Atomausstieg, Bankenabgabe, Kinderschutz

Reichstagsgebäude

Der Bundestag befasst sich in der Sitzungswoche vom Mittwoch, 29. Juni, bis Freitag, 1. Juli 2011, unter anderem mit dem geplanten Ausstieg aus der Atomkraft, einer von der Linksfraktion geforderten Bankenabgabe und dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Kinderschutzgesetzes. Weitere Themen in den Debatten sind die von der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen zur Erleichterung von Unternehmenssanierungen, der 70. Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf die Sowjetunion, die geplante Erhöhung der Höchststrafe für tätliche Angriffe auf Polizisten sowie Forderungen der Opposition, Prävention und Gesundheitsförderung zu stärken.

Mittwoch, 29. Juni

Regierungsbefragung: Um 13 Uhr kommt das Parlament zu einer halbstündigen Befragung der Bundesregierung über die vorangegangene Kabinettssitzung sowie über aktuelle Themen zusammen.

Fragestunde: Um 15.35 Uhr geht es mit der auf zwei Stunden angesetzten Fragestunde weiter, in der schriftlich eingereichte Fragen der Abgeordneten von Vertretern der Bundesregierung mündlich im Plenum beantwortet werden.

Donnerstag, 30. Juni

Energiepolitik: Der Sitzungstag beginnt um 9 Uhr mit der auf zwei Stunden angesetzten abschließenden Beratung diverser Vorlagen zum Atomausstieg und zur Energiewende. Als Konsequenz des Atomunfalls von Fukushima sehen die Koalitionsfraktionen in ihrem Gesetzentwurf (17/6070) vor, die Nutzung der Kernenergie zum "frühestmöglichen Zeitpunkt“ zu beenden. Auch die Oppositionsfraktionen haben verschiedene Gesetzentwürfe (17/5179, 17/5472, 17/5035, 17/5180, 17/5931) zur Änderung des Atomgesetzes vorgelegt, außerdem sechs Anträge (17/5901, 17/5478, 17/5480, 17/6092, 17/6119, 17/6109), die sich mit verschiedenen Aspekten des Ausstiegs aus der Atomkraft beschäftigen. Ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (17/6071) sieht vor, den Rechtsrahmen für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien neu zu regeln. In jeweils einem Antrag fordern SPD-Fraktion (17/5182) und Grünen-Fraktion (17/5202) die Bundesregierung auf, das Atomzeitalter zu beenden und eine Energiewende einzuleiten. Außerdem haben sie jeweils einen Antrag (17/778, 17/799, 17/4953) zur Nutzung der erneuerbaren Energien vorgelegt. Um die Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften und Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze geht es in zwei Gesetzentwürfen der Koalitionsfraktionen (17/6072, 17/6073). Weitere Vorlagen (17/5181, 17/5481, 17/5762, 17/4528, 17/4785, 17/6074, 17/6075, 17/6076, 17/6077, 17/4017, 17/5225) beschäftigen sich mit der Energieversorgung, der Modernisierung der Stromnetze, der Verbesserung der Energieeffizienz, der steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung, dem Sondervermögen "Energie- und Klimafonds“, der klimagerechten Entwicklung in Städten und Gemeinden, der Änderung schifffahrtsrechtlicher Vorschriften und der Nutzung ungebundener EU-Mittel aus dem Konjunkturpaket für mehr Energieeffizienz. Die Linksfraktion (17/5474) hat zudem einen Gesetzentwurf vorgelegt, der vorsieht, den Atomausstieg im Grundgesetz zu verankern.

Bankenabgabe: Vor dem Hintergrund der Eurokrise debattieren die Abgeordneten ab 11.40 Uhr einen Antrag der Linksfraktion, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die "Verursacher der Krise zur Kasse zu bitten“ und eine neue Bankenabgabe einzuführen. Für die Aussprache sind 90 Minuten vorgesehen.

