Navigationspfad: Startseite > Presse > Pressemitteilungen > 2010 > 09.05.2010
Vorabmeldung zu einem Interview in der
nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 10. Mai 2010)
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung
-
Nach dem Beschluss der Kredithilfen für Griechenland hat der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages, Eduard Oswald (CSU), weitergehende Maßnahmen zur langfristigen Sicherung der Stabilität des Euro verlangt. „Die Griechenland-Krise hat gezeigt, dass die finanz- und wirtschaftspolitische Überwachung in der Eurozone nicht ausreichend funktioniert. Es hat Fehlentwicklungen gegeben“,sagte Oswald der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 10. Mai).
„Eine solche Krise darf sich nicht wiederholen“, erklärte Oswald in dem Interview weiter. „Die wirtschafts- und finanzpolitische Koordinierung und die gegenseitige Überwachung in Europa müssen verbessert werden. Auch über eine Modifizierung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes muss nachgedacht werden, so dass deutlich spürbare und durchsetzbare Sanktionen verhängt werden können“, betonte der CSU-Politiker.
Oswald lehnte es strikt ab, die Finanzprobleme Griechenlands durch einen Staatsbankrott zu lösen: „Es wäre völlig falsch zu glauben, man könne die Probleme lösen, indem man Griechenland in den Staatsbankrott laufen lässt. Wer so argumentiert und sich dafür ausspricht, Griechenland jetzt die notwendige Hilfe zu versagen, der gefährdet den Zusammenhalt der Europäischen Union und die Stabilität des Euro.“ Die negativen Ansteckungs- bzw. Dominoeffekte auf andere Staaten der Eurozone und den Finanzsektor könnten schnell unübersehbare und politisch nicht mehr kontrollierbare Folgen haben. Daher sei auch eine Beteiligung der Banken in Gestalt einer nicht freiwilligen Umschuldung beziehungsweise Restrukturierung der Forderungen nicht sinnvoll gewesen, „weil dies gleichbedeutend mit einer Insolvenz des griechischen Staates wäre“.
Das Interview im Wortlaut:
Die Bundeskanzlerin hat in ihrer
Regierungserklärung gesagt, Europa stehe am Scheideweg. Ist
mit dem Stabilisierungsgesetz der richtige Weg eingeschlagen
worden?
Wie die Bundeskanzlerin betonte, geht es in
der aktuellen Krise um Bestand und Zukunft der Europäischen
Union und die Stabilität des Euro. Griechenland hat faktisch
keinen Zugang mehr zu den Finanzmärkten. Die Nothilfe ist die
Ultima Ratio, denn die sonst eintretende Zahlungsunfähigkeit
des Landes hätte unübersehbare Folgen für die
Stabilität unserer Währung. Das kann nicht im Interesse
Deutschlands sein. Die Hilfen von Internationalem
Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union verfolgen
das richtige Ziel, die Wettbewerbs-fähigkeit Griechenlands
schnell wiederherzustellen. Nur dann hat das Land eine Chance,
seine Zahlungsfähigkeit auf Dauer wiederherzustellen. Die
beschlossenen Hilfen sind deshalb alternativlos und im ureigensten
Interesse Deutschlands.
Hat Deutschland mit der Hilfe zu lange
gewartet?
Ich gebe der Bundeskanzlerin Recht, wenn
sie sagt, dass ein guter Europäer nicht unbedingt der ist, der
schnell hilft. Ein guter Europäer ist der, der die
europäischen Verträge und das jeweilige nationale Recht
achtet und so hilft, dass die Stabilität der Eurozone keinen
Schaden nimmt. Eine zu frühe Ankündigung im Sinne des
viel zitierten „moral-hazard“-Problems hätte dazu
geführt, dass Griechenland seine notwendigen und sehr
ambitionierten Konsolidierungsanstrengungen nicht mehr mit dem
nötigen Nachdruck akzeptiert hätte. Aus dieser Logik
heraus war von Anfang an klar, dass Hilfen für Griechenland
immer nur im Sinne eines „Ultima Ratio-Ansatzes“
gewährt werden, das heißt, nur und erst dann, wenn alle
anderen Anstrengungen zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit
ersichtlich versagt haben und diese Zahlungsunfähigkeit
unmittelbar bevorsteht.
Beteiligen sich Banken und Versicherungen ausreichend an
der Hilfe?
Die Bundeskanzlerin hat in ihrer
Regierungserklärung keinen Zweifel daran gelassen, dass sich
die Banken und Gläubiger nicht ihrer Verantwortung entziehen
dürfen. Bei dem Treffen des Bundesfinanzministers mit den
Spitzen der deutschen Finanzwirtschaft am 4. Mai 2010 haben diese
zugesichert, dass sie gemeinsam mit ihren europäischen
Kollegen einen spürbaren positiven Beitrag leisten werden.
Wichtig ist insbesondere, dass die Banken bestehende Kreditlinien
für Griechenland und griechische Banken sowie ihr
Anleihenengagement in Griechenland für die Laufzeit des
Programms aufrecht erhalten und – soweit es geht –
erweitern. Eine Beteiligung der Gläubigerbanken in Gestalt
einer nichtfreiwilligen Umschuldung bzw. Restrukturierung der
Forderungen wäre nicht sinnvoll gewesen, weil dies
gleichbedeutend mit einer Insolvenz des griechischen Staates
wäre. Dies aber würde dem Ziel des IWF-Programms,
verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, diametral
entgegenwirken.
