Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2010 > Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz
Der Bundestag hat am Freitag, 5. März 2010, mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP das Gesetz zur Stabilisierung der Finanzlage der Sozialversicherungssysteme und zur Einführung eines Sonderprogramms zugunsten von Milchbauern (17/507, 17/814, 17/928) verabschiedet. Die Oppositionsfraktionen stimmten gegen die Vorlage. Das Gesetz sieht unter anderem vor, den Gesundheitsfonds mit 3,9 Milliarden Euro zu bezuschussen, das geplante Darlehen an die Bundesanstalt für Arbeit in einen Zuschuss umzuwandeln, den Landwirten mit einem Sonderprogramm unter die Arme zu greifen und die Freibeträge für das Altersvorsorgevermögen von Hartz-IV-Empfängern zu erhöhen. Keine Zustimmung fand ein Antrag der Linksfraktion (17/495, 17/928), in dem gefordert wurde, die Finanzlücke der gesetzlichen Krankenversicherung mit einem Bundeszuschuss zu schließen, um Zusatzbeiträge für Versicherte zu verhindern.
Es gehe darum, die Menschen in der Krise nicht allein zu lassen, sagte Norbert Barthle (CDU/CSU). Mit dem Gesetz werde versucht, die Lohnnebenkosten stabil zu halten. Gleichzeitig werde die Bundesanstalt für Arbeit mit 12,8 Milliarden Euro bezuschusst. Im Regierungsentwurf seien dafür noch 16 Milliarden Euro vorgesehen gewesen, sagte Barthle. "Erfreulicherweise hat sich die Konjunktur - wenn auch verhalten - verbessert."
Insgesamt gesehen habe man ein "rundes Paket" geschnürt, sagte der CDU-Abgeordnete. Die Tatsache, dass die Sozialausgaben 54 Prozent des Haushalts ausmachten, zeige den hohen Stellenwert der sozialen Sicherungssysteme. Barthle zeigte sich enttäuscht, dass die vom Bundesverfassungsgericht Anfang Februar angemahnten gesetzlichen Regelungen zu Härtefällen bei Hartz IV, die so genannten Härtefallklauseln, nicht ebenfalls in dem Gesetz geregelt worden seien. Dafür verantwortlich seien "taktische Spielchen der SPD", die eine Anhörung zu dem Thema im Sozialausschuss gefordert habe und so das Verfahren "verzögert".
Bettina Hagedorn von der SPD-Fraktion wies den Vorwurf der "taktischen Spielchen" zurück. Die Opposition wolle die Anhörung, weil sie an einer "an der Sache orientierten Lösung" interessiert sei. Alle Wohlfahrtsverbände hätten sich ebenfalls dafür ausgesprochen. "Wir wollen prüfen, ob die Regelungen eine angemessene Antwort auf das Urteil sind", sagte sie und verwies darauf, dass ihrer Ansicht nach dadurch für die Betroffenen "keine Nachteile" entstehen würden.
"Sie wollen die Regelungen durch die kalte Küche einführen", warf sie der Koalition vor. Auf den Inhalt des Gesetzes eingehend sagte Hagedorn, die Sozialdemokraten stimmten vielem zu, nicht jedoch der "Kuhprämie". Diese sei ein "untaugliches Mittel", welches den Milchbauern nicht helfe.
Von einer Einführung "durch die kalte Küche" könne keine Rede sein, sagte die FDP-Abgeordnete Claudia Winterstein und zeigte sich enttäuscht über die Haltung der SPD. "So bleibt die Unsicherheit bei den Berechtigten und den auszahlenden Stellen."
Winterstein wandte sich auch gegen den Vorwurf, die Koalition habe die Haushaltsmittel für die Arbeitsmarktförderung um 900 Millionen Euro gekürzt. Tatsächlich sei die Summe mit einem "Sperrvermerk" besetzt worden. Wenn das Arbeitsministerium ein Konzept vorlegt, wie die Effizienz bei der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt erhöht werden könne, würde der Sperrvermerk aufgehoben, sagte die FDP-Politikerin.
Die Abgeordnete der Linksfraktion Gesine Lötzsch kritisierte, dass immer so getan werde, als sei die Krise "vom Himmel gefallen". "Die Krise ist das Ergebnis ihres politischen Handelns", sagte sie in Richtung Koalition. Die Bundesregierung unternehme nichts, um die Ursachen der Krise zu bekämpfen. Das werde auch in dem vorgelegten Gesetz deutlich.
Um die Sozialversicherungssysteme zu stabilisieren, brauche es einen gesetzlichen Mindestlohn, sagte Lötzsch. Stattdessen wachse der Niedriglohnsektor weiter an. "Wir brauchen keine Hungerlöhne, sondern Löhne, von denen die Menschen in Würde leben können", forderte sie.
Dass in dem Gesetzestitel von Stabilisierung die Rede sei, entbehre nicht einer gewissen Komik, sagte Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen). "Stabilisieren sollte sich Schwarz-Gelb erst einmal selbst", sagte er und verwies auf den seiner Ansicht nach andauernden Streit in der Koalition. Das vorgelegte Gesetz wirke wie eine "notdürftige Flickschusterei", sagte er. Langfristige Perspektiven gebe es darin nicht. Kurths Fazit lautete daher: "Sie können es einfach nicht."
Auf den Sperrvermerk eingehend warf der Grünen-Politiker der Koalition vor, "eine Kürzung durch eine Sperrung zu verklausulieren". Dass sich auch seine Fraktion für eine Anhörung zu den Härtefallklauseln ausgesprochen habe, verteidigte Kurth. Sämtliche Wohlfahrtsverbände hätten sich für einen "offenen Diskurs" ausgesprochen. "Soviel parlamentarische Kultur sollten wir uns einfach gönnen", befand er.