Sanierung von Unternehmen: Ab 13.30 Uhr geht es im Plenum um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/5712), der vorsieht, die Sanierung von Unternehmen zu erleichtern und so Arbeitsplätze zu erhalten. Dieses Ziel soll unter anderem dadurch erreicht werden, dass die Gläubiger in Zukunft einen stärkeren Einfluss bei der Auswahl des Insolvenzverwalters haben. Eine Stunde ist für die erste Lesung eingeplant.

70. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion: Ab 14.35 Uhr kommen die Abgeordneten zu einer dreiviertelstündigen Vereinbarten Debatte zum 70 Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf die Sowjetunion zusammen. Am 22. Juni 1941 begann das Deutsche Reich auf breiter Front zwischen der Ostsee und den Karpaten den vom Nazi-Regime so genannten "Kreuzzug Europas gegen den Bolschewismus”. Bis Kriegsende ließen knapp 3,5 Millionen deutsche Soldaten an der Ostfront ihr Leben, die Sowjetunion hatte den Verlust von über 25 Millionen Menschenleben zu beklagen.

Artikel 115-Gesetz: Ab 15.25 Uhr debattiert der Bundestag eine Stunde lang über einen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion (17/4666), der die Änderung des neuen Artikels 115 des Grundgesetzes vorsieht. Danach soll die Konjunkturkomponente im Artikel 115 nicht mehr von der Bundesregierung, sondern von dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ermittelt werden.

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte: Ab 16.30 Uhr wird 45 Minuten lang abschließend über eine geplante Änderung des Strafgesetzbuches debattiert. Bundesregierung und Bundesrat haben dazu jeweils einen Gesetzentwurf (17/4143, 17/2165) vorgelegt. Beide sehen übereinstimmend vor, die Höchststrafe für tätliche Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte von zwei auf drei Jahre anzuheben. Zur Begründung führen Regierung und Länderkammer an, dass Polizisten immer öfter Opfer von Gewalt seien. In den letzten zehn Jahren habe es bundesweit eine Steigerung von rund 31 Prozent gegeben.

Steuerliche Behandlung von Dienstwagen: Die erste Lesung eines Antrags der Grünen-Fraktion (17/2140) zur Besteuerung von Dienstwagen steht ab 17.20 Uhr auf der Tagesordnung. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, die steuerliche Behandlung von Dienstwagen in Unternehmen so zu ändern, dass sich die Höhe der steuerlichen Abschreibung mit steigendem Kohlendioxidanteil verringert. Eine halbe Stunde wird die Debatte dauern.

Lebenspartnerschaften im öffentlichen Dienstrecht: Um die abschließende Beratung zweier Gesetzentwürfe (17/3972, 17/906) zur Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und Ehe geht es ab 18 Uhr eine halbe Stunde lang. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, ehebezogene Gesetzesregelungen im öffentlichen Dienstrecht des Bundes rückwirkend zum 1. Januar 2009 auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften zu übertragen. Mit der Vorlage sollen insbesondere im Bundesbesoldungsgesetz Lebenspartnerschaften in die Regelungen zum Familienzuschlag und zur Auslandsbesoldung einbezogen und im Bundesbeamtengesetz Lebenspartner in die Vorschrift über die Beihilfe aufgenommen werden. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will im Bundesbeamtengesetz eingetragene Lebenspartnerschaften mit der Ehe gleichstellen.

Diskriminierung wegen sexueller Identität: Über drei Gesetzentwürfe der Oppositionsfraktionen (17/254, 17/472, 17/88) zur Änderung des Grundgesetzes wird ab 18.40 Uhr eine halbe Stunde lang abschließend beraten. Alle drei Gesetzentwürfe sehen vor, das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität in das Grundgesetz (Artikel 3) einzufügen. Zur Begründung führen die Fraktionen an, lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Menschen seien in der Gesellschaft auch heute noch Anfeindungen, gewaltsamen Übergriffen und Benachteiligungen ausgesetzt.

