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125. Sitzung
Berlin, Freitag, den 09. September 2011
Beginn: 09.00 Uhr
* * * T A G E S A K T U E L L E V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * *
** * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * *
* * * * * * wird fortlaufend aktualisiert * * * * * *
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tagesordnungspunkt 1 - fort:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2012 (Haushaltsgesetz 2012)
- Drucksache 17/6600 -
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2011 bis 2015
- Drucksache 17/6601 -
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Am Dienstag haben wir für die heutige Aussprache eine Redezeit von dreieinhalb Stunden beschlossen.
Wir beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Einzelplan 12.
Als erster Redner hat das Wort der Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass verlässliche Rahmenbedingungen für eine wachstumsfreundliche Politik und für einen soliden Bundeshaushalt genau das sind, was die deutsche Öffentlichkeit von uns erwartet.
Wenn wir die Politik im Bereich dessen betrachten, was wir heute diskutieren, dann kann man, glaube ich, sagen: Darauf können sich die Menschen in unserem Lande auch verlassen.
- Sie von der SPD-Opposition kommen mir gerade recht. Das soll auch gleich eine Warnung an die anderen Oppositionsfraktionen für den Fall sein, dass sie groß tönen.
Ich habe mit großem Interesse gelesen, was Sie vor wenigen Tagen, am vergangenen Montag, unter der Überschrift „Nationaler Pakt für Bildung und Entschuldung. Wir denken an morgen!“ großspurig verkündet haben. Es gibt auch ein Kapitel „Die Situation der öffentlichen Infrastruktur in Deutschland“. Das habe ich mir vorrangig vorgenommen. Darin kommen die Wörter „Bauwirtschaft“ oder „Verkehr“ überhaupt nicht vor. Dazu kann ich nur sagen: Thema verfehlt.
Verlässlichkeit gilt gerade in den Schlüsselbereichen Bauen, Wohnen und Mobilität - drei Bereiche, die für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes von herausragender Bedeutung sind - und auch für jeden Einzelnen in unserem Lande. Ich glaube, diese Verlässlichkeit liefern wir, wie ich gerne darstellen möchte, ohne alle einzelnen Facetten dieses großen Bereichs so darstellen zu können, wie es erforderlich wäre. Aber dazu haben wir in den kommenden Wochen und Monaten bei den Etatberatungen in den Ausschüssen die notwendige Zeit.
Der Gebäudebereich kann, muss und wird einen erheblichen strukturellen Beitrag leisten, wenn es um die Bewältigung der Energiewende in unserem Lande geht. Wir investieren Milliardenbeträge, um all die Potenziale zu heben, die im Gebäudebereich schlummern,
um zu mehr Energieeffizienz zu kommen.
Die Mittel für die bewährten KfW-Programme, die in den ersten Jahren seit 2006 ein Volumen von rund 1 Milliarde Euro hatten und in den drei Jahren der Konjunkturpakete im Durchschnitt auf 1,5 Milliarden Euro erhöht worden sind - von den Vorzieheffekten abgesehen -, werden wir bis 2015 auf dieselbe Summe wie im Zeitraum der Konjunkturpakete erhöhen. Das heißt, es bleibt bei den 1,5 Milliarden Euro. Das ist ein verlässlicher Beitrag der Politik zu dem, was die Bürger in Sachen Förderung der Energieeffizienz erwarten.
Ich bedaure sehr, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen zur steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung von den Ländern abgelehnt wurde. Ich kann an die Länder, von denen viele in SPD-Hand gefallen sind,
nur appellieren, verhandlungsbereit zu sein.
Denn wir waren uns in den Gesprächen mit den Ministerpräsidenten im Kanzleramt - ich war an all diesen Gesprächen stets beteiligt - immer einig, dass es nicht allein Aufgabe des Bundes sein kann, Geld dafür zur Verfügung zu stellen, sondern dass alle Körperschaften der öffentlichen Hand in Deutschland hier gefordert sind, mithin auch die Länder. Ich appelliere an die Länder, sich einer Beteiligung bei der steuerlichen Förderung bitte schön nicht zu versagen.
Zum Bereich der Städtebaupolitik und Stadtentwicklung kann ich mich sehr kurz fassen.
- Sie wissen aber nicht, warum, weil Sie offensichtlich nicht hier waren. - Wir hatten erst vor wenigen Wochen zum 40-jährigen Jubiläum der Stadtentwicklungspolitik und Städtebauförderung eine mehrstündige Debatte hier im Haus. Damals wurden die wesentlichen Fakten dargelegt. Meine Kernbotschaft lautet jedenfalls: Der Bund bleibt ein verlässlicher Partner bei der Städtebauförderung.
Wir werden in den nächsten Jahren 410 Millionen Euro für die Städtebauförderung bereitstellen.
Es kommt aber noch etwas Neues hinzu. Ich bin sehr dafür, dass man die vorhandenen Instrumentarien immer wieder hinterfragt und den Erfordernissen der Zeit anpasst. Wir legen ein neues Programm mit dem Titel „Energetische Stadtentwicklung“ auf. Dieses Programm dotieren wir mit 92 Millionen Euro. Bei all meinen Reisen durch Deutschland haben mir Kommunalpolitiker, Bürgermeister und Oberbürgermeister immer wieder gesagt: Wir haben wunderbare Einzelprogramme im Bereich der Städtebauförderung. - Diese werden im Übrigen allesamt erhalten. Ein Programm für kleinere Städte und Gemeinden haben wir im letzten Jahr sogar neu aufgenommen. - Die Kommunalpolitiker haben immer wieder betont: Es ist alles großartig.
