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"Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass in Deutschland Zuversicht und Wachstum regieren.“ Diese Einschätzung äußerte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) während seiner Regierungserklärung zum Jahreswirtschaftsbericht 2011 ( 17/4450) am Donnerstag, 20. Januar 2011. Der Aufschwung, so Brüderle, komme bei den Menschen an - bei den Facharbeitern, den Berufsanfängern, den Rentnern und den Familien. "Das sind die Gesichter des Aufschwungs“, sagte Brüderle.
Während sich Redner der Koalitionsfraktionen in der anschließenden Aussprache, in der auch das Jahresgutachten 2010/2011 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ( 17/3700) diskutiert wurde, der optimistischen Sichtweise des Ministers anschlossen, gab es Kritik von der Opposition.
So kritisierte der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Frank-Walter Steinmeier die "zur Schau getragene Selbstzufriedenheit“ des Wirtschaftsministers, der kein Verdienst an der positiven Entwicklung habe.
Dr. Gregor Gysi, Vorsitzender der Linksfraktion, sagte, er könne lediglich einen Aufschwung für die Deutsche Bank, für Vermögende und Spekulanten erkennen, nicht aber für Arbeitnehmer, Rentner, Kranke und Hartz-IV-Empfänger.
Es sei gut für das Deutschland, dass Union und FDP mit ihrer "Vollbeschäftigungspolitik“ regieren, sagte Minister Brüderle."„Wir haben erstmals seit langer Zeit wieder eine Regierung der sozialen Marktwirtschaft“, befand er.
In dieser Regierung gerate auch der Begriff der Ordnungspolitik nicht nur zu einer Floskel. "Deshalb haben wir Nein zu staatlichen Hilfen für Opel gesagt und im Fall Karstadt die Kräfte des Marktes walten lassen“, sagte Brüderle.
Ordnungspolitische Grundsätze müssten jedoch auch in Europa gelten, forderte er. Deutschland sei bereit, erhebliche Beiträge zu leisten. "Aber es darf keine Fehlanreize für unsolide Haushaltspolitik geben“, sagte der Minister, der die Idee der Eurobonds ablehnt. Erfolgreiche Länder müssten dadurch "für die laxe Haushaltspolitik anderer Länder einstehen“.
Die "unhaltbaren Wahlversprechen“ der FDP seien es nicht gewesen, die für 3,6 Prozent Wachstum im vergangenen Jahr gesorgt hätten, entgegnete Frank-Walter Steinmeier (SPD). "Das hat höchstens für Wachstum der Enttäuschung ihrer Wähler gesorgt“, sagte er.
Vielmehr sei es unter anderem die "mutige Reformpolitik der SPD Mitte des letzten Jahrzehnts“ gewesen. Zu derartigen Reformen sei die derzeitige Regierung jedoch nicht in der Lage, urteilte Steinmeier.
Stattdessen habe die FDP sowohl gegen die Reformen von Rot-Grün als auch gegen das "gute Krisenmanagement“ der Großen Koalition elf Jahre lang von der Oppositionsbank angekämpft.
Bei aller positiver Entwicklung gebe es jedoch keinen Grund sich zurückzulehnen, sagte Steinmeier. Auch angesichts der rasanten Entwicklung von Schwellenländern wie China und Brasilien sei klar, dass Deutschland investieren müsse "wie nie zuvor“.
Über den Rückenwind, den die deutsche Wirtschaft habe, sollte sich auch die Opposition freuen, sagte Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU). Das Wachstum in Deutschland sei doppelt so hoch wie der Durchschnitt in Europa. Mit einer Steigerung um 1,6 Prozent entwickle sich inzwischen auch die Binnennachfrage zu einem Motor.
"Freuen können wir uns auch über eine weitere positive Entwicklung des Arbeitsmarktes“, sagte Pfeiffer. Zu dieser Entwicklung habe auch die SPD durch ihre Arbeitsmarktreformen beigetragen, räumte er ein. Zugleich kritisierte er, dass die Sozialdemokraten diese nun wieder rückgängig machen wollten.
Auf die "Verschuldungskrise“ in Europa eingehend sagte er, diese sei sicher nicht mit Eurobonds in den Griff zu bekommen.
Damit würde man langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Euroraums zerstören. Nötig seien Anreize zum Sparen, Konsolidieren und zu innovativen Investitionen.
Während im vergangenen Jahr die Reallöhne um gerade einmal 0,1 Prozent gestiegen seien, habe sich das Geldvermögen um 4,7 Prozent erhöht, sagte Gregor Gysi (Die Linke).
Problematisch sei zudem die Verteilung der Vermögen: Ein Prozent der Bevölkerung Deutschlands sei im Besitz eines Viertels des Geldvermögens. Zwei Drittel hingegen besäßen gar kein Vermögen.
Zudem seien in den vergangenen zehn Jahre die Reallöhne um 4,5 Prozent gesunken. "Wir sind Lohnsenkungsweltmeister“, urteilte Gysi. Durch diese Senkung sei auch der Exportanstieg erklärbar, der "zulasten der Bevölkerung geht“.
Der Vorsitzende der Linksfraktion forderte daher neben der Schaffung eines flächendeckenden Mindestlohns in diesem Jahr auch Lohnsteigerungen "um fünf, besser noch um zehn Prozent“.
Der heutige Tag sei ein Tag der Freude für die Arbeitnehmer aber auch für die Bundesregierung, sagte Dr. Hermann Otto Solms (FDP). Begonnen mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz habe die Regierung vieles richtig gemacht. So auch, als sie bei Opel und Karstadt nicht interveniert habe.
"Entscheidend ist eine klare Ordnungspolitik“, sagte Solms. Der Staat habe das zu tun, was seine Aufgabe sei. "Er muss die Spielregeln festlegen und ihre Durchsetzung überwachen.“
Bei den Finanzmärkten werde eine klare und wirkungsvolle Regulierung benötig. Es brauche jedoch Regeln dort nicht, wo diese den Wettbewerb stören könnten.
Solms kündigte an, der Fahrplan der Schuldenbremse werde konsequent erfüllt. Wenn sich jedoch darüber hinaus Spielräume ergäben, wolle man diese für Steuersenkunen im Interesse der Arbeitnehmer nutzen.
Dass die Bundesregierung behaupten würde, die Krise sei überwunden, zeuge von einer unglaublichen Kurzsichtigkeit, sagte Kerstin Andreae (Bündnis 90/Die Grünen). "Wir sind noch lange nicht über den Berg“, urteilte sie. Es gebe nach wie vor eine enorme Schuldenkrise in Europa ebenso wie eine unzureichende Finanzmarktregulierung.
"Wir haben zwar eine Währungsunion, aber noch lange keine Wirtschaftsunion“, sagte Andreae. Wenn die Koalition nun sage, es müsse aufgepasst werden, dass starke Staaten wie Deutschland nicht beschädigt werden, habe sie nicht verstanden, dass eine Stabilisierung Europas auch im nationalen Interesse Deutschlands sei. "Sie sind hier in einer Bremserrolle“, sagte sie an die Koalition gewandt. (hau)