Erwarten Sie, dass Griechenland das Sparprogramm
realisieren kann und dass die für Griechenland zugesagten 110
Milliarden Euro ausreichen?
Das zweifellos sehr
anspruchsvolle Sparprogramm Griechenlands wurde in Zusammenarbeit
mit dem IWF erarbeitet. Die auf Drängen Deutschlands erfolgte
Einbeziehung des IWF mit seinen sechs Jahrzehnten Erfahrungen im
Bereich der Strukturanpassungsprogramme stimmt mich optimistisch,
dass dieses Programm eine Chance hat und dass es Griechenland
gelingen wird, seine strukturellen Probleme anzugehen. Das Land
muss seine Schuldenstandsquote jetzt stabilisieren bzw. umkehren,
damit es sich mittel- bis langfristig wieder an den
Kapitalmärkten refinanzieren kann. Das IWF-Programm und damit
die tranchenweise Auszahlung der Hilfsmittel unterliegt einer
engen, vierteljährlichen Überprüfung durch den
IWF.
Welches Fazit muss Europa ziehen? Müssen die
europäischen Verträge geändert werden, um eine
Bestimmung zum Rauswurf von Defizitsündern aus der Eurozone zu
schaffen?
Die Griechenlandkrise hat gezeigt, dass die
finanz- und wirtschaftspolitische Überwachung in der Eurozone
nicht ausreichend funktioniert. Es hat Fehlentwicklungen gegeben.
Mit den jetzt zu beschließenden Maßnahmen für
Griechenland ist es nicht getan. Die Stabilität des Euro muss
langfristig gesichert werden. Eine solche Krise darf sich nicht
wiederholen. Die wirtschafts- und finanzpolitische Koordinierung
und die gegenseitige Überwachung in Europa müssen
verbessert werden. Auch über eine Modifizierung des
Stabilitäts- und Wachstumspaktes muss nachgedacht werden, so
dass deutlich spürbare und durchsetzbare Sanktionen
verhängt werden können, wie im Entschließungsantrag
der christlich-liberalen Koalition gefordert.
Wäre es nicht besser, im Falle von staatlicher
Zahlungsunfähigkeit den Staatsbankrott
anzumelden?
Es wäre völlig falsch zu
glauben, man könne die Probleme lösen, indem man
Griechenland in den Staatsbankrott laufen lässt. Wer so
argumentiert und sich dafür ausspricht, Griechenland jetzt die
notwendige Hilfe zu versagen, der gefährdet den Zusammenhalt
der Europäischen Union und die Stabilität des Euro. Die
negativen Ansteckungs- bzw. Dominoeffekte auf andere Staaten der
Eurozone und den Finanzsektor könnten schnell
unübersehbare und politisch nicht mehr kontrollierbare Folgen
haben. Wer dem Ausfall Griechenlands das Wort redet, nimmt ein
unkalkulierbares Risiko für die nationalen Finanzinstitute,
für die deutsche und europäische
Finanzmarktstabilität und für die Funktionsfähigkeit
der Wirtschaftsunion insgesamt in Kauf.
Es gibt die Bail-Out-Klauseln, die direkte Hilfe an
notleidende Länder wie jetzt Griechenland verbieten. Sehen Sie
verfassungsrechtliche Probleme?
Die
„No-Bail-Out“-Klausel des EU-Vertrages bleibt
unangetastet. Es wird keine Norm des EU-Vertrages gebrochen, denn
die „No-Bail-Out“-Klausel besagt, dass kein
Eurozonen-Land gezwungen werden kann, die Schulden eines anderen
Landes zu übernehmen. Deutschland übernimmt auch nicht
die Schulden von Griechenland. Diese Regelung bedeutet aber nicht,
dass wir nicht freiwillig unsererseits einem in Not geratenem
Mitglied der Eurozone helfen können. Mit anderen Worten: Im
Fall Griechenland geht es um freiwillige, streng konditionierte
Darlehen – nicht um ein unbedingtes Einstehen für ein
Mitglied der Eurozone.
Eine Frage zu einem anderen, aber verwandten Thema:
Besteht nach dieser Steuerschätzung und möglichen
Griechenland-Kosten noch Spielraum für eine
Steuerreform?
In diesen Tagen ist die existenzielle
Bedeutung solider Staatsfinanzen für die
Zukunftsfähigkeit eines Landes in den Mittelpunkt aller
politischen Betrachtungen gerückt. Wir haben eine solide
Grundlage für die Verhandlungen über den Bundeshaushalt
2011 und den mittelfristigen Finanzplan. Alle Aufgaben- und
Ausgabenbereiche sind kritisch zu hinterfragen. Zusätzliche
Maßnahmen müssen solide gegenfinanziert werden.
Ich bin zuversichtlich, dass es gelingen wird, 2011 und in den Folgejahren die notwendigen Konsolidierungsschritte zu machen. Wir werden es schaffen, vor allem durch Aufgabenkritik und Ausgabendisziplin, die nötigen Spielräume zu erarbeiten, um die Bürger weiter zu entlasten. Die Priorität für 2011 liegt darin, einen ersten Schritt zur Steuervereinfachung zu gehen. Die Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen bleibt auf der Tagesordnung. Wir beabsichtigen in dieser Wahlperiode nach der schon begonnenen Entlastung der Familien, des Mittelstands und der Familienbetriebe eine weitere Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen umzusetzen, so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.
Eduard Oswald (CSU) ist Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages