Navigationspfad: Startseite > Presse > Pressemitteilungen > 2011 > 06.03.2011
Vorabmeldung zu einem Interview in der
nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 7. März
2011)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen
Veröffentlichung
Der Afrikabeauftragte der Bundeskanzlerin, Günter Nooke, fordert den Westen auf, mit Blick auf die Umstürze in der arabischen Welt und in Nordafrika die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. „Bei Gaddafi in Libyen und in Nordafrika wundern wir uns jetzt über Menschen und Diktatoren, die dort an der Macht waren und mit denen wir viel zu lange viel zu freundlich geredet haben,“ sagte Nooke in einem Interview mit der Berliner Wochenzeitung „Das Parlament“ . Nooke mahnte, deutsche Interessenspolitik im Ausland müsse „immer auch Menschenrechtspolitik und die Förderung von Rechtsstaatlichkeit sein“. Dies sei auch wichtig auch für die kleinen und mittelständischen Firmen , die keine großen Rechtsabteilungen haben oder vor Ort präsent sein können, sondern auf verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen sind.
Laut Nooke finden in Nordafrika „Freiheitsrevolutionen statt“. Die Kunst der Politik bestehe darin, „angesichts großer Probleme die Lage ehrlich zu beschreiben und zuzugeben, dass wir von außen an vielen Stellen nicht so viel ändern können, wie wir gerne möchten.“ Nooke: „Man kann in souveräne Staaten nicht mit dem Militär Menschenrechtsschutz bringen. Mir wäre es wichtiger, den Despoten klar zu sagen, dass wir im Zweifel immer auf der Seite der Menschen stehen, die für ihre Freiheit protestieren oder dafür, dass sie genug zu essen haben.“
Wichtig sei das Signal, das der UN-Sicherheitsrat mit den Sanktionen gegen Gaddafi und Libyen an die Diktatoren dieser Welt aussende: „Seid Euch nicht zu sicher, auch was Euren Lebensabend mit Geldern auf Schweizer und Londoner Konten angeht“, so Nooke Bedeutend sei auch, dass der Internationale Menschenrechtsgerichtshof in Den Haag im Fall Libyen ermittele. Nooke: „Vielleicht werden Diktatoren oft zu spät bestraft, noch schlimmer wäre es, wenn sie ungeschoren davon kämen.“
Das Interview im Wortlaut:
Seite einem knappen Jahr sind Sie G8-Afrika-Beauftragter
der Bundesregierung. Wie ist Ihre Bilanz?
Für
eine Bilanz ist es zu früh. Afrika ist ein Kontinent mit
großen Chancen und Möglichkeiten, aber auch vielen
Risiken und Instabilitäten. Wir brauchen deshalb ein
realistisches Afrikabild und sollten nicht nur über dortigen
Rohstoffreichtum reden. Darum bemühe ich mich. Neben den
rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen für private
Investitionen geht es mir auch weiter um elementaren
Menschenrechtsschutz und Demokratie in Afrika und eine bessere
Verzahnung und Kooperation von Bundesressorts wie dem
Entwicklungsministerium und dem Wirtschaftsministerium und mit der
europäischen Ebene.
Ist dies für Sie als langjährigem
Menschenrechts-Beauftragten der Bundesregierung nicht ein
vergebliches Unterfangen, wenn man sieht, das dieses Thema das in
Afrika vorpreschende China gar nicht
interessiert?
Als erstens muss man verstehen, wie
Afrika funktioniert. Wir dürfen da nicht vom europäischen
Verständnis ausgehen. Was nützen die besten Gesetze, wenn
es keine unabhängige Justiz gibt? Bei solchen
Verhältnissen hat nicht nur China, sondern haben auch andere
aufstrebende Volkswirtschaften wie Indien oder Brasilien
strukturelle Vorteile für Geschäfte in Afrika. Westliche
Firmen und Staaten können nicht mit China um die höchsten
Schmiergelder konkurrieren. Deutsche Interessenspolitik ist immer
auch Menschenrechtspolitik und die Förderung von
Rechtsstaatlichkeit. Das ist wichtig auch für unsere kleinen
und mittelständischen Firmen, die keine großen
Rechtsabteilungen haben oder vor Ort präsent sein können,
sondern auf verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen sind.
