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Aus Sicht Gerd Höfers ist die Europäische Versammlung für Sicherheit und Verteidigung (ESVP) als parlamentarischer Faktor im Rahmen der EU-Politik nicht zu unterschätzen, schließlich habe das Europäische Parlament auf diesem Politikfeld kaum Kompetenzen. Der SPD-Politiker leitet die 18-köpfige Bundestagsdelegation bei der ESVP-Versammlung, die vom 1. bis 3. Dezember in Paris tagt. Diesem Gremium mit Abgeordneten aus den nationalen Volksvertretungen der 27 EU-Länder obliegt die parlamentarische Begleitung der ESVP, nachdem die wesentlichen Funktionen der Westeuropäischen Union auf die EU übergegangen sind.
Im Zusammenhang mit der Sicherheitsarchitektur für Europa plädiert Höfer, der bei diesem Thema einer der Berichterstatter der ESVP-Versammlung ist, im Interview für einen offenen Dialog mit Moskau über eine Einbindung Russlands in europäische Strukturen. Höfer gehört dem jetzigen Bundestag nicht mehr an. Dessen bisherige ESVP-Delegation bleibt aber bis zur Bestimmung neuer ESVP-Abgeordneter im Amt.
Im Grunde leistet sich die EU zwei Parlamente: das Straßburger Abgeordnetenhaus und die ESVP-Versammlung. Macht das noch Sinn?
Das stimmt so nicht. Wir verursachen bei der EU keine Kosten. Die Aufwendungen für unsere Versammlung samt dem Büro in Paris werden von den 27 nationalen Parlamenten getragen. Politisch macht unsere Arbeit sehr wohl Sinn. Das EU-Parlament hat im Blick auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen der Brüsseler Gemeinschaft fast keinen Einfluss, diese Politik wird letztlich allein von den Regierungen bestimmt. Da ist ein Gegengewicht in Gestalt einer Repräsentanz der nationalen Parlamente nötig.
Entstehen aber nicht zwangsläufig Reibungsverluste zwischen den europäischen Abgeordnetenhäusern in Straßburg und Paris? Kooperieren denn beide Gremien?
Man muss nüchtern feststellen, dass das EU-Parlament die EVSP-Versammlung politisch kaum wahrnimmt. So verhält sich die Straßburger Volksvertretung auch gegenüber dem Europarat. Vielleicht bessert sich das ja nach dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags.
Kann die ESVP-Versammlung die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der EU eigentlich beeinflussen? Oder ist das eher ein Debattenforum?
Eine effektive Mitbestimmung bei der EU-Politik ist für uns nur sehr eingeschränkt möglich, wir sind schon eher eine Plattform für Diskussionen. Meine Vision ist eine gemeinsame Brüsseler Sicherheitspolitik mit einem EU-Verteidigungsminister, dann könnte auch das EU-Parlament über Kompetenzen in diesem Bereich Einfluss nehmen. Das wird aber noch lange nicht der Fall sein. Deshalb versucht unsere Versammlung auf indirektem Wege, über die nationalen Parlamente, denen wir ja angehören, auf die jeweiligen Regierungen im Sinne unserer Positionen einzuwirken.
In Paris steht diese Woche unter anderem eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa auf der Tagesordnung. Dabei geht es nicht zuletzt um die Frage einer Einbindung Russlands. Es scheint doch aber eher die Entfremdung zu wachsen.
Russland ist in Europa weithin isoliert und kann deshalb kaum Einfluss nehmen. Aus dieser misslichen Lage will sich Moskau befreien. Die Russen streben einen verbindlichen Vertrag über ihre Einbindung in europäische Strukturen an. Ob daraus etwas wird, muss man aber sehen. Erst einmal geht es um einen Dialog, und den sollten die europäischen Instanzen wie die EU, die OSZE oder auch unsere Versammlung nicht ausschlagen. Wir haben bislang eine Ad-hoc-Gruppe eingerichtet, die herausfinden soll, was Moskau eigentlich will. Immerhin haben die Russen zugesagt, auch über das heikle Thema Energiesicherheit zu reden. Bei einem anderen politischen Stolperstein, dem Georgien-Krieg von 2008 und dessen Folgen, bleibt Moskau hingegen knüppelhart.
Ein weiteres Thema in Paris ist der Nahostkonflikt, in den mit US-Präsident Obama Bewegung zu kommen scheint. Was kann die ESVP-Versammlung zur Förderung des Friedensprozesses beitragen?
Nicht sehr viel, das sollte man klar sagen. Auch in dem Bericht, der diese Woche zur Debatte steht, finden sich keine konkreten Lösungsansätze. Es muss ohnehin als offen gelten, ob die EU-Missionen im Nahostkonflikt von größerem Erfolg gekrönt sein werden.
Zum Afghanistan-Krieg: Die USA wollen ein größeres militärisches Engagement der Europäer, in manchen europäischen Ländern wächst indes der innenpolitische Druck auf einen Rückzug. Welche Position nimmt das ESVP-Parlament ein?
Das ist ein spannendes Thema. Unsere Versammlung ist der Auffassung, dass die Probleme in Afghanistan nicht allein mit militärischen Mitteln in den Griff zu bekommen sind und plädiert deshalb für ein größeres Engagement beim zivilen Aufbau. Das aber kann ohne militärischen Schutz nicht gelingen. Die Truppenverstärkung am Hindukusch ist eine ambivalente Angelegenheit. In Europa ist die Neigung, im Sinne der USA mehr Truppen nach Afghanistan zu schicken, jedenfalls nicht sehr ausgeprägt. Die US-Position findet auch in der ESVP-Versammlung kaum Unterstützung.
Wie ist die Atalanta-Aktion der EU zur Bekämpfung der Piraterie vor Somalia zu beurteilen? Ist mit einer Ausweitung dieser Mission zu rechnen?
Militärisch ist Atalanta ohne Zweifel als Erfolg zu werten. Wie die EU ist unser Parlament jedoch der Überzeugung, dass eine Bekämpfung der Piraterie zur See nicht ausreicht. So muss vor allem geklärt werden, wie die Geldströme im Hintergrund verlaufen. Im Übrigen lässt sich das Vorgehen gegen die Piraterie nicht von der Bekämpfung des Terrorismus trennen. Das muss verknüpft werden, und in diesem Sinne wäre eine Ausdehnung des Atalanta-Auftrags sinnvoll.