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Kernenergie, Globalisierung, Gentechnologie - es sind stets Zukunftsfragen, mit denen sich Enquête-Kommissionen befassen. Mit diesen überfraktionellen, von Abgeordneten und Sachverständigen besetzten Arbeitsgruppen versucht das Parlament, über den Tellerrand der Tagespolitik hinauszublicken und Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme zu finden. Gerade in Zeiten großen Reformbedarfs sind die Enquête-Kommissionen so zu einem wichtigen Instrument der Entscheidungsvorbereitung für den Bundestag geworden. Im sechsten Teil unserer Serie geht es um die Enquête-Kommission "Neue Informations- und Kommunikationstechniken".
Als am 1. Januar 1984 die Moderatoren Jürgen Doetz und Irene Joest um 9.58 Uhr aus einem Kellerstudio in Ludwigshafen ihre Zuschauer begrüßten, war dies der Start der "Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk" (PKS), dem ersten deutschen Kabelprogramm, aus dem später Sat.1 hervorging. Es war die Geburtsstunde des Privatfernsehens in Deutschland. Doch es war keine leichte Geburt: An der Einführung des "dualen Systems", in dem neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch private Sender erlaubt sein sollten, hatte sich Ende der 1970er Jahre eine medienpolitische Kontroverse entzündet, die auch Verfassungsrechtler beschäftigte. Erst mit dem dritten Rundfunkurteil vom 16. Juni 1981 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Privatfunk zulässig sei - allerdings im Rahmen einer vom Gesetzgeber definierten "positiven Ordnung". Doch die Diskussion war damit nicht beendet: Setzte die Wirtschaft in das Privatfernsehen große Hoffnungen, sahen Kirchen und Gewerkschaften darin eine Gefahr für Kinder und Familien.
Auch zwischen den Parteien hatte die Frage des Umgangs mit den sogenannten neuen Medien zu einem Grabenkrieg geführt: Forderte die konservative Opposition den sofortigen Ausbau der technischen Infrastruktur durch Breitbandnetze und Satellitensysteme, so reagierte die sozialliberale Koalition zögerlich: Zwar befürwortete sie dies ebenso wie die Union, denn der analoge terrestrische Empfang von Rundfunksignalen war in seiner Bandbreite sehr eingeschränkt. Doch der Einspeisung von privaten Programmen stand sie ablehnend gegenüber: 1979 hatte Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) sogar Breitbandkabel-Verlegungsarbeiten in elf Großstädten gebremst. Eine Entscheidung, die CDU/CSU mit den Schlagworten "Verkabelungsstopp" und "Investitionsstau" geißelten.
Am 18. März 1981 unternahm die Koalition jedoch einen Anlauf, das Thema grundsätzlich zu erörtern: Sie legte einen Antrag zur Einrichtung einer Enquête-Kommission "Neue Informations- und Kommunikationstechniken" vor. Ihre Aufgabe umriss Wilhelm Nöbel (SPD) im Bundestag: Das Gremium solle die Probleme der neuen Technik unter "rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen, datenschutzrechtlichen, gesellschafts- und familienpolitischen, volkswirtschaftlichen, finanziellen, technischen und organisatorischen Aspekten" darstellen und Empfehlungen erarbeiten.
Die Opposition jedoch sperrte sich: "Es ist eine bewährte bundesdeutsche Übung, Kommissionen immer dann einzusetzen, wenn die Uneinigkeit groß ist und die Probleme vertagt werden müssen", bemängelte Christian Schwarz-Schilling (CDU). Darüber hinaus berge der Antrag Konfliktpotential in sich: "Der Bund verstößt gegen die föderative Gewaltenteilung, wenn er sich Entscheidungsrechte im Bereich der neuen Kommunikationsformen anmaßt", kritisierte Schwarz-Schilling. Tatsächlich rührte der Antrag an einen schwelenden Kompetenzstreit zwischen Bund und Ländern. Beide, der Bund aufgrund seiner Fernmelde-, die Länder auf Basis ihrer Rundfunkkompetenz, beanspruchten die Zuständigkeit für die "neuen Medien", wie etwa den Bildschirmtext.
Trotz dieser Differenzen nahm die aus elf Abgeordneten und sieben Sachverständigen bestehende Kommission am 25. Mai 1981 ihre Arbeit auf. Aber schon bald zeigte sich, dass zentrale Konflikte, wie zum Beispiel die Frage nach dem Ausbau des Breitbandkabelnetzes, nicht beigelegt werden konnten. "Die Kommission fand bei Aufnahme ihrer Arbeit einen öffentlichen Diskussionsstand vor, der in weiten Bereichen kontroverse, teilweise auch politisch fixierte Positionen widerspiegelte", schrieb ihr Vorsitzender Josef Linsmeier (CDU) im Vorwort des Zwischenberichts, den das Gremium am 28. März 1983 vorlegte. Zudem sei die Materie zu komplex gewesen, um sie in der durch das frühe Legislatur-Ende verkürzten Zeit vollständig zu bearbeiten. Tatsächlich hatte sich mit dem Bruch der sozialliberalen Koalition die politische Großwetterlage grundsätzlich geändert – und daraus ergaben sich auch neue Voraussetzungen für die Kommissionsarbeit.