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Der Bundestag hat die Bundesregierung am Freitag, 17. Dezember 2010, aufgefordert, sich weltweit für Religions- und Glaubensfreiheit einzusetzen. Einen entsprechenden Antrag von CDU/CSU und FDP ( 17/2334) nahm er in namentlicher Abstimmung mit 374 Ja-Stimmen bei 69 Nein-Stimmen und 127 Enthaltungen an. Zugleich lehnte er einen Antrag der SPD mit dem Titel "Das Menschenrecht auf Religions- und Glaubensfreiheit als politische Herausforderung" ( 17/3428) mit 304 Nein-Stimmen bei 195 Ja-Stimmen und 66 Enthaltungen ab. Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hatte dazu eine Beschlussempfehlung ( 17/4122) vorgelegt. Keine Mehrheit fand ebenfalls auf Empfehlung des Menschenrechtsausschusses ( 17/4121) ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, das Menschenrecht auf Religions- und Glaubensfreiheit zu stärken ( 17/2424). SPD und Linksfraktion hatten sich dazu enthalten. Die Grünen scheiterten in der Abstimmung auch mit einem Änderungsantrag ( 17/4227) zum Antrag der Koalitionsfraktionen.
Einig waren sich alle Redner darin, dass das Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit ein elementares Menschenrecht sei, das weltweit geachtet und geschützt werden müsse. Kontrovers diskutiert wurde jedoch der Fokus, den die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag auf den Schutz der christlichen Minderheiten vorwiegend in islamischen Ländern legen.
Diesen Fokus machte der Volker Kauder (CDU/CSU) gleich zu Beginn der Debatte deutlich, indem er den Blick auf die schwierige Situation der Christen im Irak lenkte. "Fast wöchentlich hören wir davon", so der Vorsitzende der Unionsfraktion, "dass Christen im Irak verfolgt und getötet werden." Sie müssten Mauern um ihre Kirchen ziehen, um Weihnachten ungestört feiern und ihren Glauben "in diesen für Christen so wichtigen Tagen" leben zu können.
Bei Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) bedankte sich Kauder dafür, dass er bei seinem Besuch im Irak Anfang Dezember die Situation der Christen im Land angesprochen habe. "Aber es kann nicht nur bei Worten bleiben", fügte der Abgeordnete hinzu, das Engagement müsse sich an Taten messen lassen. Wichtig sei es, ein Zeichen zu setzen, damit Christen in Bagdad eine Perspektive spürten und nicht mehr den Wunsch hätten, das Land zu verlassen.
Die schwierige Situation vieler Christen weltweit wurde auch von den Rednern der Oppositionsfraktionen nicht in Abrede gestellt. Doch sei es wichtig, auch die Lage anderer religiöser Minderheiten im Blick zu behalten. So erinnerte Christoph Strässer (SPD) an ein kürzlich ergangenes Gerichtsurteil im Iran, nach dem sieben führende Mitglieder der Glaubensgemeinschaft der Bahaì aufgrund ihres Glaubens zu 20 Jahren Haft verurteilt worden seien.
Der Sozialdemokrat machte zudem darauf aufmerksam, dass auch in Europa zunehmend über Fragen der Religionsfreiheit gestritten werde - in Frankreich etwa über das Kopftuchverbot an Schulen und in der Schweiz über den Bau von Minaretten. "Ich weiß, das ist alles auf einem anderen Niveau, aber ich warne davor zu glauben, dass das Thema Glaubensfreiheit in Europa durch ist", so Strässer weiter.
Ähnlich äußerte sich Tom Koenigs (Bündnis 90/Die Grünen). Nach einer neuen Studie der Universität Münster, so der Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, sei die Hälfte der Deutschen der Meinung, dass nicht alle Religionen gleichbehandelt werden sollten. "Breite Teile der deutschen Bevölkerung erkennen die Religionsfreiheit mindestens einer religiösen Minderheit, der Muslime, nicht an", sagte Koenigs. "Das müssen wir ernst nehmen."
Es sei deshalb wichtig, den Blick nicht nur ins Ausland, sondern auch nach Deutschland und in die europäischen Nachbarstaaten zu richten. So verletze das Kopftuchverbot in französischen Schulen die individuelle Religionsfreiheit derjenigen Muslima, die es als Ausdruck ihres Glaubens tragen wollten. Die Frage der Religionsfreiheit sei unweigerlich mit der Integrationsdebatte verbunden, so Koenigs weiter. Ohne Religionsfreiheit sei Integration nicht möglich.
Eine grundsätzliche Rede über das liberale Verständnis von Glaubens- und Religionsfreiheit hielt Christian Lindner. Die Sinnsuche gehöre zum Menschsein hinzu, so der Generalsekretär der Liberalen. "Der Mensch sucht Transzendenz. Wenn Menschen daran gehindert werden, ihre Religion zu leben, dann ist der Mensch selbst beschränkt, dann ist die Würde des Menschen selbst beschränkt."
Die republikanischen Werte könnten als übergreifende Klammer begriffen werden, unter der Menschen ihren Glauben frei leben könnten, so Lindner. Religions- und Glaubensfreiheit sei ein Ausweis von Zivilität, von Reife einer Gesellschaft, einer Staatsordnung. Der einzelne Mensch brauche diese Freiheit, und es sei ein Gewinn für die Gesellschaften, wenn sie sich auf diese Weise liberalisierten.
Scharfe Kritik an der Union kam von der Linksfraktion. Ihr Abgeordneter Raju Sharma warf ihr vor, sie wolle eine christliche Staatsreligion. Doch Religionsfreiheit könne nur in einem säkularen Staat gelingen. Leider sei das in Deutschland nicht der Fall, so Sharma. Er verwies auf die Realität in bayerischen Klassenzimmern, in denen trotz eines anders lautenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995 bis heute vielfach Kruzifixe an den Wänden hingen.
Lob gab es von Sharma für den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Denn ohne die darin geforderte rechtliche Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften könne Glaubensfreiheit nicht realisiert werden. "Vor dem Gesetz müssen alle Religionen gleich sein", so Sharma weiter. Wer bezweifle, dass der Islam eine gleichberechtige Religion sei, der habe nicht begriffen, dass Religionsfreiheit für alle gelte. (nal)