Aber wir brauchen gerade für den Bereich der energetischen Stadtteilsanierung ein besonders zielgerichtetes Programm;
denn es macht keinen Sinn, wenn man in Stadtquartieren rein hausbezogen denkt und saniert. Es ist viel effektiver, wenn man großräumiger denkt und im Quartier blockweise saniert. - Deswegen nehmen wir dieses Programm zur energetischen Stadtentwicklung auf. 410 Millionen Euro plus 92 Millionen Euro ergeben nach Adam Riese 502 Millionen Euro.
Ich muss Ihnen das in dieser Deutlichkeit vorrechnen. Das ist mithin deutlich mehr, als die 455 Millionen Euro, die wir bisher zur Verfügung gestellt haben. Also: Wir handeln entsprechend.
Nun zur Verkehrspolitik. In einer Etatberatung ist es wichtig, zunächst auf das Kernerfordernis hinzuweisen, nämlich auf die verlässlich hohe Investitionslinie für unsere Verkehrswege. Diesem Erfordernis entsprechen wir, indem wir bis zum Jahr 2015 durchschnittlich 10 Milliarden Euro in unsere Verkehrsinfrastruktur investieren. Das ist mehr, als dies im Durchschnitt der Jahre 2002 bis 2008 der Fall war, also in der Zeit vor der Wirtschafts- und Finanzkrise. Dabei wird - das ist vollkommen klar - die Straße der Verkehrsträger Nummer eins bleiben, bei allem grundlegenden Bekenntnis zu einer Politik der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene. Ich füge aber im gleichen Atemzug hinzu: Man muss uns aber auch in die Schiene investieren lassen, und man darf nicht immer - dieser Appell geht vor allen Dingen an die Oppositionsfraktionen - dann, wenn es an den Neubau oder den Ausbau der Schiene geht, Bürgerinitiativen zum Dagegensein aufhetzen. Das geht auch nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die hohe Beanspruchung unserer Infrastruktur hinterlässt ihre Spuren. Wir stellen deshalb substanzerhaltende Maßnahmen vor Neubau. Meine Devise bei knappen Mitteln heißt: Erhalt vor Neubau.
Ein besonders beeindruckendes Beispiel ist der Umgang mit unseren knapp 39 000 Brücken an den circa 53 000 Kilometern Bundesfernstraßen in Deutschland. Wir haben hier einen erheblichen Sanierungsbedarf. Etwa ein Viertel der knapp 39 000 Brücken muss in den nächsten fünf bis sieben Jahren instand gehalten werden. Allein dazu bedarf es einer Summe von etwa 7 Milliarden Euro.
Herr Beckmeyer, Sie haben mir in mehreren Zeitungen einen haarsträubenden Vorwurf gemacht: Ramsauer lässt die Brücken verrotten. Dazu kann ich nur sagen: Welch ein Unsinn! Sie kennen ja das Sprichwort:
Wer auf andere mit dem ausgestreckten Zeigefinger zeigt, der deutet mit drei Fingern seiner Hand auf sich selbst.
Glauben Sie denn, dass die Brücken in Deutschland mit Aushändigung der Ministerurkunde an mich, also nach meiner Amtsübernahme, nach fünf SPD-Amtsvorgängern in elf Jahren von einem Tag zum anderen zu bröckeln begonnen haben? Das glauben Sie doch nicht einmal selbst.
In der Zeit zwischen 1998 und 2009 haben Sie, lieber Kollege Beckmeyer, soviel ich mich erinnern kann für Ihre Fraktion - die SPD-Fraktion war damals Regierungsfraktion - verkehrspolitische Verantwortung getragen.
Sie haben heute bestimmt die Möglichkeit, darzulegen, was Sie in dieser Zeit zur Substanzerhaltung unserer Brücken in Deutschland getan haben.
Wir haben mittlerweile Konsequenzen gezogen. In Ihrer Regierungszeit wurden pro Jahr knapp unter 300 Millionen Euro, ungefähr 270 Millionen Euro, in Brücken investiert. Die Investitionen in Maßnahmen zur Instandhaltung von Brücken werden nach unserer Finanzplanung bis 2015
etwa verdoppelt; ihre Höhe liegt bei dann knapp unter 700 Millionen Euro. Im Vergleich zu dem, was Sie uns vorexerziert haben, machen wir eine klare Kehrtwende. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen Kommentar in der Süddeutschen Zeitung von heute. Besser kann man nicht darstellen, was Ramsauer übernommen hat: „Ein Erbe in Asphalt“. Dieser Herausforderung werden wir uns stellen.
Dazu gehört das Bekenntnis - ich habe es an dieser Stelle schon öfter abgelegt -: Wir befinden uns angesichts der Herausforderungen in einer dramatischen Finanzierungssituation, in einem dramatischen Finanzierungsdilemma.
- Ich komme gleich darauf zu sprechen.
Ich bitte Sie, mit mir in aller Offenheit die Debatte darüber zu führen, wie wir künftig die Finanzierungsprobleme lösen können.
Ich bitte, intensiv darüber nachzudenken, wie wir entweder durch zielgerichtete Budgeterhöhungen oder, wie es meine Partei vorschlägt, durch irgendeine Art nutzerorientierte Abgabe unsere Finanzierungsengpässe beseitigen können, sodass sich die Nutzer unserer Verkehrswege - ich spreche hier nicht nur von der Straße; das Dilemma bei der Straße ist aber besonders groß - darauf verlassen können, dass die Mehreinnahmen ungeschmälert in den Bereich Straße fließen, damit das „Erbe in Asphalt“ bewältigt werden kann, damit bessere, bedarfsgerechtere, umweltgerechtere, lärmärmere und sicherere Straßen zur Verfügung stehen. Das ist die Herausforderung. Darüber zu diskutieren, dazu lade ich Sie in den kommenden Wochen der Etatberatungen ein.