Zwischenbericht der Internet-Enquete-Kommission: Ab 19.20 Uhr debattieren die Abgeordneten eine halbe Stunde lang über den Zwischenbericht der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft“ (17/5625). Darin heißt es unter anderem, dass das Interesse der Öffentlichkeit an der Arbeit der Enquete-Kommission groß sei. Von Beginn an habe die Internetseite der Enquete-Kommission mehr Zugriffe als die jeweiligen Seiten der Bundestagsausschüsse zu verzeichnen gehabt. Im Durchschnitt seien es 25.000 Klicks im Monat gewesen. Die am 4. März 2010 mit einstimmigem Beschluss des Deutschen Bundestages eingesetzte Enquete-Kommission besteht aus 34 Mitgliedern. Ihre Ergebnisse und Handlungsempfehlungen sollen bis zur parlamentarischen Sommerpause 2012 veröffentlicht werden.

Barrierefreie Mobilität und barrierefreies Wohnen: Eine halbe Stunde lang haben die Abgeordneten Zeit, ab 20 Uhr in erster Lesung über einen Antrag der SPD-Fraktion zu debattieren, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, sich stärker für barrierefreie Mobilität und barrierefreies Wohnen einzusetzen. Beides sieht die Fraktion als Voraussetzung für Teilhabe und Gleichberechtigung.

Regulierung der Finanzmärkte: Um einen Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, für eine effektive Regulierung der Finanzmärkte nach der Finanzkrise zu sorgen, geht es ab 20.40 Uhr. Für die erste Lesung des Antrags ist eine halbe Stunde vorgesehen.

Finanzierung des Bahnprojekts Stuttgart 21: Ab 21.20 Uhr beraten die Abgeordneten eine halbe Stunde lang abschließend über einen Antrag der Linksfraktion (17/6129), in dem die Bundesregierung unter anderem aufgefordert wird, keine weiteren finanziellen Mittel für das Bauprojekt Stuttgart 21 aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen.

Bundeswehreinsätze UNMIS und UNAMID: Danach steht die erste Lesung von zwei Anträgen der Bundesregierung, die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS) und an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur (UNAMID) fortzusetzen, auf der Tagesordnung. Deutschland beteiligt sich seit April 2005 an UNMIS und seit November 2007 an UNAMID. Die erste Lesung der beiden Anträge beginnt um 22 Uhr und wird eine halbe Stunde dauern.

Mehrkosten des ITER-Projekts: Um 22.40 Uhr beginnt die halbstündige erste Lesung eines Antrags der Grünen-Fraktion, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, sich für ein Moratorium für das sogenannte ITER-Projekt einzusetzen. Als Grund führt die Fraktion die "dringliche Klärung von Fragen zu den Mehrkosten des ITER-Projekts“ an. "Iter“ (International Thermonuclear Experimental Reactor) ist ein internationales Forschungsprojekt, in dessen Rahmen die EU, die USA, Russland, China, Südkorea und Indien gemeinsam an der Entwicklung eines Experimentalreaktors arbeiten. Er soll zeigen, dass es physikalisch und technisch möglich ist, durch Kernverschmelzung Energie zu gewinnen. Ziel ist die kommerzielle Nutzung der Kernfusion zum Zwecke der Stromerzeugung.

Übermittlung von Fluggastdaten: Die Einhaltung von europäischen Grundrechts- und Datenschutzmaßstäben bei der Übermittlung von Fluggastdaten fordert die SPD-Fraktion in einem Antrag, der ab 23.25 Uhr eine halbe Stunde lang in erster Lesung im Plenum beraten wird.

Umsetzung von Basel III: Ab 0.10 Uhr debattieren die Abgeordneten in erster Lesung 30 Minuten lang über einen Antrag der SPD-Fraktion, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Besonderheiten der nationalen Finanzmärkte bei der Umsetzung von Basel III zu berücksichtigen. Basel III bezeichnet ergänzende Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel zu den im Jahr 2004 beschlossenen Eigenkapitalanforderungen (Basel II) für Banken. Ziel der Empfehlungen, die im September 2010 beschlossen wurden, ist es, die Finanzwelt stabiler zu machen. So werden von den Banken unter anderem die Erhöhung der Mindesteigenkapitalanforderungen und die Einführung von sogenannten Kapitalpuffern gefordert.

