Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2010 > Wehrbericht 2008
Die zuletzt öffentlich bekannt gewordenen entwürdigenden Aufnahmerituale bei den Bundeswehr-Gebirgsjägern im oberbayerischen Mittenwald sind ernstzunehmende Vorkommnisse, die dringend aufgeklärt werden müssen. In dieser Einschätzung waren sich die Redner während der Debatte am Freitag, 26. Februar 2010, zum Jahresbericht 2008 (16/12200, 17/591) des Wehrbeauftragten des Bundestages, Reinhold Robbe, einig. Ebenso einig war man sich jedoch auch in der Feststellung, dass diese Vorkommnisse nicht repräsentativ für die Bundeswehr seien.
Reinhold Robbe sprach von "geschmacklosen Ritualen“, die nicht nur gegen das Prinzip der Inneren Führung verstießen, sondern auch straf- und dienstrechtliche Wirkungen haben könnten. "Dennoch wäre es vollkommen falsch, die gesamte Bundeswehr einem Generalverdacht auszusetzen“, sagte Robbe.
Auf den Jahresbericht 2008 eingehend sagte er, dass noch immer der Sanitätsdienst "das größte Sorgenkind ist“, auch wenn erste Schritte gegen den Ärztemangel gegangen worden seien.
Sehr kritisch sehe er nach wie vor die Situation der an Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) erkrankten Soldaten. Es solle endlich ein schon länger vom Bundestag gefordertes Traumazentrum geschaffen werden, "das seinen Namen auch wirklich verdient“.
Die aktuellen Meldungen über die Ereignisse von Mittenwald verdeckten in der öffentlichen Wahrnehmung leider etwas den Blick auf die wichtige Alltagsarbeit des Wehrbeauftragten, bedauerte Anita Schäfer (CDU/CSU). Sie stellte fest, dass die Klagen über die materielle Ausstattung der Truppe in den letzten Jahresberichten geringer geworden seien. "Daraus lassen sich durchaus positive Trends ablesen.“ Gleichwohl bestehe kein Anlass, sich zurückzulehnen.
Auch Schäfer verwies auf die Probleme beim Sanitätsdienst. Dieser müsse "attraktiver und gleichzeitig effektiver“ gestaltet werden. Sie freue sich, dass diese Aufgabe mittlerweile zielgerichtet angegangen worden sei. Dazu gehöre die Verstärkung der Personalwerbung ebenso wie die Aufstockung der Medizinstudienplätze für die Bundeswehr, eine bessere klinische Ausbildung und die frühere Weiterbildung zum Facharzt.
"Wir Mitglieder des Deutschen Bundestages können stolz auf unsere Parlamentsarmee sein“, sagte Karin Meyer-Evers (SPD) und verlangte, dies auch der Öffentlichkeit deutlicher zu machen. Als Auftraggeber der Bundeswehr machten sich die Abgeordneten die Entscheidung über die gefährlichen und anspruchsvollen Auslandseinsätze nicht leicht, sagte Meyer-Evers. Umso mehr müssten die im Bericht geäußerten Beschwerden bedenklich stimmen.
Diese würden sich zum großen Teil auf Defizite bei der Planung und Durchführung der Einsätze beziehen. Die Soldaten monieren, sie seien oft "zu spät und unzureichend“ über Auslandseinsätze informiert worden. "Wir fordern das Verteidigungsministerium auf, diese oftmals vermeidbaren Missstände zu beseitigen“, sagte die SPD-Politikerin.
Der Bericht zeige, dass die Berufsunzufriedenheit innerhalb der Truppe, insbesondere aber bei Ärzten und Piloten, zu hoch sei, betonte Christoph Schnurr (FDP). "Die Bundeswehr muss als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden“, forderte er. Dazu bedürfe das Besoldungssystem einer Überprüfung. Auch müsse die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorangetrieben werden.
Für andere Verbesserungen brauche es keineswegs "Millionen-Investitionen“. So müsse es eine klare Kommunikation geben. Die Ziel müsse von der Regierung über das Ministerium bis zu jedem einzelnen Soldaten nachvollziehbar gemacht werden, sagte Schnurr.
Der Grünen-Abgeordnete Omnid Nouripour lobte den Wehrbeauftragten und machte deutlich, dass er keinen Grund sehe, warum Robbe diese "erfolgreiche Arbeit“ beenden sollte. Robbes fünfjährige Amtszeit läuft im Mai aus. "Ich teile die Einschätzung, dass Sie eine weitere Amtszeit verdient haben“, sagte er und forderte die FDP-Fraktion auf, statt auf das "Parteibuch“ auf Kontinuität und Kompetenz zu setzen. Bezogen auf die aktuellen Vorfälle verlangte Nouripour, jeden einzelnen Vorfall zu untersuchen. Forderungen nach einem Alkoholverbot für die ganze Truppe gingen jedoch genauso am Ziel vorbei wie lapidare Feststellungen, es habe sich in Mittenwald um alte militärische Rituale gehalten.
Die Linke war kam in der Debatte nicht zu Wort, da sie in der ersten Debatte des Tages von Bundestagspräsident Norbert Lammert von der weiteren Teilnahme an der Sitzung ausgeschlossen worden war.