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Der Schutz der Religions- und Glaubensfreiheit steht am Freitag, 17. Dezember 2010, ab 9 Uhr im Mittelpunkt einer 90-minütigen Debatte. Im Anschluss stimmen die Abgeordneten über entsprechende Anträge der Koalitionsfraktionen (17/2334), der SPD-Fraktion (17/3428) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/2424) ab, über den Koalitionsantrag und den SPD-Antrag namentlich. Zu den Anträgen der Koalition und der SPD hat der Menschenrechtsausschuss ebenso eine Beschlussempfehlung (17/4122) vorgelegt wie zum Antrag der Grünen (17/4121). Dem Antrag der Koalitionsfraktionen zufolge muss es die Aufgabe jeder wertegebundenen deutschen Außenpolitik sein, auch im internationalen Kontext für das elementare Menschenrecht auf Religionsfreiheit einzutreten. So habe auch die christlich-liberale Koalition im Koalitionsvertrag vereinbart, sich weltweit für Religionsfreiheit einzusetzen und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Lage der christlichen Minderheiten zu legen.
Koalitionsfraktionen: Christen häufig betroffen von konkreter Gewalt
Aufgrund der Verbreitung des Christentums und seines schnellen Wachstums in Ländern ohne Religionsfreiheit sei das Christentum mit 200 Millionen Menschen die größte verfolgte religiöse Minderheit und häufig betroffen von konkreter Gewalt, schreiben die Abgeordneten. Schwerwiegend seien die Einschränkungen der Religionsfreiheit in den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, in Nordafrika. Zentralasien, Nordkorea und China, so die Antragsteller.
Kritisch bewerten die Abgeordneten die Kairoer Menschenrechtserklärung der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), aus der hervorgehe, dass Religionsfreiheit in islamischen Ländern nicht uneingeschränkt gewährt werde. Die Koalitionsfraktionen fordern die Bundesregierung daher unter anderem auf, "sich auf bi- und multilateraler Ebene weiterhin mit Nachdruck für Gewissens- und Religionsfreiheit einzusetzen“.
SPD beklagt islamophobe Tendenzen
Als politische Herausforderung bezeichnet der Antrag der SPD-Fraktion das Menschenrecht auf Religions- und Glaubensfreiheit. Beim Engagement für den Schutz dieses Menschenrechts darf ihrer Ansicht nach nicht nach Religionen und Weltanschauungen oder nach der Zahl ihrer Anhängerschaft unterschieden werden.
Neben der Situation in ausgewählten islamischen und asiatischen Staaten nimmt der Antrag der SPD-Fraktion auch den Stand der Umsetzung der Religionsfreiheit in Europa in den Blick. Mit Sorge beobachten die Abgeordneten, dass in einigen europäischen Ländern die Debatte über religiöse Symbole islamophobe und fremdenfeindliche Züge trage.
Überholte Asylrechtsprechung
In Bezug auf Deutschland halten die Abgeordneten unter anderem die Asylrechtsprechung zur Verfolgung wegen der Religion für diskussionswürdig. Ihrer Ansicht nach wenden viele Verwaltungsgerichte die europäische Qualifikationsrichtlinie, nach der die Einschränkung der kollektiven Religions- und Glaubensfreiheit als Verfolgungsgrund in das europäische Flüchtlingsrecht übernommen wurde, noch immer "im Lichte der überholten deutschen Dogmatik“ aus, wonach als religiös Verfolgter nur anerkannt wurde, wer seine Religion auch privat nicht ausüben konnte.
Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert, sich auf bi- und multilateraler Ebene mit Nachdruck für die Verwirklichung der Religions- und Glaubensfreiheit "in all ihren Aspekten“ einzusetzen. Außerdem solle sie die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates wahren und einzelne Religionen und Weltanschauungen bzw. ihre Anhänger nicht bevorzugen, weder in der internationalen Politik noch in der deutschen und europäischen Flüchtlingspolitik.
Grüne: Christen nicht priorisieren
Die Bündnisgrünen gehen in ihrem Antrag explizit auf den Antrag der Koalitionsfraktionen ein. Zwar sei ihr Ansatz, sich weltweit für Religionsfreiheit einzusetzen und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Lage der christlichen Minderheiten zu richten, grundsätzlich zu begrüßen.
Um der Universalität des Menschenrechts auf Religions- und Glaubensfreiheit gerecht zu werden, sollte eine Priorisierung oder Hervorhebung einzelner religiöser Minderheiten aber vermieden werden. Denn ein besonderer Schutz für christliche Minderheiten würde Mitglieder oder Anhänger religiöser Minderheiten diskriminieren.
Nicht nur ins entfernte Ausland schauen
Die Abgeordneten verweisen zudem darauf, dass nicht nur in islamischen Ländern das Menschenrecht auf Religions- und Glaubensfreiheit in Frage gestellt werde. So widerspreche etwa das in der Schweiz per Volksabstimmung beschlossene Verbot des Baus von Minaretten dem Menschenrecht auf kollektive Religions- und Glaubensfreiheit.
Daher ist es nach Ansicht der Bündnisgrünen „unvollständig und unangemessen“, beim Thema Religions- und Glaubensfreiheit nur auf das entfernte Ausland zu schauen. Vielmehr müsse auch die Diskriminierung religiöser Minderheiten in Deutschland und Europa in den Blick genommen werden.
Entsprechend fordert der Antrag die Bundesregierung unter anderem auf, den bestehenden Schutz des Menschenrechts auf Religions- und Glaubensfreiheit umzusetzen, ohne einzelne religiöse Gruppen zu privilegieren, und ihn im innen- und europapolitischen Handeln nicht zu vernachlässigen. (nal)