Zur Bahnpolitik. Ich schlage vor, wieder einmal eine umfassende Debatte allein über die Bahn zu führen. Ich glaube, dass es in den knapp zwei Jahren meiner Amtszeit gelungen ist, eine gewisse Kehrtwende in der bahnpolitischen Strategie herbeizuführen.
Wir wollen wegkommen vom Privatisierungswahn mit all seinen Auswirkungen, den Sie betrieben haben. Man kann ein Unternehmen wie die Bahn zwar kaufmännisch führen, aber man darf es dabei nicht, wie es unter meinen fünf Amtsvorgängern - nicht bei allen gleichermaßen - als grundlegende Linie der Fall war, nur nach dem Cashflow-Prinzip unter Missachtung der Belange des öffentlichen Wohls ausrichten und es finanziell ausbluten lassen.
Nicht allein der Cashflow zählt bei der Deutschen Bahn, sondern es zählen auch die Erwartungen, das Brot-und-Butter-Geschäft, das, was die Menschen, die täglich durchschnittlich 7,3 Millionen Bahnbenutzer in Deutschland, von der Bahn erwarten.
Wir stellen hier auch zusätzliche Mittel bereit. Ich bin ganz ehrlich. Mir ist am letzten Wochenende wieder einmal der Kragen geplatzt. Ich habe gestern zu einem Bahngipfel eingeladen und habe die Bahnindustrie, die Bahn, das Eisenbahn-Bundesamt und einige andere Akteure dazu verpflichtet, schnellstmöglich das rollende Material bereitzustellen, damit wir die entsprechenden Reserven beim rollenden Material haben. Wir haben dazu klare politische Wartungsintervalle - so habe ich es genannt - verabredet. Alle vier Wochen müssen mir alle Beteiligten berichten, wie die Fortschritte sind, damit wir auch hier vorankommen.
Viele weitere Themen, meine Damen und Herren, beschäftigen uns hier: Feldversuch mit Lang-Lkw, Fernbuslinien, Elektromobilität. Das zu vertiefen, werden wir in den nächsten Wochen viel Gelegenheit haben. Ich lade alle ein, sich konstruktiv an diesen Beratungen mit mehr Mitteln für die Verkehrs- und Bahninfrastruktur zu beteiligen.
Besten Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Johannes Kahrs von der SPD-Fraktion.
Johannes Kahrs (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich habe hier ja schon viel gehört. Aber Ihre Rede war unterirdisch. Wir führen hier eine Debatte über den Bundeshaushalt. Sie jedoch haben sich an uns abgearbeitet. Das kann ich verstehen; denn das, was Sie gemacht haben, ist eben unterirdisch. Es kommt nicht viel dabei herum. Ich schätze Sie ja persönlich sehr und die hinter Ihnen sitzende Boygroup auch; das sind alles feine Jungs.
Aber im Ergebnis haben wir doch das Problem: Was Sie zustande bringen, ist wirklich unterirdisch.
Das haben wir eben auch daran gesehen, wie geklatscht wurde, als Sie gesprochen haben: ein bisschen mau bei der CDU/CSU und gar nicht bei FDP. Das zeigt eigentlich relativ viel.
Fangen wir doch einmal mit dem an, mit dem Sie aufgehört haben. Sie haben hier, auch wenn Sie das Wort nicht ausgesprochen haben, ein Plädoyer für die Pkw-Maut gehalten. Wir haben ja in den letzten Jahren lange diskutiert, und wir haben Sie immer gefragt: Wollen Sie nun die Pkw-Maut, oder wollen Sie sie nicht? In Ihrem Haus wurde daran angeblich nie gearbeitet; keiner wollte das. Sie haben das immer dementiert. Heute haben Sie hier zumindest das erste Mal gesagt, dass Sie eine nutzerfinanzierte Beteiligung - wie auch immer man das machen will - haben wollen. Das nennt sich übrigens Pkw-Maut.
Wenn Sie das denn wollen, dann kann ich verstehen, dass die FDP nicht ganz so laut geklatscht hat. Für Steuererhöhungen sind die eigentlich nicht zu haben.
Aber schauen wir einmal. Wir haben ja mitbekommen, wer bei dieser Koalition in welchem Tempo umfällt.
- Wissen Sie, ich wäre an Ihrer Stelle jetzt ganz ruhig. Sie haben Steuersenkungen versprochen. Schauen wir doch einmal, wann Sie liefern. Ihr Minister ist ja fröhlich dabei.
- Ach, wissen Sie, solide Haushalte sind kein Markenzeichen dieser Koalition.
Das hat die Große Koalition mit der Schuldenbremse durchgesetzt. Sie zerstören hier die Haushalte.
In dieser Frage geht es einmal darum, dass Sie dieses Hohe Haus und die Bevölkerung in den letzten Jahren systematisch hinter die Fichte geführt haben. Sie haben gesagt, Sie wollten keine nutzerfinanzierten Mauts oder Ähnliches. Heute haben Sie sich das erste Mal anders geäußert. Ich glaube, das sollten wir einmal festhalten. Der ADAC hat zu dem Thema relativ viel gesagt.
Sie haben einen Haushalt mit einem Volumen von 25,3 Milliarden Euro. 13,7 Milliarden Euro sind für Investitionen vorgesehen. Von den 6 Milliarden Euro, die in den Straßenbau gehen, kommen 3,5 Milliarden Euro aus der Lkw-Maut. Aus Ihrem eigentlichen Haushalt kommen nur noch 2,4 Milliarden Euro. Es gab ja mal die Ansage, durch die Lkw-Maut gebe es mehr Geld für den Straßenbau. Im Ergebnis ist das natürlich alles nicht so gekommen, sondern das Geld ist in den Bundeshaushalt geflossen.