Freitag, 1. Juli

25 Jahre Internationales Parlaments-Stipendium: Der Sitzungstag beginnt um 9 Uhr mit der abschließenden Beratung eines fraktionsübergreifenden Antrags anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS). Das IPS wurde 1986 als Bundestags-Internship-Programm für 20 junge US-Amerikaner ins Leben gerufen und hat sich mittlerweile zu einem Ausbildungsprogramm für junge Menschen aus 28 Ländern entwickelt. Bisher haben insgesamt rund 1.600 Stipendiaten das IPS-Programm absolviert. Eine halbe Stunde ist für die Aussprache vorgesehen.

Bundeskinderschutzgesetz: Im Anschluss debattieren die Abgeordneten ab 9.40 Uhr 75 Minuten lang in erster Lesung den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Bundeskinderschutzgesetzes. Er sieht unter anderem vor, verbindliche Standards wie etwa Leitlinien zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zu entwickeln und regelmäßig zu überprüfen, den Einsatz von Familienhebammen zu stärken und für alle hauptamtlichen Mitarbeiter in der öffentlichen und freien Jugendhilfe die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verbindlich zu machen.

Prävention und Gesundheitsförderung: Mit zwei Anträgen zur Prävention und Gesundheitsförderung setzt sich das Parlament ab 11.05 Uhr in erster Lesung auseinander. In dem Antrag der SPD-Fraktion (17/5384) wird die Bundesregierung aufgefordert, eine umfassende Präventionsstrategie für den Bund zu entwickeln. Notwendig sei zudem ein Präventionsgesetz, in dem etwa die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen geregelt werde. In eine ähnliche Richtung zielt der Antrag der Grünen-Fraktion (17/5529), in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, Prävention und Gesundheitsförderung als Aufgabe in den Sozialgesetzbüchern zu verankern und neben der gesetzlichen auch die private Kranken- und Pflegeversicherung an der Finanzierung zu beteiligen. Für die Aussprache sind 75 Minuten vorgesehen.

Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt: Ab 12.30 Uhr findet die erste Lesung eines von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt statt. Er sieht unter anderem vor, den Gründungszuschuss von einer teilweisen Pflicht- in eine vollständige Ermessensleistung umzuwandeln, die Förderung der Weiterbildung von älteren Beschäftigten in kleinen und mittelständischen Unternehmen zu entfristen und die Eingliederungszuschüsse zu vereinheitlichen. Zur ersten Lesung steht zudem ein Antrag der Grünen-Fraktion, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, in Beschäftigung und Perspektiven zu investieren, statt Chancen zu kürzen. Eine Dreiviertelstunde ist für die Aussprache vorgesehen.

Palästina: Eine halbe Stunde lang beraten die Abgeordneten ab 13.20 Uhr über einen Antrag der Linksfraktion (17/6150), in dem die Bundesregierung unter anderem aufgefordert wird, im UN-Sicherheitsrat und in der UN-Vollversammlung die Proklamation des Staates Palästina auf der Grundlage der Grenzen von 1967 zu unterstützen und für seine Aufnahme in die Organisation der Vereinten Nationen einzutreten.

Anerkennung von Auslandsberufsqualifikationen:Die Bundesregierung will die Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen verbessern und hat dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ab 14 Uhr eine halbe Stunde lang in erster Lesung im Plenum beraten wird. Zum gleichen Thema liegt außerdem ein Antrag der Linksfraktion vor.

Ressortübergreifende Sicherheitsstrategie: Um 14.40 Uhr steht ein Antrag der Grünen-Fraktion auf der Tagesordnung. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, eine ressortübergreifende Sicherheitsstrategie zu entwickeln. Eine halbe Stunde ist für die Aussprache vorgesehen. (nal)