Der Rechtsstaat muss auch von ausländischen Investoren gegen
eine afrikanische Regierung in Anspruch genommen werden
können. Davon sind viele afrikanische Ländern weit
entfernt. Wir sollten aber vor China nicht zu viel Angst haben.
Proteste innerhalb Chinas wie in diesen Tagen machen das Land
schwächer als es scheint.
Die Bundesregierung plant ein Afrika-Konzept „aus
einem Guss“. Können Sie Eckpfeiler
nennen?
Federführend ist das Auswärtige
Amt. Für mich wäre ein zentraler Punkt, ein realistisches
Bild von einem Afrika zu zeichnen, nicht paternalistisch von oben
herab bewertend, keine Zugeständnisse aus falsch verstandener
Romantik bezogen auf die „Schwarzen“ in Afrika, die wir
woanders auch nicht machen würden. Auch Afrikas Vielfalt muss
in einem Afrika-Konzept zum Ausdruck kommen. Für mich geht es
aber zuerst darum, politische Leitlinien für das Handeln aller
Bundesressorts und darüber hinaus festzuschreiben. Bei Gaddafi
in Libyen und in Nordafrika wundern wir uns jetzt über
Menschen und Diktatoren, die dort an der Macht waren und mit denen
wir viel zu lange viel zu freundlich geredet haben.
Kann sich denn in Nordafrika, wo jetzt reihenweise die
Regime stürzen, Demokratie entwickeln?
Ich
glaube, Demokratie kann sich in jedem Land entwickeln. In
Nordafrika finden Freiheitsrevolutionen statt. Freiheit hat etwas
Ansteckendes. Und Freiheit kann missbraucht werden. Wir dürfen
das Problem der weltweiten Erstarkung und Ausbreitung des
Islamismus nicht unterschätzen. Das gilt auch für
Subsahara-Afrika. Die Kunst der Politik besteht auch darin,
angesichts großer Probleme die Lage ehrlich zu beschreiben
und zuzugeben, dass wir von außen an vielen Stellen nicht so
viel ändern können, wie wir gerne möchten. Man kann
in souveräne Staaten nicht mit dem Militär
Menschenrechtsschutz bringen. Mir wäre es wichtiger, den
Despoten klar zu sagen, dass wir im Zweifel immer auf der Seite der
Menschen stehen, die für ihre Freiheit protestieren oder
dafür, dass sie genug zu essen haben. Wichtig ist das Signal,
das der UN-Sicherheitsrat mit den Sanktionen gegen Gaddafi und
Libyen an die Diktatoren dieser Welt aussendet: Seid Euch nicht zu
sicher, auch was Euren Lebensabend mit Geldern auf Schweizer und
Londoner Konten angeht. Ganz wichtig ist auch, dass der
Internationale Menschenrechtsgerichtshof in Den Haag im Fall Libyen
ermittelt. Vielleicht werden Diktatoren oft zu spät bestraft,
noch schlimmer wäre es, wenn sie ungeschoren davon
kämen..
Aber jenseits aller Menschenrechte und Demokratie
interessiert die Afrikaner doch auch, bald zu Wohlstand zu
kommen. Wie sehen Sie da die Chancen?
Die
afrikanischen Länder müssen so stark werden, dass sie
sich selbst in die Weltwirtschaft integrieren und eine
selbsttragende Entwicklung von innen heraus möglich wird.