Gucken wir uns doch jetzt einmal an, was denn mit der Pkw-Maut passieren würde. Glauben Sie denn ernsthaft, das würde alles komplett in den Straßenbau gehen? Das hat noch nie funktioniert. Sie machen es übrigens in diesem Haushalt vor. Wir haben hier eine reine Abkassiernummer, wie der ADAC sagt. Sozialdemokratie und ADAC Arm in Arm - Herr Ramsauer, da haben Sie ein kleines Problem.
Gucken wir es uns einmal an: Die Kanzlerin hat gesagt: keine Pkw-Maut mit ihr. Sie haben gesagt: keine Pkw-Maut. Dann entdeckt Herr Seehofer, dass in Bayern Wahlkampf ist und dass Herr Ude in den Umfragen besser dasteht als er. Die CSU hat leichte Panik, fällt auf einmal um und erzählt jetzt irgendetwas davon, dass die Ausländer, wenn sie durch Deutschland fahren, nicht zahlen müssen, wir hingegen, wenn wir im Ausland sind, zahlen müssen. Damit wird dann gerechtfertigt, dass die Ausländer endlich einmal zahlen sollen, und es wird behauptet, alle anderen kämen ungeschoren um die Kurve. Das ist natürlich, mit Verlaub und freundlich formuliert, Unsinn. Sie wissen doch, dass das nicht funktioniert.
Wir wissen doch, wie es im Ergebnis laufen wird; denn es gibt keine aufkommensneutrale Pkw-Maut, in welcher Form auch immer.
Allein schon für die Einführung einer Vignette fallen Systemkosten in Höhe von über 200 Millionen Euro an. Nach dem, was der ADAC berechnet hat, nehmen Sie von den Ausländern, die auf deutschen Straßen fahren, 224 Millionen Euro ein. Das heißt, Sie veranstalten die Nummer für 24 Millionen Euro. Das glaubt doch kein Mensch. Wenn Sie so ein System einführen, wird das am Ende dazu führen, dass der deutsche Autofahrer richtig zahlt. Jeder weiß auch, dass Sie mit der Vignette nicht weiterkommen. Dadurch würden ja die Vielfahrer entlastet und der normale Autofahrer belastet. Das kann es nicht sein. So werden Sie am Ende, wenn das Ganze vernünftig laufen soll, in der Toll-Collect-Nummer landen.
Das kostet richtig viel Geld. Was Sie von den Ausländern einnehmen, würde dann nicht einmal die Systemkosten decken.
Es wäre ganz schön, wenn man sich einmal mit dem beschäftigte, was der ADAC festgestellt hat. Zu diesem Thema gibt es eine wunderbare Studie. Lesen bildet, denken hilft. Ich denke, es würde viel Sinn machen, wenn Sie sich diese einfach einmal anschauen.
Die Presse auf Ihre Vorschläge ist ein Desaster. Der Focus schreibt: „Ramsauer macht Tempo bei Pkw-Maut“. Das heißt: zwei Jahre gelogen, heute Offenbarungseid, Geld reicht nicht - das haben wir ja von Ihnen gehört.
- Das ist kein Quatsch. In der Sache haben Sie gelogen. Jetzt machen Sie die Kehrtwende. Im Endeffekt wird auch die FDP da mitmachen.
Die Kanzlerin steht noch halbwegs. Ihr Umfalltempo liegt bei drei bis vier Monaten. Sprechen wir uns also im Winter wieder, wenn sie umgefallen ist.
In den Energie- und Klimafonds haben Sie alle möglichen Titel versenkt, aber keine ausreichende Gegenfinanzierung vorgesehen. Das sage ich hier nur in aller Kürze. In einem solchen Fall bin ich ein großer Fan der Kameralistik: klare Ansage, transparent und offen, kann jeder nachlesen. Wenn Sie alle möglichen Programme in diesen Fonds stecken, der aber nicht durchfinanziert ist, handelt es sich dabei am Ende um nichts anderes als um eine Kürzung. Da muss man Ihr Wort, dass CO2-Gebäudesanierung die große Ansage ist, als scheinheilig bezeichnen; denn Sie entziehen ja durch dieses Vorgehen das Geld.
Letzter Punkt: Nord-Ostsee-Kanal. Verzeihen Sie mir einfach einmal die Ansage, aber angesichts dessen, was zurzeit beim Nord-Ostsee-Kanal passiert, wird man geradezu sprachlos. Dort müssen die Schleusen saniert werden. Damit diese Sanierung überhaupt durchgeführt werden kann, ist die sogenannte fünfte Schleusenkammer notwendig. Dafür muss man Geld in die Hand nehmen. Ihr Staatssekretär, Herr Minister, war da. Jetzt kann man lesen: kein Geld, Kanal dicht. Und weiter heißt es: Der Staatssekretär bestätigt, dass es so ist, dass auf Verschleiß gefahren wird. Die CDU-Bundestagsabgeordneten sagen: Es muss dringend etwas passieren, eine Grundinstandsetzung und der Bau der sogenannten fünften Schleusenkammer sind notwendig. - Passieren wird aber nichts.
Herr Minister, wenn Sie das Geld, was Sie angeblich nicht haben, nicht für irgendwelche Tunnel in Ihrem Wahlkreis ausgeben würden - 168 Millionen Euro für den Kirchholztunnel, den kein Mensch braucht! -,
sondern für die Dinge, die dieses Land braucht, dann würden wir deutlich besser dastehen.
Ein Nord-Ostsee-Kanal, der nicht funktioniert, würde ein Desaster für die gesamte deutsche Verkehrswirtschaft zur Folge haben. Das wäre eine Katastrophe. Wir glauben, dass hier dringend etwas passieren muss.
