Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Juli 2011 > Experten streiten �ber Einf�hrung eines Betreuungsgeldes
Ute Sacksofsky, Professorin f�r �ffentliches Recht und Rechtsvergleich an der Johann Wolfgang Goethe-Universit�t in Frankfurt am Mai, h�lt das Betreuungsangebot f�r nicht verfassungskonform. Das Betreuungsgeld versto�e sowohl gegen den Schutz der Familie nach Artikel 6, Absatz 1 des Grundgesetzes als auch gegen den Auftrag zur F�rderung der tats�chlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und M�nnern nach Artikel 3, Absatz 2 Grundgesetz. Grunds�tzlich m�sse jede Familienform dem Staat gleich viel wert sein, sagte Sacksofsky. Durch die Zahlung eines Betreuungsgeldes werde aber einseitig eine bestimmte Familien- beziehungsweise Erziehungsform bevorzugt. Zudem sei das Betreuungsgeld geeignet, die �berkommene Rollenverteilung zwischen M�nnern und Frauen zu zementieren, argumentierte die Sachverst�ndige. Zwar soll das Betreuungsgeld von M�nnern und Frauen gleicherma�en bezogen werden k�nnen, in der gesellschaftlichen Realit�t w�rde die Betreuung von Kleinkindern jedoch �berwiegend von den M�ttern �bernommen.
Auch Michael Klundt, Professor f�r Angewandte Humanwissenschaften an der Hochschule Magdeburg-Stendal, und Svenja Pfahl vom Institut f�r sozialwissenschaftlichen Transfer lehnen die Einf�hrung eines Betreuungsgeldes ab. Vor dem Ausschuss sprachen sich beide Experten f�r den Gesetzentwurf der Gr�nen und den Antrag der SPD aus. Der Staat versuche sich mit dem Betreuungsgeld aus seiner Verpflichtung zur Schaffung von Kinderkrippen und Kindertagesst�tten ”freizukaufen“, kritisierte Klundt. Eine echte Wahlfreiheit zwischen der Betreuung zu Hause oder in einer Betreuungseinrichtung bestehe nur dann, wenn auch gen�gend Betreuungsangebote vorhanden w�ren. Dies sei aber nicht der Fall. Klundt und Pfahl argumentierten �bereinstimmend, dass ein Betreuungsgeld die Gefahr der Altersarmut von Frauen versch�rfe. Gerade Frauen in schlecht bezahlten Berufen oder Frauen in Teilzeit w�rden ganz aus dem Berufsleben aussteigen, um ihre Kinder zu Hause zu erziehen und um in den Genuss des Betreuungsgeldes zu kommen. Dies erschwere aber sp�ter den Wiedereinstieg ins Berufsleben.
Diese Argumentation unterst�tzte auch Axel Pl�nnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft in K�ln. Deutschland schneide bei der Frauenerwerbsquote im OECD-Vergleich schon jetzt nur durchschnittlich ab. Laut einer Studie des Zentrums f�r Europ�ische Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2009 w�rde fast die H�lfte der teilzeitbesch�ftigten M�tter bei Einf�hrung des Betreuungsgeldes aus dem Berufsleben austreten. Bei den vollzeitbesch�ftigten M�ttern sei dies allerdings nicht zu erwarten. Pl�nnecke r�umte aber ein, dass es beim Gro�teil der M�tter zu keiner Verhaltens�nderung kommen werde, da schon heute 71,8 Prozent aller M�tter mit Kleinkindern nicht berufst�tig seien.
Den Einsch�tzungen von Klundt und Pfahl widersprach der th�ringische Landtagsabgeordnete Klaus Zeh (CDU). Th�ringen habe mit seinem Erziehungsgeld, einer Entsprechung zum Betreuungsgeld, sehr gute Erfahrungen gemacht. Es habe nicht festgestellt werden k�nnen, dass Familien deswegen ihre Kinder aus Betreuungseinrichtungen abgemeldet h�tten. Er warb daf�r, die Debatte um das Betreuungsgeld zu entideologisieren. Es ginge darum, den Eltern die Wahlfreiheit f�r das eine oder andere Modell zu erm�glichen. V�ter und M�tter seien ”keine Rabeneltern“, nur weil sie ihre Kinder in einer Betreuungseinrichtung unterbringen. Umgekehrt seien sie aber auch ”keine Heimchen am Herd“, wenn sie ihre Kinder zu Hause erziehen. Zeh sprach sich zugleich daf�r aus, die Erziehungsleistung von Eltern in der Gesellschaft wieder st�rker zu w�rdigen und sie finanziell zu unterst�tzen.
Auch Maria Steuer vom Familien e.V. begr��te die Einf�hrung eines Betreuungsgeldes ausdr�cklich. Allerdings stehe es mit einem Betrag von 150 Euro in keinem Verh�ltnis zu den staatlichen Ausgaben, die zur F�rderung des Krippenausbaus get�tigt w�rden. Es kompensiere auch nicht ann�hernd die Einbu�en, die eine Familie hinzunehmen habe, die sich gegen eine Fremdbetreuung entscheidet. Steuer sprach sich deutlich gegen die Fremdbetreuung und f�r die Betreuung von Kleinkindern in der eigenen Familie aus. Sie zitierte wissenschaftliche Studien, nach denen die Eltern in den ersten drei Lebensjahren die wichtigsten Entwicklungs- und Bildungsinstanzen sind. Zudem zeigten Untersuchungen, dass der Cortisolspiegel, ein Indikator f�r Stress, bei Kindern in der Tagesbetreuung deutlich h�her als bei den zu Hause gebliebenen Kindern liege. Ein h�herer Stressfaktor sei aber nun keine gute Voraussetzung f�r die von SPD und Gr�nen geforderte fr�hkindliche Erziehung.
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