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Zum ersten Mal haben die Präsidien des Deutschen
Bundestages, der Assemblée nationale und des Sejm der
Republik Polen gemeinsam getagt. Zum Abschluss der Beratungen in
Essen haben sie heute die Gemeinsame Erklärung der drei
Parlamentspräsidenten Norbert Lammert, Bernard Accoyer und
Bronisław Komorowski verabschiedet.
Darin begrüßen es die Parlamentspräsidenten,
„dass der Vertrag von Lissabon (…) die
europäische Verantwortung der nationalen Parlamente
hervorgehoben hat.“ Denn die „europäische
Integration kann (…) nicht allein ein Werk der Regierungen
sein, sondern muss von den Völkern Europas getragen und
mitgestaltet werden, die über das Europäische Parlament
wie auch über ihre nationalen Parlamente an diesem Prozess
mitwirken“, heißt es in der Erklärung.
Besonders wichtig finden sie das Recht der nationalen Parlamente
auf Prüfung der Subsidiarität und
Verhältnismäßigkeit von
Rechtsetzungsvorschlägen der EU-Kommission. Über
eventuelle Bedenken bei konkreten Vorhaben wollen sich die drei
Parlamente frühzeitig austauschen.
Die Präsidenten haben beschlossen, sich künftig
regelmäßig zu treffen. Auch die Ausschüsse, die
Verwaltungen und die Brüsseler Büros der drei Parlamente
sollen miteinander enger kooperieren.
Hier die Gemeinsame Erklärung im Wortlaut:
Gemeinsame Erklärung der Präsidenten des Deutschen
Bundestages, der Assemblée nationale und des Sejm der
Republik Polen anlässlich des 1. Trilateralen Treffens der
Präsidien im Rahmen des Weimarer Dreiecks in der „Zeche
Zollverein“ in Essen am 29. Mai 2010
I.
Die Einigung Europas zielt auf einen „immer engeren
Zusammenschluss der europäischen Völker“
– wie die Formulierung der Gründer der
Europäischen Gemeinschaft lautet, die auch die Präambel
des Vertrages von Lissabon aufgenommen hat. Die europäische
Integration kann daher nicht allein ein Werk der Regierungen sein,
sondern muss von den Völkern Europas getragen und mitgestaltet
werden, die über das Europäische Parlament wie auch
über ihre nationalen Parlamente an diesem Prozess mitwirken.
Wir begrüßen es, dass der Vertrag von Lissabon die
Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt und die
europäische Verantwortung der nationalen Parlamente
hervorgehoben hat. Diese Verantwortung wollen wir künftig auch
im Rahmen des nach der Überwindung der Teilung Europas vor 20
Jahren zwischen Polen, Frankreich und Deutschland gegründeten
Weimarer Dreiecks verstärkt wahrnehmen und auf diese Weise
gemeinsam zu einem immer engeren Zusammenschluss der Völker
Europas beitragen. Wir sind überzeugt, dass die notwendige und
gewollte Zusammenarbeit der Regierungen wie der Parlamente in der
Europäischen Union der besonders engen und kontinuierlichen
Kooperation von Nachbarländern bedarf und dass nach der
Überwindung der Teilung Europas der Zusammenarbeit zwischen
Frankreich, Deutschland und Polen zur Vertiefung der
europäischen Integration exemplarische Bedeutung zukommt. Wir
freuen uns, dabei auf eine über viele Jahre gewachsene und
gefestigte Tradition der Zusammenarbeit zwischen unseren
Parlamenten aufbauen zu können.
II.
Wir werden uns künftig regelmäßig treffen, um im
Lichte der Herausforderungen des Vertrags von Lissabon ein Forum
für einen kontinuierlichen und intensiven Meinungsaustausch
über die Entwicklung der Europäischen Union und den
Beitrag der Parlamente zu schaffen. Unser besonderes Interesse gilt
dabei dem Verhältnis der Union zu ihren Bürgern und den
Beziehungen zu ihren Nachbarn.
Intensivierung der Zusammenarbeit der
Ausschüsse:
1. Die Kooperation unserer Parlamente
soll sich auch zu einer Kooperation unserer Ausschüsse
entwickeln. In jüngster Zeit haben die Ausschüsse
für die Angelegenheiten der Europäischen Union der
Assemblée nationale, des Sejm und des Deutschen Bundestages
eine verstärkte Zusammenarbeit verabredet. Wir streben an,
dass sich auch die Fachausschüsse unserer Parlamente zu
strategisch wichtigen Vorhaben der Kommission untereinander
austauschen und gemeinsam eine Position gegenüber den
EU-Organen vorbereiten.
Beteiligung von Berichterstattern des Europäischen
Parlaments
2. Unsere Parlamente suchen deshalb auch die
enge Kooperation mit dem Europäischen Parlament. Mitglieder
des Europäischen Parlaments sollen in die Zusammenarbeit
zwischen unseren Ausschüssen einbezogen werden. Dazu bieten
sich insbesondere gemeinsame Sitzungen von Abgeordneten unserer
nationalen Parlamente und Berichterstattern des Europäischen
Parlaments an.
Enge Kooperation bei der Subsidiaritäts- und
Verhältnismäßigkeitsprüfung:
3. Zur
Wahrnehmung des Rechts der nationalen Parlamente zur Prüfung
der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit von
Rechtsetzungsvorschlägen der Kommission nach dem Protokoll Nr.
2 des Vertrags von Lissabon werden wir uns auf parlamentarischer
und administrativer Ebene frühzeitig untereinander über
mögliche Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des
Subsidiaritätsprinzips austauschen.
Zugleich wollen wir uns für ein gemeinsames Verständnis
aller nationalen Parlamente hinsichtlich der Subsidiaritäts-
und Verhältnismäßigkeitsprüfung
einsetzen.
Büros in Brüssel
4. Die Fachebenen der
Parlamentsverwaltungen werden im Sinne der gegenseitigen
Vermittlung guter Erfahrungen in Organisation und Verfahren zur
Behandlung von EU-Vorlagen miteinander kooperieren. Dem dient auch
der Erfahrungsaustausch zwischen den Mitarbeitern unserer
Verwaltungen.
Weiterhin wird eine enge Kooperation zwischen den Vertretern der
drei Parlamente in Brüssel vereinbart.
Zusammenarbeit im Rahmen von IPEX ausbauen:
5. Wir
wollen IPEX als ein leistungsfähiges Kommunikations- und
Informationsmedium für den Austausch EU-bezogener
Informationen zwischen den nationalen Parlamenten und dem
Europäischen Parlament sowie der interparlamentarischen
Zusammenarbeit ausbauen. Sie tauschen dazu frühzeitig
Informationen über in der Beratung befindliche
Beschlussvorschläge in EU-Angelegenheiten aus.
IPEX soll nicht nur den nationalen Parlamenten untereinander
wertvolle Informationen liefern, sondern die europäische
Politik und die Rolle der nationalen Parlamente darin den
Bürgern unserer Staaten näher bringen. In diesem Sinne
streben wir ein erweitertes Informationsangebot an, das wir
gemeinsam erarbeiten wollen.
III.
Von der intensiven Kooperation der Assemblée nationale, des
Sejm und des Deutschen Bundestages sollen auch die übrigen
nationalen Parlamente profitieren, damit der europäische
Gedanke und die demokratische Legitimation europäischen
Handelns insgesamt gestärkt werden.