Für den Hamburger Hafen ist das wichtig, für die Reeder ist das wichtig. Reden Sie mit den Mitarbeitern vor Ort! Gehen Sie einmal nach Schleswig-Holstein! Dort wird man Ihnen das sagen. Sie haben ja im Wahlkampf genügend Gelegenheiten dazu. Der Wähler wird Ihnen dann sagen, was er von dem hält, was Sie da veranstalten: einfach nur peinlich.
Vielen Dank. Schönen Tag noch!
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Für die FDP spricht jetzt die Kollegin Dr. Claudia Winterstein.
Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kahrs, Ihre Rede war ja ganz unterhaltsam; das gebe ich zu. Aber jetzt wird es wieder überirdisch.
Wir werden uns jetzt mit Zahlen und Fakten befassen.
Genau das habe ich in Ihrer Rede ein wenig vermisst. Ich habe nicht gehört, wie viel Sie eigentlich für Investitionen ausgeben wollen. Das hätte mich ja doch schon einmal interessiert, nachdem Sie uns vorgeworfen haben, dass wir uns hier nur unterirdisch mit irgendwelchen Dingen befassen, aber nichts zu Zahlen und Fakten sagen.
Herr Ramsauer, Sie haben in Ihrer Rede den Einzelplan 12 im Prinzip schon in allen seinen Facetten beleuchtet.
- Das hat er sehr wohl, vielleicht nicht so, wie Sie sich das vorstellen, aber durchaus ganz klar. - Ich möchte mich als Haushälterin auf zwei Themen konzentrieren, die ich angesichts der aktuellen Diskussion für besonders wichtig halte.
Das ist zum einen der Bereich der Stadtentwicklung - auch das ist schon angesprochen worden - und zum anderen die Frage der Straßenfinanzierung.
Zunächst ist es sehr erfreulich, dass die Koalition es geschafft hat, auch nach Auslaufen der Konjunkturprogramme die Investitionen in die Fernstraßen im Haushalt 2012 und in der Finanzplanung bis 2015 mit 4,8 Milliarden Euro jährlich konstant zu halten. Doch man muss ganz klar festhalten - auch Sie haben es gesagt -: Leider reicht das nicht aus, weil der Bedarf höher ist. Wir alle wissen aber, dass wir in der jetzigen Situation mehr Steuermittel nicht zur Verfügung stellen können; denn diese Koalition steht ganz eindeutig für Haushaltskonsolidierung
und hat mit der Schuldenbremse für das Jahr 2016 ein klares Ziel vor Augen.
Der Schuldenabbau muss absolute Priorität haben. Wir sehen ja auch, was in einigen europäischen Ländern gerade geschieht.
Daraus aber abzuleiten, dass eine Pkw-Maut die einzige Möglichkeit ist, mehr Mittel für die Autobahnen und Fernstraßen zu generieren, halte ich für falsch.
Die Autofahrer dürfen nicht noch mehr zur Kasse gebeten werden. - Herr Kahrs, ich warte an dieser Stelle auf Ihren tosenden Applaus.
- Nicht der Einzige, von rechts kam auch Applaus.
Meine Damen und Herren, Mineralölsteuer, Ökosteuer, Mehrwertsteuer, Kraftfahrzeugsteuer: 53 Milliarden Euro insgesamt zahlen die Autofahrer jährlich an Steuern,
aber nur 17 Milliarden Euro geben Bund, Länder und Gemeinden für den Bau und den Erhalt von Straßen aus. Das muss man so zur Kenntnis nehmen. Die Autofahrer tragen also schon ganz kräftig zum Steueraufkommen bei. Darauf noch eine zusätzliche Gebühr zu setzen, ist, meine ich, der falsche Weg.
Lassen Sie uns die Debatte mit mehr Kreativität führen. Wir wollen die vorhandenen Mittel effektiv einsetzen. Ein Anfang hierzu wurde mit der Umsetzung von ÖPP-Modellen im Autobahnausbau gemacht.
- Die Erfahrungen mit den ersten vier Projekten sind weitgehend positiv, Herr Claus. Es hat sich gezeigt, dass Vorhaben schneller und effizienter bei gleichzeitig hohem Qualitätsstandard umgesetzt werden können.
Die neu geplanten ÖPP-Modelle sollten nun möglichst schnell angegangen werden.
Beim Thema Straßenerhalt diskutieren wir derzeit ein sehr interessantes Pilotprojekt, mit dem die vorhandenen Mittel deutlich effektiver eingesetzt werden können. Es ähnelt dem Prinzip der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung bei der Schiene. Partner für den Bund sind hierbei die Länder. Der Bund wird in Bezug auf die Erhaltung und den Betrieb der Bundesfernstraßen zum Besteller eines gewünschten Zustandes dieser Fernstraßen. Die Länder werden zu Auftragnehmern des Bundes und erhalten von ihm einen pauschalen Betrag. Dafür organisieren sie in Eigenregie die komplette Erhaltung und den Betrieb der Fernstraßen. Mehrere Länder haben ganz klar Interesse bekundet, an solchen Projekten mitzuwirken. Sie erhalten einen Anreiz zu effektivem Handeln, da sie die erwirtschafteten Mittel eigenständig für den Ausbau und Erhalt von Fernstraßen verwenden können. Berechnungen beziffern den Einspareffekt auf etwa 600 Millionen Euro im Jahr.
Herr Minister Ramsauer, ich ermuntere Sie, solche innovativen Modelle weiterzuverfolgen und zur Umsetzung zu bringen. Ich denke, wir werden diesen Weg im Parlament sehr konstruktiv unterstützen.
