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Ob der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Gesetzentwurf zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (17/2413) zu Kosteneinsparungen und strukturellen Veränderungen im Gesundheitswesen kann ist zwischen Opposition und Koalition umstritten. Das wurde bei der Debatte am Freitag, 9. Juli 2010, bei der auch ein Antrag der Linksfraktion (17/2324) diskutiert wurde, deutlich.
Während Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) von einem "guten Gesetz für die Menschen in der gesetzlichen Krankenversicherung“ sprach und darauf hinwies, dass erstmals das "Preismonopol“ der Pharmaindustrie gebrochen werde, prognostizierte der Gesundheitsexperte der SPD-Fraktion, Prof. Dr. Karl Lauterbach, "Mehrkosten“ als Folge der Regelungen.
Kernpunkt des Entwurfs ist die vorgesehene Verpflichtung der Pharmaunternehmen, künftig den Nutzen für neue Arzneimittel nachzuweisen und innerhalb eines Jahres den Preis des Arzneimittels mit der gesetzlichen Krankenversicherung zu vereinbaren.
Kommt keine Einigung zustande, entscheidet eine zentrale Schiedsstelle mit Wirkung ab dem 13. Monat nach Markteinführung über den Arzneimittelpreis. Für Arzneimittel ohne Zusatznutzen wird die Erstattungshöhe begrenzt auf den Preis vergleichbarer Medikamente.
Der Gesetzentwurf verfolge drei Ziele, sagte Gesundheitsminister Rösler. Zum einen solle der Zugang der Patienten zu den bestmöglichen Medikamenten sichergestellt werden, zum zweiten sollen die damit einhergehenden Kosten besser kontrolliert werden als bisher. Außerdem solle der Mittelstand gestärkt werden. "Forschung soll auch hier weiter möglich sein.“
Damit leiste man einen Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung in der Gesundheitswirtschaft. Um diese Ziele zu erreichen werde die volle Erstattung an die Hersteller im ersten Jahr gewährleistet - nicht aber wie bisher für 20 Jahre der Patentlaufzeit. Zudem müsse die Industrie Studien vorlegen, die den Zusatznutzen belegen. So habe man das Preismonopol der Industrie gebrochen, sagte der Minister, der von einem "fairen System auf das Verlass ist“ sprach.
Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) sagte hingegen, die zentralen Schwächen des Gesetzes lägen auf der Hand. Es sei zu vermuten, dass es statt der gewünschten Einsparungen eher zu Preisaufschlägen kommen werde. Bei den Preisverhandlungen im ersten Jahr nach der Zulassung zwischen Kassen und Herstellern sei es überhaupt nicht auszuschließen, dass die zu erwartenden Preisabschläge "vorher draufgeschlagen werden“.
Lauterbach sprach von einem "Teppichhändlereffekt“. Es werde nur darum gehen, den Aufschlag wieder herunterzuhandeln. "Wir werden ein Jahr höhere Preise als sonst haben und dann die Preise, die wir immer hatten“, lautete seine Voraussage. "Am Ende werden wir Mehrkosten statt Einsparungen haben.“
Der Kollege Lauterbach werde in einem Jahr an dieser Stelle stehen und einräumen müssen, sich getäuscht zu haben, lautete hingegen eine Vermutung des Unionsabgeordneten Jens Spahn. Er sprach von einer "historischen Entscheidung“ und einem "Paradigmenwechsel“ in der Frage der Preisfindung bei Arzneimitteln in Deutschland.
Die SPD habe lange darüber geredet, dass dies so nicht bleiben könne und sei nun "erschrocken“ darüber, dass es gerade eine christlich-liberale Koalition sei, die diese strukturelle Frage "endlich angeht und einer Lösung zuführt“. Dabei gelte es einen "schwierigen Spagat“ zu bewältigen.
Einerseits wolle man, dass die Pharmaunternehmen forschen, was finanziell anerkannt werden müsse. Gleichzeitig müsse dies alles "finanziell darstellbar sein“ und dürfe die Solidargemeinschaft nicht übermäßig belastet werden.
Gesundheitsminister Rösler wolle mit dem Gesetz Wirtschaftsförderung betreiben, sagte Kathrin Vogler (Die Linke). "Es geht hier aber um Gesundheitspolitik und nicht um Wirtschaftspolitik“, machte sie deutlich. Die in dem Gesetz vorgesehene Regelung, wonach die Industrie ein Jahr lang den Preis selbst festlegen dürfe bezeichnete sie als "Lizenz zum Gelddrucken“.
Wichtig sei hingegen eine transparente Preisfestlegung. Wenn die Pharmaunternehmen ihre "Mondpreise“ immer wieder mit den hohen Entwicklungskosten begründeten, müsse man von ihnen fordern, ihre Forschungskosten offenzulegen.
Der Gedanke, dass im ersten Jahr nach der Zulassung eines Medikamentes die Kassen mit den Unternehmen über den Preis verhandeln sollten sei für sie "nicht vorstellbar“. Am Ende müssten die Kassen zahlen, was die Industrie verlange, vermutete Vogler.
Warum die Nutzenbewertung erst nach der Zulassung erfolgen solle, fragte sich Birgitt Bender (Bündnis 90/Die Grünen). In anderen Ländern finde dies parallel zum Zulassungsverfahren statt, sagte Bender. Dabei verdiene das Ziel des Gesetzes "Respekt“, räumte die Gesundheitsexpertin der Grünen ein. Das Vorgehen, um dieses Ziel zu erreichen, dürfe jedoch nicht "halbherzig“ sein.
Ein weiterer Beleg dafür sei, dass Impfstoffe von der Kosten-Nutzen-Bewertung seien. "Das Verfahren der ständigen Impfkommission ist eine 'Black Box’“, befand Bender. "Hasenfüßig“ seien zudem die Transparenzregelungen für die Medikamentenstudien.
Es sei nicht vorgeschrieben, wo diese Studien zu veröffentlichen sind. Das könne dazu führen, dass Publikationen dafür ausgesucht werden, "auf denen keiner die Studien findet“, befürchtete sie. Das alles führe zu dem Eindruck, dass die Koalition "noch einige Hausaufgaben zu erledigen hat“.
Das Gesetz schaffe die Möglichkeit "Marktwirtschaft im Arzneimittelbereich einzusetzen“, sagte die FDP-Abgeordnete Ulrike Flach. Dies geschehe zugunsten der Patienten. Das derzeitige Defizit von elf Milliarden Euro sei nicht eine Folge des marktwirtschaftlichen Systems, sondern "ihres planwirtschaftlichen System“, sagte Flach in Richtung SPD.
"Sie setzen darauf, dass der Staat alles regelt und misstrauen dem Markt.“ Das Gesetz werde dazu führen, dass nach marktwirtschaftlichen Regeln ein Preis für Medikamente gefunden werde, der gut für die Menschen sei.