Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Juni 2011 > Transparenz gegen Auswüchse der Rohstoffspekulation gefordert
Helmut Born vom Deutschen Bauernverband plädierte für eine Versachlichung der Debatte, indem er vorausstellte, dass die Spekulation mit Agrarrohstoffen auf Terminmärkten grund-sätzlich nichts Schlimmes sei. ”Für die Landwirte ist es erfreulich, dass hohe Preise aufgrund hoher Nachfrage ent-stehen“, sagte er. Born sehe keine Hinweise, die auf eine ”exzessive Spekulation“ deuten. Doch seien seiner Ansicht nach Preissicherungsinstrumente notwendig, um radikale Preisaus-schläge vorzubeugen. Wichtig sei daher, dass die nach der Liberalisierung vergleichsweise jungen europäischen Termin-märkte für Agrarrohstoffe die Realität abbilden. ”Es muss nachvollziehbarer werden, welche Geschäftsabschlüsse getätigt werden“, forderte Born. Eine Voraussetzung dafür sei, dass der sogenannte OTC-Markt – Geschäfte, die außerhalb der Waren-terminbörse stattfinden – ebenfalls öffentlich wird. Notwendig sei ein weltweites Rohstoffinformationsnetz, das durch verlässliche Zahlen über Erntemengen, Verkaufsmengen und Lagerbestände spekulative Auswüchse verhindert.
Seinem Vorredner stimmte Volker Petersen vom Deutschen Raiffeisenverband zu: ”Mehr Informationen bedeuten mehr Übersicht, vernünftige Planung und helfen gegen Hektik an den Märkten.“ Auch Petersen verteidigte, dass die Spekulation in Form von Terminkontrakten den Landwirten Kalkulations-sicherheit gebe. Insofern dürfe sie nicht verboten werden.
Rafael Schneider von der Deutschen Welthungerhilfe sprach sich dagegen schärfer gegen Spekulation aus. ”Die Nachfrage nach Agrarrohstoffen ist ein Megatrend, weil keine Marktsättigung zu erwarten ist“, sagte er mit Blick auf das kontinuierliche Bevölkerungswachstum und den zunehmenden Wohlstand unter anderem in China. Aus diesem Grund seien Kapitalanleger zum Beispiel auf den Getreidemärkten aktiv. Die dadurch verur-sachten Preissteigerungen würden vor allem Menschen in den Entwicklungsländern treffen, die deshalb jedes Jahr mehr in die Armut rutschen würden. Um das Recht auf den Zugang zu Nahrungsmitteln zu schützen, forderte Schneider durch eine Börsenumsatzsteuer die Spekulation auf ausgewählte Produkte unattraktiv zu machen.
Heiner Flassbeck, Director Division on Globalization and Development Strategies der Handels- und Entwick-lungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD), sah die Ursache hoher Preise bedingt durch ”massive Preisbeeinflussung in die falsche Richtung gelenkt durch nicht marktadäquate Informationen“. Die Preise basierten auf den Märkten nicht auf Angebot und Nachfrage, sondern würden durch den Derivatehandel verzerrt. Dort würden nicht Rohstoffe gehandelt, sondern Papiere, die nur auf Rohstoffe basieren sollen. ”Diese Märkte führen ein Eigenleben und schaden der Preisfindung in der Landwirtschaft.“
Markus Henn vom Verein weed teilte die Kritik an der Finanzspekulation. Er widersprach in seiner Rede der Behauptung, dass die Preissteigerungen zum Beispiel durch den hohen Bedarf in China zu begründen wären. ”Das Land wächst seit dreißig Jahren“, sagte er. Doch noch bis Ende der 90er Jahre waren die Preise für Rohstoffe im Fallen. Das sei ein Widerspruch, der sich mit den jetzigen Interpretationen über die Gründe beißen würde. Henn empfahl den anwesenden Fachpolitikern, sich in den USA Maßnahmen der Regulation abzuschauen. ”Dort ist gesetzlich definiert, was exzessive Spekulation ist“, sagte er und forderte sogenannte Indexfonds für den Agrarrohstoffhandel zu verbieten. Diese Fonds würden nicht anhand objektiver Daten handeln und die reelle Preisbildung stören.
Einen negativen Einfluss auf die Agrarmärkte schrieb auch Dirk Müller von der Ethos GmbH den Indexfonds zu. ”Mit ihrem Aufkommen im Jahr 2000 stiegen auch die Preise für Rohstoffprodukte", sagte er. Transparenz sei nötig, um verlässliche Geschäfte auf den Terminmärkten zu ermöglichen. Gleichzeitig unterstrich er auch den positiven Nutzen der Terminmärkte. ”Aber die Dosis macht das Gift“, sagte er. Niemanden dürfe gestattet sein, dem Markt Lebensmitteln zu entziehen, um sie später wieder teuer verkaufen zu können.
Peter Reitz von der Eurex Frankfurt AG – ein Unternehmen der Deutschen Börse – informierte den Ausschuss, dass derzeit nur ein Prozent der weltweiten Agrarkontrakte auf dem EU-Markt gehandelt würden. Er wies darauf hin, dass aus diesem Grund Abstimmungen über Europa hinaus notwendig seien und erklärte, dass ”Reportings“ zur Regulierung der Märkte und zur Schaffung von Transparenz sinnvoll seien.
Michael Schmitz vom Institut für Agrarpolitik und Markt-forschung warnte dagegen klar vor staatlichen Eingriffen: ”Die Kontrolle der Spekulation ist kontraproduktiv.“ Niedrige Preise am Weltmarkt würden Bauern nicht helfen und seien lange Zeit ein angeführtes Argument gewesen, warum die Armut in Entwicklungsländern so ausgeprägt gewesen sei. Das sei widersprüchlich. ”Es ist gezielte Entwicklungshilfepolitik nötig“, sagte er. Schmitz forderte Spielregeln für die Märkte. "Aber verstärkte Regelungen auf den Terminmärkten haben nur zur Folge, dass die Händler auf die OTC-Märkte ausweichen", warnte Schmitz. In der Folge würden durch Eingriffe nur größere Probleme geschaffen.
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