Was für den Verkehr gilt, gilt natürlich auch für die Stadtentwicklung. Auch hier schafft die Koalition den Spagat zwischen Sparanstrengungen auf der einen Seite und wirkungsvollen Investitionen auf der anderen Seite.
Ich darf an die vergangenen Haushaltsplanberatungen erinnern. Für den Haushalt 2011 war von Regierungsseite eine Summe von 305 Millionen Euro an neuen Mitteln für die Städtebauförderung eingesetzt worden. Von der Koalition ist diese Summe dann erhöht worden auf 455 Millionen Euro. Im Entwurf 2012 - Herr Ramsauer hat es auch schon gesagt - sind neue Bundesmittel in Höhe von 410 Millionen Euro vorgesehen. Dazu kommen noch die Mittel zur energetischen Stadtsanierung in Höhe von 92 Millionen Euro.
Das heißt also: Zusammen stellt der Bund mehr als eine halbe Milliarde Euro an Finanzhilfen für die Länder und Kommunen zur Verfügung. Das ist angesichts der Sparvorgaben eine wirklich ansehnliche Summe.
Von der Opposition kritisiert wurden die Kürzungen beim Programm „Soziale Stadt“ und die Konzentration dieser Mittel auf ausschließlich investive Ausgaben. Meine Damen und Herren von der Opposition, diese Konzentration war, ist und bleibt richtig; denn die Stadtumbauprogramme des Bundes haben den Zweck, eine Infrastruktur zu schaffen, die dann von den Kommunen mit Leben gefüllt wird.
Leider wurden in einigen Bundesländern die Investitionsmittel über Jahre in nichtinvestive Bereiche verschoben, nämlich als Ersatz für zurückgefahrene Mittel der Kommunen. Das ist nicht Sinn und Zweck dieser Förderung.
Zum Vergleich: Die Sozialausgaben im Haushalt betragen insgesamt 155 Milliarden Euro, die Summe aller Investitionen nur 26,4 Milliarden Euro. Die also ohnehin schon sehr knappen Investitionsmittel sollten insofern nicht zweckentfremdet werden. Darauf haben wir als Haushälter in besonderem Maße zu achten.
Meine Damen und Herren, wir wollen die Investitionen zur Schaffung einer zukunftsfähigen Infrastruktur effektiv und zielgerichtet einsetzen, sei es bei der Straße, der Schiene oder in den Städten und Gemeinden. Ich glaube, dass uns dies trotz der ganzen Sparaufgaben sehr gut gelingen wird.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Roland Claus von der Fraktion Die Linke.
Roland Claus (DIE LINKE):
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden hier über den Infrastruktur- und Investitionsetat des Bundes. Gewiss, Aufbau von Infrastruktur und Investitionen finden auch in anderen Ressorts statt, aber nicht in dieser Dimension. Mehr als 50 Prozent aller Investitionen des Bundes sind in diesem Ressort veranschlagt.
Es ist also ein enorm wichtiger Haushalt. Das ist auch der Grund dafür, dass die Linke den zuständigen Bundesminister zu mehr Selbstbewusstsein auffordern muss.
Mehr Selbstbewusstsein, Herr Ramsauer! Es ist nämlich nicht damit getan, dass Sie hier im Plenarsaal flotte Sprüche gegen die Opposition ablassen und sich dann im Kabinett alles gefallen lassen.
Es zeugt auch nicht von Selbstbewusstsein, hier im Plenarsaal zu tönen, da seien Länder an die SPD gefallen. Das ist nun wirklich ein undemokratisches, feudales Verständnis, das wir zurückweisen müssen.
Herr Bundesminister, der Einzelplan 12 ist kein Steinbruch für den Bundesfinanzminister und dessen Sparattacken. Der Einzelplan 12 ist aber auch kein Tummelplatz für die ideologischen Schwesternkriege, die Ihr Parteivorsitzender Seehofer zuweilen gerne anzettelt. Das muss Ihnen deutlich gesagt werden. Wenn Sie nicht aufpassen, Herr Bundesminister Peter Ramsauer, dann werden Sie zum Schwarzen Peter des Kabinetts. Das mag zwar vielleicht in der CSU ein dickes Lob oder ein Ehrentitel sein; hier aber wäre es eine Peinlichkeit.
Anders die Linke. Die Linke hat einen klaren Kurs. Die Linke steht für eine Verkehrs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik, die stets von sozialer Verantwortung und demokratischer Teilhabe aller an den öffentlichen Gütern ausgeht.
Was alle brauchen, muss öffentlich zugänglich und bezahlbar sein. Wenn die Linke sagt, dass unser Zusammenleben ökologischer werden muss, dann meint sie: ökologischer für alle und nicht nur für Reiche.
Prüfen wir Ihren Etat an diesem Maßstab bei einigen wenigen Positionen. Herr Bundesminister, Sie haben sich hier mit deutlichen Worten gegen eine Privatisierung der DB AG ausgesprochen. Da sind wir natürlich vollkommen an Ihrer Seite. Sie werden bei den abschließenden Beratungen zum Haushalt Gelegenheit haben, einem entsprechenden Antrag der Linken, vielleicht auch noch von anderen, Ihre Zustimmung zu geben und so zu bekunden: Es darf nicht dabei bleiben, dass die Privatisierung wegen der Krise nur verschoben wird; sie gehört endgültig vom Tisch.
Sie haben die Chance, Herr Bundesminister.