Deshalb darf es nicht nur Hilfsgelder vom Westen geben. Wir
können Rechtsberatung anbieten oder die Polizei schulen. Am
Ende geht es aber um die Frage: Gibt es verantwortliche
Regierungen, die Wachstum für die breite Bevölkerung
wollen, oder schafft eine Elite möglichst viel und schnell
für sich oder die eigene Familie beiseite? Schauen Sie nur
nach Simbabwe, das ehemals vielleicht reichste Land in Afrika. Dort
herrscht immer noch Mugabe. Wir haben auch die ungeklärte
Machtsituation in der Elfenbeinküste. Unter solchen
Bedingungen ist es ganz schwierig, dass sich ein Land aus sich
selbst heraus positiv entwickelt. Hohe Wachstumsraten gibt es in
Nigeria, Angola, Kenia und Südafrika, aber das muss mehr
Menschen nützen.
Gibt es noch andere positive
Beispiele?
Das fragile Liberia macht nach dem
schrecklichen Bürgerkrieg eine positive Entwicklung durch.
Viele rohstoffreiche Länder locken Firmen als Investoren an.
Sie müssen aber diese Ressourcen für die eigene
Entwicklung nutzbar machen. Botswana ist ein positives Beispiel
dafür, mit den Einnahmen aus dem Diamantengeschäft eine
gute Entwicklung angestoßen zu haben. Bei Sierra Leone wurden
dagegen die Diamanten aus dem Land geschafft ohne davon zu
profitieren. Auch im Ostkongo ist der Rohstoffreichtum eher Fluch
statt Segen. Wir haben sehr unterschiedliche Entwicklungen in
Afrika. In vielen Gebieten gibt es keine staatliche Autorität.
Jede Rebellengruppe hatte im Kongo eine eigene Mine, die sie
beschützt und mit Geld für Waffen versorgte..
Apropos Staaten: Mit Südsudan entsteht nach dem
Referendum jetzt ein neuer Staat in Afrika. Ein neuer Kandidat
für Entwicklungshilfe?
Das Referendum war im
Nord-Süd-Friedensabkommen von 2005 vorgesehen. Der friedliche
Verlauf und ein fast einstimmiges Ergebnis mit 99 Prozent der
Bevölkerung für einen eigenen Staat sind absolut positiv.
Dieser neue Staat muss von uns unterstützt werden. Er wird am
Anfang nicht lebensfähig sein ohne Hilfe der internationalen
Gemeinschaft und ohne den guten Willen in Khartum. Wir sollten im
Südsudan ernst machen mit dem Ziel, dass wir nur Hilfe zur
Selbsthilfe geben und keine neuen Abhängigkeiten schaffen.
Auf dem EU-Afrika-Gipfel in Tripolis Ende 2010 wurde von
afrikanischer Seite die EU-Forderung nach Öffnung des
afrikanischen Marktes für EU-Exporte kritisiert. Afrikanische
Bauern hätten keine Chancen gegen subventionierte
Agrarprodukte aus Europa. Was sagen Sie dazu?
Fairer
Wettbewerb heißt: Afrikanische Produkte müssen auch nach
Europa kommen können. Agrarsubventionen verhindern das. Sie
sind nicht nur in Europa, sondern z. B. auch in den USA bei der
Baumwollproduktion ein Problem. Für viele afrikanische Staaten
wäre es aber selbst nach Abbau aller Agrarsubventionen nicht
einfach, den europäischen Markt zu beliefern, wo Handelsketten
bei der Logistik und Qualität hohe Ansprüche stellen. Man
muss hier eine differenzierte Debatte führen.
Das Interview führten
Sibylle Ahlers und Hans Krump
Günter Nooke (52) war DDR-Bürgerrechtler und saß 1990 für Demokratie Jetzt in der ersten frei gewählten Volkskammer in Ost-Berlin. 1990 bis 1994 führte er die Fraktion Bündnis´ 90 im brandenburgischen Landtag. 1998 bis 2005 saß Nooke für die CDU im Bundestag. 2006 bis 2010 war Nooke Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, seit März 2010 ist er Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin.