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Rechtsausschuss (Anhörung) - 09.05.2011
Berlin: (hib/HAU) Die in Paragraf 522 der Zivilprozessordnung enthaltenen Regelungen zur nichtanfechtbaren Zurückweisung von unbegründeten Berufungen durch Beschluss des Berufungsgerichts sind reformbedürftig. In dieser Einschätzung herrschte weitgehende Einigkeit unter den zu einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Montagnachmittag geladenen Experten. Kontrovers beurteilt wurde jedoch, ob die grundsätzliche Möglichkeit der Beschlusszurückweisung unter modifizierten Voraussetzungen erhalten bleiben soll, wie es ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/5334) fordert, oder ob diese abgeschafft werden soll, wie die SPD-Fraktion (17/4431) und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/5363) vorschlagen.Eine vollständige Abschaffung der Möglichkeit, die Berufung in klaren Fällen durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen sei ”nicht veranlasst“, sagte Professor Joachim Bornkamm, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof (BGH). Damit würde man ”das Kind mit dem Bade ausschütten“, sagte Bornkamm, der gleichzeitig den ”exzessiven Gebrauchs“ des Verfahrens einräumte. Seiner Ansicht sollte die Regelung zu einer ”Kann-Vorschrift“ werden. Nach der derzeit gültigen Regelung müsse das Berufungsgericht eine Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückweisen, wenn es davon überzeugt ist, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert.
Als ”Prozessrechtler“ begrüße er, dass der Gesetzgeber sich der Problematik des Paragraf 522 annehme, sagte Professor Reinhard Greger von der Universität Nürnberg-Erlangen. Neben der Problematik der uneinheitliches Anwendung der Vorschriften stelle die Zurückweisung per Beschluss auch einen ”Fremdkörper in der Rechtsmittellandschaft“ dar. Ohne mündliche Verhandlung, so Greger, sei eine Vollüberprüfung des angefochtenen Urteils nicht möglich. Er kritisierte zudem, dass im Entwurf der Bundesregierung das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde erst ab einem Beschwerdewert von 20.000 Euro möglich sei. Seiner Ansicht nach sei es sinnvoller, den Paragrafen 522 ersatzlos aufzuheben.
Für eine Beibehaltung der Zurückweisungsmöglichkeit plädierte wiederum Karl-Heinz Keldings, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf. Ansonsten würden ”aussichtslose Berufungen die aussichtsreichen blockieren“. Allerdings sollte diese als ”Kann-Vorschrift“ gehalten werden, damit auch diejenigen, die unangemessen häufig von der Regelung Gebrauch machen würden, sich nicht mit dem ”Muss“ rechtfertigen könnten. Erforderlich sei zudem, dass ein Rechtsmittel gegen den Beschluss möglich ist.
Es sei positiv zu bewerten, dass der Regierungsentwurf Rechtsmittel gegen den Rückweisungsbeschluss vorsehe, sagte Richard Lindner, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof. Die bisherige Unanfechtbarkeit sei ein ”Systembruch“. Kritik übte Lindner an der geplanten ”Muss-Vorschrift“ in Verbindung mit einer ”Angemessenheitsprüfung“. Dadurch werde sich an dem jetzt beklagten Zustand der uneinheitlichen Anwendung nichts ändern, urteilte der Rechtsanwalt. Ein mündliches Verfahren biete ein größeres Sorgfaltspotenzial als eine schriftliche Verhandlung, sagte Wendt Nassall, ebenfalls Rechtsanwalt beim BGH. Dies sei auch eine Frage der Rechtskultur. Schließlich wollten die Klagesteller ihr Anliegen vortragen.
Eine vollständige Abschaffung des Paragrafen 522 würde möglicherweise einige Probleme lösen, doch zugleich auch neue schaffen, sagte Professor Thomas Pfeiffer von der Universität Heidelberg. Sinnvoller sei es daher, ”die Vorteile zu erhalten und die Nachteile zu beseitigen“. Dazu müsse unter anderem der Kreis der Berufungsverfahren in denen eine mündliche Verhandlung zu erfolgen habe, ”sachgerecht nach Maßgabe der Rechtsschutzinteressen der Parteien erweitert werden“, forderte Pfeiffer.
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