In der Straßenpolitik verkörpert die Bundesregierung den Sieg des Betons über die Vernunft; das ist an vielen Stellen gesagt worden. Das Problem der Lkw-Maut muss noch einmal zur Sprache gebracht werden: Es ist noch immer ein Schiedsverfahren des Bundes gegen die Gesellschaft Toll Collect anhängig, also jenes Konsortium, das vor Jahren eine 16-monatige Verzögerung bei der Einführung der Lkw-Maut zu verantworten hatte. Seitdem ist geraume Zeit vergangen. Es geht um einen Ausfall von über 5 Milliarden Euro. Wir werden darauf drängen, dass das hier nicht verschwiegen wird. Was mich hier im Parlament allmählich ärgert, ist, dass wir, die Linke, die Einzigen sind, die überhaupt noch nach dem Schiedsverfahren und den entgangenen 5 Milliarden Euro fragen.
Liebe Kollegen, ich frage euch einmal: Hat das vielleicht damit zu tun, dass ihr von Daimler oder der Telekom wieder eine Spende bekommen habt, von der wir nichts wissen? Es kann doch nicht sein, dass man eine solch große Summe überhaupt nicht mehr thematisiert.
- Ich weiß nicht, von wem Sie alles Spenden bekommen; ich frage nur.
Was die Pkw-Maut anbetrifft, werden wir jetzt wohl eine größere Schutzgemeinschaft mit dem ADAC gegen die CSU bilden müssen. Mit der heutigen Rede von Minister Ramsauer ist die Katze aus dem Sack. Wie fing das denn an? Am Anfang haben Sie gesagt: „In meinem Hause gibt es keine Denkverbote.“ Dagegen kann man nichts sagen. Dann gab es etwas Aufregung, und Sie haben so etwas Ähnliches gesagt wie: Niemand hat die Absicht, eine Maut einzuführen.
Heute kommen Sie nun mit dieser Absicht daher. Ich frage Sie: Reicht denn nicht die Abzocke der Autofahrerinnen und -fahrer an der Tankstelle? Muss denn das nun auch noch sein? Wir meinen, nein.
Herr Bundesminister, Sie haben sich Ihre besten Förderprogramme bei der energetischen Gebäudesanierung und beim Städtebau kürzen oder aus der Hand nehmen lassen.
Das ist hier schon mehrfach kritisiert worden und nicht hinzunehmen. Nun haben Sie vor einigen Monaten eine bedeutende Logik entwickelt.
Sie haben gesagt: Na ja, jetzt ist mir der Laden halbiert worden; aber ich habe gekämpft, sodass die Halbierung zur Hälfte zurückgenommen wurde. Da kommen dann genau 75 Prozent, drei Viertel, heraus. Ein Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, der nur eine Dreiviertelposition im Kabinett hat, ist uns aber zu wenig. Lassen Sie sich das gesagt sein.
Wir könnten das gelegentlich beim Titel des Gehalts des Bundesministers thematisieren.
Für die Finanzierung der energetischen Gebäudesanierung haben wir jetzt den Energie- und Klimafonds; hier gab es eine große Ankündigung. Ich bin aber nach den Erfahrungen mit dem Investitions- und Tilgungsfonds und dem Deutschlandfonds ein bisschen gewarnt, wenn für solch einen großen Brocken vier Ministerien zuständig sind, vor allen Dingen, wenn das Ministerium, das bislang alle Instrumente zur Umsetzung dieses Programms in der Hand hatte, nämlich das BMVBS, jetzt eines unter mehreren Ministerien ist. Ich kann nur hoffen, dass mehr Selbstbewusstsein, Zuversicht und Energie an den Tag gelegt werden, wenn es darum geht, dieses gute Programm abzuarbeiten.
Herr Bundesminister, wir werden die Aufstellung Ihres Etats mit Leidenschaft begleiten. Noch einmal zum Thema Selbstbewusstsein: Trotz der vermeintlichen Übermacht des Bundesfinanzministeriums gilt beim Umgang mit diesem Ministerium: Kopf hoch und nicht die Hände, Herr Minister!
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Stephan Kühn vom Bündnis 90/Die Grünen.
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann es nicht oft genug sagen: Der Haushalt ist das in Zahlen gegossene politische Programm einer Regierung. Man müsste darin also eine Strategie erkennen,
wie einerseits das prognostizierte Verkehrswachstum insbesondere im Güterverkehr bewältigt wird und andererseits Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im Verkehrsbereich deutlich reduziert werden.
Herr Minister, von einer solchen finanziell unterlegten Strategie habe ich weder etwas in Ihrer Rede gehört - ich glaube, das Wort „Klima“ ist in Ihrer Rede gar nicht aufgetaucht -, noch kann ich eine solche dem Etatentwurf entnehmen. Sie haben darauf überhaupt keine Antwort.
Wo sind eigentlich die versprochenen sektorspezifischen Ziele, die Sie in einem Energie- und Klimakonzept für den Bereich Verkehr formulieren wollten? Diese haben Sie im Januar 2010 angekündigt.
Bisher wurde nichts geliefert. Wir erinnern uns daran, dass im Energiekonzept der Bundesregierung kein konkretes CO2-Minderungsziel für den Verkehrsbereich aufgeschrieben wurde. Herr Minister, ich frage Sie: Wie sieht eigentlich Ihre Strategie für eine klimafreundliche Mobilität aus? Darüber haben wir heute nichts gehört, und wir finden auch im Etat nichts dazu.
Der Anteil des Verkehrssektors am Endenergieverbrauch in Deutschland steigt, während die Anteile der Industrie, des Gewerbes und der Haushalte sinken. Für über 80 Prozent des Endenergieverbrauchs ist der Straßenverkehr verantwortlich. Herr Minister, Ihre klimapolitische Antwort darauf sind Gigaliner?!
Da verzweifelt selbst der ADAC. Dass Gigaliner Umwelt und Verkehrswege entlasten würden, entbehrt jeder Grundlage. Während Sie - so auch heute - keine Gelegenheit auslassen, den massiven Instandhaltungsrückstand bei der Straßeninfrastruktur zu kritisieren und zu beklagen, wollen Sie gleichzeitig Gigaliner auf den schon jetzt desolaten Straßen fahren lassen.
