Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2010 > Bundesversammlung > Ansprache des Bundesratspräsidenten zur Vereidigung des Bundespräsidenten am 2. Juli 2010
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
sehr geehrter Herr Präsident des Bundestags,
sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrter Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts,
verehrte Gäste,
meine Damen und Herren!
Im Namen des Bundesrates und auch ganz persönlich möchte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Bundespräsident Wulff,zu Ihrer Wahl durch die Bundesversammlung herzlich gratulieren.
Zunächst aber darf ich mich an Sie, Herr Bundespräsident Köhler, und an Sie, Frau Köhler, wenden und Ihnen meinen tief empfundenen Dank aussprechen.
Sie, lieber Herr Köhler, haben dem Amt des Bundespräsidenten Ihren ganz eigenen, unverwechselbaren Stempel aufgedrückt. Sie wollten offen sein und notfalls unbequem, und Sie waren es.
Sie haben wichtige Fragen gestellt und manches in Frage gestellt, das fragwürdig war. Die Bürgerinnen und Bürger waren Ihnen dankbar dafür.
Sie waren zugleich Ratgeber, Mahner und Anreger für die Bundesregierung, für die Politik, für unser Gemeinwesen insgesamt.
Inhaltlich war das beherrschende Thema der letzten Jahre zweifellos die Finanz- und Wirtschaftskrise, deren Folgen nach wie vor unser Handeln bestimmt.
Hier haben Sie als Kenner der Materie deutliche Worte zum Primat der Politik gegenüber den Finanzmärkten gefunden. Ich habe manche Überraschung in den Gesichtern von "bankern" erlebt, als Sie unmissverständlich und nachdrücklich Verantwortung und die "Haltung eines Bankiers" angemahnt haben.
Die Dinge sind jetzt in Bewegung geraten. Es hat Deutschland gut angestanden, in dieser Zeit einen Bundespräsidenten mit sicherem finanzpolitischem Urteil zu haben.
Sie haben uns an die Grenzen des Wünschenswerten und an die Grenzen des Machbaren erinnert, aber auch immer Mut gemacht: dass die bestehenden Probleme gelöst werden können - wenn wir, alle Bürgerinnen und Bürger, uns gemeinsam anstrengen.
Und Sie waren ein mitfühlender Tröster in schweren Stunden, wie nach dem Amoklauf von Winnenden.
Ich möchte Ihnen danken für das, was Sie in den vergangenen sechs Jahren für Deutschland geleistet haben - in unserem Land und in der ganzen Welt. Besonders Ihr leidenschaftliches Engagement für Afrika, für ein besseres Miteinander in unserer Einen Welt und für Achtsamkeit gegenüber unseren Mitmenschen und der Schöpfung wird unvergessen bleiben.
Wir werden uns auch besonders an Ihre herzliche Nähe zu den Menschen erinnern. Ich habe die vielen Besuche in meiner Heimatstadt Bremen vor Augen, etwa zum deutschen evangelischen Kirchentag im vergangenen Jahr. Ich werde nicht vergessen, wie Sie auf die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer und die Besucherinnen und Besucher zugegangen sind. Offene Sympathie ist Ihnen und Ihrer Frau entgegengebracht worden.
Sympathie, die anhalten wird.
Im Hinblick auf die innerstaatliche Gesetzgebung haben Sie Ihr Prüfungsrecht ernst genommen. Ihr Pflichtgefühl hat Ihnen aufgegeben, in solchen Momenten "kein bequemer Bundespräsident zu sein". Aber das durfte auch niemand erwarten, als Sie als unabhängiger Kopf in das höchste Amt in unserem Staat gewählt wurden.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident Köhler, Sie haben sich durch Ihre Amtsführung ein hohes Maß an Wertschätzung im In- und Ausland erworben. Im Namen des Bundesrates danke ich Ihnen herzlich für das, was Sie für unser Land geleistet haben.
