Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2010 > Afghanistan-Engagement
"Das Engagement der Bundeswehr in Afghanistan dient nicht nur dazu, unsere Freiheit zu schützen, sondern auch dazu, unseren mitmenschlichen Verpflichtungen nachzukommen." Dies erklärte Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle (FDP) am Mittwoch, 10. Februar im Bundestag während seiner Regierungserklärung zum Engagement der Bundeswehr in Afghanistan. Gleichzeitig appellierte Westerwelle an alle Fraktionen, dem Antrag der Bundesregierung für eine Mandatsverlängerung des Afghanistan-Einsatzes zuzustimmen (17/654). Trotz der bisher erzielten Erfolge seit Beginn des Mandats im Jahre 2001 zog er eine gemischte Bilanz: "Längst ist nicht alles so, wie wir uns das vor acht Jahren erhofft haben“, räumte er ein. Die zurückliegende internationale Afghanistan-Konferenz am 28. Januar in London sei ein Neuanfang.
"Die Beschlüsse von London müssen nun umgesetzt werden“, forderte Westerwelle und verwies auf den geplanten Reintegrationsfonds, zu dem Deutschland jährlich zehn Millionen Euro beisteuern will. Der Fonds soll sich an diejenigen unter den Taliban richten, die sich vor allem aus wirtschaftlichen Gründen dem Kampf der radikalen Gruppe angeschlossen haben.
Gleichzeitig kündigte Westerwelle an, einerseits die finanziellen Mittel für zivile Maßnahmen zu verdoppeln, aber auch mehr in die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte zu investieren. Ziel müsse sein, dass Afghanistan bis 2014 die vollständige Verantwortung übernehmen könne. Dies sei jedoch kein konkretes Rückzugsdatum, betonte Westerwelle. "Ein solches wäre die Ermutigung der Terroristen und somit ein Fehler.“
Ab 2011 solle mit der Reduzierung des Kontingents begonnen werden. Die ISAF-Operation in Nordafghanistan bezeichnete Westerwelle ausdrücklich als bewaffneten Konflikt. "Dies ist die Lage, ob es uns gefällt oder nicht“, sagte der Außenminister.
Demgegenüber warnte der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier davor, durch derartige Bewertungen zur Eskalation der Situation beizutragen. "Es ist nicht Sache der Bundesregierung, diesen Konflikt rechtlich zu bewerten.“ Steinmeier forderte "klare Perspektiven für den Rückzug aus Afghanistan.“
Zwar sei die SPD-Forderung nach einem Beginn des Rückzuges im Jahre 2011 von der Bundesregierung übernommen worden, bei der Datierung des endgültigen Abzugs sei diese allerdings bisher "wenig konkret geworden“. Die Forderung der SPD nach einem Rückzug zwischen 2012 und 2015 sei nicht, wie von mancher Seite kritisiert, willkürlich, sondern orientiere sich an den Zielen der afghanischen Führung und der internationalen Staatengemeinschaft.
Dagegen nahm der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Philipp Mißfelder, Außenminister Westerwelle gegen Steinmeiers Kritik in Schutz. "Die Einordnung als bewaffneter Konflikt weckt Hoffnungen auf Fortschritte bei der Rechtssicherheit“, sagte Mißfelder. Mit der Afghanistan-Konferenz in London zeigte er sich zufrieden. Dabei lobte er insbesondere die Einführung des Reintegrationsfonds.
Wichtig sei es dabei jedoch, "klare Wegmarken vorzugeben und den Afghanen deutlich zu machen, was wir von ihnen erwarten.“ Bei den Verhandlungen mit den Taliban müsse sehr genau darauf geachtet werden, erzielte Fortschritte wie etwa bei den Menschenrechten nicht preiszugeben.
Frithjof Schmidt (Bündnis 90/ Die Grünen) betonte, seine Fraktion stehe zum Engagement in Afghanistan. Dies bedeute jedoch nicht, dass "wir allem automatisch zustimmen“, sagte Schmidt.
An Außenminister Westerwelle gewandt sagt er: "Sie sagen, es gehe allein um die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte. In Wirklichkeit handelt es sich um einen militärischen Einsatz“, betonte Schmidt und forderte, zunächst die "unnötigen Tornados“ abzuziehen, bevor das Kontingent erhöht werde. So werde verspieltes Vertrauen nicht zurückgewonnen, gerade im Hinblick auf die Kundus-Affäre.
Deutlich schärfere Töne schlug Jan van Aken, stellvertrender Vorsitzender der Linksfraktion, an. Er appellierte an Außenminister Westerwelle: "Tun Sie alles, um diesen Krieg zu beenden!“ Dabei sprach sich van Aken strikt gegen eine Einbeziehung des Militärs beim Wiederaufbau des Landes aus. "Mit Waffen und Soldaten schaffen Sie keinen Frieden“, sagte er.
Die bis zu 850 zusätzlichen Bundeswehrsoldaten seien keine Aufbau- und Schutztruppe, sondern "bis an die Zähne bewaffnet“, sagte er.
Demgegenüber sagte Hellmut Königshaus (FDP), Sicherheit in Afghanistan sei keine hinreichende, aber eine notwendige Bedingung für die Entwicklung des Landes. Das Mandat beinhalte elementare Projekte wie den Aufbau eines Polizei- und Justizsystems. "Sinn des Mandats ist es auch“, so Königshaus, "Fortschritte gegen störende Kräfte zu verteidigen.“ Daher seien vorübergehend mehr Soldaten notwendig. Dies habe aber nichts mit einer Besetzung oder Besatzung zu tun.
Den Antrag der Bundesregierung, die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (ISAF) unter Führung der NATO auf der Grundlage von Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen fortzusetzen, überwies der Bundestag zur weiteren Beratung an die Ausschüsse. Für eine Verlängerung des Mandats bis 28. Februar 2011 gibt die Regierung Kosten von 271,5 Millionen Euro an. Vorgesehen ist, dass insgesamt bis zu 5.350 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan eingesetzt werden können, davon 350 als flexible Reserve, um auf besondere Sitzuationen wie etwa die Absicherung der Parlamentswahlen angemessen reagieren zu können.
Zudem soll der Anteil der Bundeswehrangehörigen, die im Bereich der Ausbildung und des Schutzes eingesetzt sind, von derzeit 280 auf 1.400 deutlich erhöht werden. Die Bundeswehr soll wie bisher die hinzukommenden deutschen Polizeiausbilder schützen und die Polizeiausbildung durch Feldjähriger unterstützen.