Das ist überhaupt nicht verständlich,
zumal Gigaliner die Verkehrssicherheit gefährden und dem Ziel, Verkehr auf die Schiene zu verlagern, deutlich schaden.
Nur 17 Prozent des Güterverkehrs werden über die Schiene abgewickelt, über 70 Prozent über die Straße. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Klimaschutzziele der Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, eine Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene ist also dringend erforderlich, findet aber nicht statt, weil das notwendige Geld für Schienenprojekte im Haushalt fehlt. Herr Minister, Sie streichen 500 Millionen Euro an Bahndividende ein, die wir im Übrigen für grundfalsch halten. Sie können sich aber wieder nicht gegenüber dem Finanzminister durchsetzen; denn das Geld kommt nicht on top. Vielmehr bleibt die bisherige Investitionslinie von 1,2 Milliarden Euro für Bedarfsplanprojekte der Schiene plus 100 Millionen Euro für den Lärmschutz erhalten. Das Geld der Bahndividende kommt nicht on top, sondern es verschwindet. Notwendige Investitionen gerade im Güterverkehrsbereich werden nicht getätigt. Die Bahn hat einen jährlichen Bedarf von 1,8 Milliarden Euro. Jeder kann es nachrechnen: Bei 1,2 Milliarden Euro plus 100 Millionen Euro plus Bahndividende wären wir bei der Größenordnung, die eigentlich jährlich gebraucht wird, um wichtige Güterverkehrstrassen auszubauen. Das passiert weiterhin nicht.
Sie rufen - so auch heute - immer nach mehr Geld für die Straßen. Wir alle haben dies im Sommerloch mit Ihrer Forderung nach einer Pkw-Vignette, also nach einer Flatrate für das Autofahren, erlebt. Diese Vignette unterscheidet jedoch nicht zwischen denjenigen, die viel fahren, und denjenigen, die wenig fahren. Sie unterscheidet auch nicht zwischen denjenigen, die in einem Kleinwagen sitzen, und denjenigen, die in einem Geländewagen unterwegs sind. Meine Damen und Herren, es kommt selten vor, aber hier sind wir uns selbst mit dem ADAC einig; denn diese Vignette ist ökologisch kontraproduktiv, und sie ist vor allen Dingen sozial ungerecht.
Mehr Geld löst im Übrigen das Grundproblem nicht.
Das Grundproblem ist, dass die Mittel falsch und nicht effektiv eingesetzt werden. Sie setzen einfach die falschen Prioritäten. Es gibt kein bundeseinheitliches Erhaltungsmanagement. Wir wissen gar nicht genau, wie schlimm es wirklich aussieht. Wir wissen nicht, wie der steigende Instandhaltungsbedarf in den nächsten Jahren finanziell dargestellt werden soll. Ich erinnere daran: Der Großteil des westdeutschen Straßennetzes wurde Mitte der 60er- bis Mitte der 80er-Jahre gebaut. Hier schieben wir eine riesige Bugwelle an Instandhaltungsinvestitionen vor uns her. Andererseits wollen Sie über 2 000 Kilometer an neuen Bundesautobahnen bauen. Ich frage mich, was das mit dem Prinzip „Erhalt vor Neubau“ zu tun hat. Gedanken darüber, wie diese zusätzlichen Unterhaltungskosten künftig abgedeckt werden sollen, macht sich offensichtlich keiner.
Statt beim Planen und Bauen verkehrsträgerübergreifend zu denken, also in Netzen und Verkehrskorridoren, und statt sich auf Engpässe und Lückenschlüsse zu konzentrieren, geht es weiter wie bisher: Jedem Wahlkreisabgeordneten und dem Minister seine Ortsumfahrung! Das ist verkehrs- und klimapolitisch eine Sackgasse, und das wissen Sie eigentlich auch.
Sie ändern aber nichts daran, obwohl Anspruch und Wirklichkeit deutlich auseinanderklaffen. Es gibt 2011 und 2012 keine Neubeginne von Projekten im Straßenbereich. Der neue Investitionsrahmenplan, den Sie bald vorlegen werden, wird dem bisherigen Plan gleichen und keine neuen Projekte enthalten. Die bisherige Investitionsstrategie - wenn man überhaupt von einer Strategie reden kann - ist deutlich gescheitert.
Legen Sie bitte endlich einen Haushalt vor, mit dem die Erreichung der Klimaschutzziele und die Senkung der Lärm- und Schadstoffemissionen wirklich gelingen können. Was Sie machen, ist einfach planlos. Oder soll beispielsweise die Kürzung der Mittel für den Radwegebau an Bundesstraßen Ihr Beitrag zur Haushaltskonsolidierung sein? Ich kann mir das, ehrlich gesagt, nicht vorstellen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich komme zum Schluss.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, zum Schluss versöhnliche Worte zu finden und das Thema Transrapid anzusprechen. In der Haushaltsdebatte vom 23. November 2010 hat der Minister zum Thema Transrapid gesagt:
Wir haben sofort die weiße Fahne eingeholt und sind zu einer Marktoffensive übergegangen. Das Ganze sieht jetzt Gott sei Dank einigermaßen erfolgversprechend aus. Wir werfen die Flinte nicht ins Korn.
Herr Minister, Sie sind in der Zwischenzeit offensichtlich etwas weiser geworden. Sie haben endlich die Beerdigungskosten für den Transrapid in den Haushalt eingestellt. Das ist gut so. Ich hoffe, dass Sie in dieser Richtung weiterhin so entscheidungsfreudig sind. Das würde uns beglücken.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Arnold Vaatz von der CDU/CSU-Fraktion.