IV-Bildungspaket wird erweitert, sodass die Beförderungskosten auch für Schüler ab der zehnten Klasse übernommen werden, damit sie an Bildungsangeboten teilnehmen können.
Zudem können die Sachleistungen wie Lernförderung oder die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben auf zwei Wegen organisiert werden, entweder durch personalisierte Gutscheine oder durch Direktzahlungen an Leistungserbringer. Die SPD-Fraktion lehnte die Änderungsanträge, über die im Ganzen abgestimmt wurde, ab. Grüne und Linksfraktion enthielten sich.
Es habe noch nie so transparente und nachvollziehbare Berechnungen der Hartz-IV-Regelsätze gegeben, betonten Union und FDP im Ausschuss. Und nie zuvor hätten sozial benachteiligte Kinder derart im Mittelpunkt gestanden wie nun durch das Bildungspaket. "Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen verfassungskonform gearbeitet und nicht getrickst“, hieß es von Seiten der Unionsfraktion. Man könne stolz darauf sein, im Zeitplan geblieben zu sein, betonte die FDP-Fraktion.
Die Oppositionsfraktionen übten zum Teil harsche inhaltliche Kritik am Gesetzentwurf, stellten die Verfassungsmäßigkeit in Frage und äußerten sich negativ über das Verfahren. Es sei eine "Frechheit“, dass die Änderungsanträge von Union und FDP der Opposition so spät zugeleitet worden seien, hieß es bei der SPD.
Alle Oppositionsfraktionen zeigten sich enttäuscht, dass die Anregungen vieler Experten aus der Anhörung zu Hartz IV und dem Bildungspaket nicht aufgegriffen worden seien. Die Kritik zielte speziell auf die Berechnung der Sätze. Weder bei der Referenzgruppe noch bei den Aufstockern, den sogenannten "verdeckt Armen“ oder der Methode der Abschläge gebe es Änderungen, kritisierte die SPD-Fraktion Auch das Bildungspaket bringe "extrem wenige“ Verbesserungen für Kinder.
Die Linksfraktion betonte, dass mehrere Experten das geplante Gesetz für "verfassungsrechtlich höchst riskant“ hielten. Sie kritisierte zudem die Berechnung und die Höhe der geplanten Regelsätze und verwies auf von ihr beim Statistischen Bundesamt in Auftrag gegebene alternative Berechnungen, nach denen die Sätze- je nach Vorgehensweise - zwischen 28 und 150 Euro höher ausfallen müssten. Auch die Grünenfraktion sagte, dass Union und FDP "komplett den Wesensgehalt des Verfassungsgerichtsurteils“ verfehlten und "versagt“ hätten.
Basis für die Berechnung des Grundbedarfs ist die Einkommens- und Verbraucherstatistik des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2008. Rund 230 Positionen wurden dafür analysiert. An der statistischen Auswertung orientiert sich das staatlich garantierte Existenzminimum.
In den neuen Regelsätzen für die rund 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger sind Ausgaben für Tabak und Alkohol nicht mehr berücksichtigt. Bislang waren dafür Kosten von 20 Euro im Monat vorgesehen. Dafür werden jetzt Ausgaben für einen Internet-Zugang und für die Praxis-Gebühr zum Grundbedarf hinzugerechnet.
In dem 254-seitigen vom Arbeits- und Sozialministerium vorgelegten Gesetzentwurf ist genau aufgeschlüsselt, welche Ausgaben der Berechnung der Grundsicherung zugrunde liegen. So werden für Alleinstehende, die in einem eigenen Haushalt leben, beispielsweise 128,64 Euro für Lebensmittel, 30,40 Euro für Bekleidung und 39,96 Euro für Freizeit und Kultur veranschlagt.
Der Regelsatz macht für Alleinstehende insgesamt 364 Euro monatlich aus. Ehegatten oder Lebenspartner, die im gleichen Haushalt leben, bekommen 328 Euro monatlich. Kindern bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr stehen 215 Euro, bis zum 14. Lebensjahr 251 Euro und bis zum 18. Lebensjahr 287 Euro zu.
Ergänzend zu den Regelleistungen bekommen Kinder und Jugendliche ein Bildungspaket als Sachleistung. Jedes Kind soll einem Verein betreten und an außerschulischen Aktivitäten teilnehmen können. Dafür steht ein Jahresbeitrag bis zu 120 Euro zur Verfügung.
Weiterhin werden Schulmaterial im Gegenwert von 100 Euro im Schuljahr und ein Zuschuss zu Schul- und Kitaausflügen von 30 Euro im Jahr gewährt. Kinder und Jugendliche, die am Kita- oder Schulessen teilnehmen, erhalten einen Zuschuss von etwa zwei Euro pro Mittagessen. Kinder mit Schulproblemen sollen eine angemessene Lernförderung bekommen.
In dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf wird auch darauf hingewiesen, dass die Verfassungsrichter in ihrem Urteil vom 9. Februar 2010 die Berechnungsgrundlage als nicht verfassungskonform kritisiert hatten, aber nicht die Höhe des Regelsatzes für die Grundsicherung. (sn/ela)