Verehrte Frau Köhler, auch wenn im Grundgesetz die Partnerin des Staatsoberhauptes keine Erwähnung findet, so ist mit dieser Rolle dennoch eine besondere Verantwortung verbunden. Sie haben Ihre Aufgabe - auch durch vielfältiges soziales Engagement - beispielgebend erfüllt. Mit Ihrem ganz eigenen Stil haben auch Sie es vermocht, die Herzen und die Sympathie der Menschen in unserem Lande zu gewinnen. Sie bilden zusammen mit Ihrem Mann ein großartiges Team.
Ich hoffe sehr, dass Ihre Zeit es Ihnen erlauben wird, auch künftig an der einen oder anderen Stelle Ihr Engagement fortzusetzen. Ich glaube, viele Menschen, die darauf angewiesen sind, zählen auf Sie.
Auch Ihnen, verehrte Frau Köhler, danke ich ganz herzlich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
durch den Rücktritt des Bundespräsidenten ist eine für uns alle neue Situation eingetreten. Für viele mag es ebenso überraschend gewesen sein, wie gut unser Grundgesetz auch für eine solche Lage die entsprechenden Vorkehrungen getroffen hat. Artikel 57 des Grundgesetzes weist die Wahrnehmung der Befugnisse des Bundespräsidenten dem Präsidenten des Bundesrates zu.
Das Grundgesetz verzichtet mit Artikel 57 ausdrücklich auf einen Vertreter im Amt: einen stellvertretenden Bundespräsidenten gab und gibt es nicht. Das Grundgesetz hat Vorsorge getroffen, dass getan wird, was getan werden muss, nicht mehr und nicht weniger.
Kein ausländischer Botschafter bleibt ohne Akkreditierung, kein Staatsgast ohne Begrüßung, kein Gesetz ohne Unterschrift.
Die Regelung des Artikels 57 GG unterstreicht auch die Bedeutung des Bundesstaatsprinzips. Der Bundespräsident repräsentiert eben nicht allein den Bund als Zentralstaat, sondern auch die Länder als Gliedstaaten.
Diese Regelung bekräftigt die föderative Ausrichtung des Präsidentenamtes, die ja bereits durch die Zusammensetzung der Bundesversammlung und die Vereidigung des Bundespräsidenten vor beiden gesetzgebenden Körperschaften des Bundes zum Ausdruck kommt.
Lassen Sie mich nun den Blick nach vorn richten.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident Wulff,
es ist eine zusätzliche Bestätigung des föderativen Prinzips unseres Landes, wenn mit Ihnen ein Kollege aus dem Bundesrat als Bundespräsident vereidigt wird. Ich habe Sie kennengelernt als überzeugten Föderalisten im Bundesrat, dessen Arbeit durch Ihre Beiträge auf verschiedenen Feldern der Bundespolitik bereichert worden ist.
Sie haben sich in der Föderalismuskommission von Bundestag und Bundesrat engagiert, Ihre Stimme hatte Gewicht in der Konferenz der Ministerpräsidenten.
Sie haben als niedersächsischer Ministerpräsident immer gutnachbarschaftliche Beziehungen gepflegt.
Vor diesem Hintergrund sehe ich die Belange der Länder und das kostbare Gut des Föderalismus in den Händen des neuen Bundespräsidenten Christian Wulff gut aufgehoben.
Besonders gefreut habe ich mich, dass Sie in der Bundesversammlung angekündigt haben, am 3. Oktober bei den zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Bremen ihre programmatischen Überlegungen zu Ihrem neuen Amt darlegen zu wollen.
Ich bin sicher, es werden bewegende Momente, wenn wir in diesem Jahr auf 20 Jahre Deutsche Einheit zurückblicken können. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Rede.
Herr Bundespräsident Wulff, Sie werden nun Deutschland nach innen und nach außen zum Wohle unseres Landes vertreten.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau, die Sie bei Ihren Aufgaben unterstützen und begleiten wird, im Namen des Bundesrates von ganzem Herzen Glück, Erfolg und Gottes Segen.