Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Datenhandbuch > 2. Mitglieder des Deutschen Bundestages > 2.4 Indemnität und Immunität, Zeugnisverweigerung
Stand: 31.3.2010
Das Grundgesetz garantiert dem Abgeordneten
Wegen einer Abstimmung oder einer Äußerung, die ein Abgeordneter im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, darf er zu keiner Zeit gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden (so genannte Indemnität oder Straffreiheit). Niemand kann also einen Abgeordneten wegen seiner Abstimmung zur Rechenschaft ziehen, auch nicht nach Beendigung seiner Mandatszeit. Der Bundestag kann die Indemnität eines Abgeordneten nicht aufheben.
Dagegen muss der Abgeordnete, der bei seinen Äußerungen gegen die parlamentarische Ordnung verstößt, mit Ordnungsmaßnahmen des Präsidenten rechnen. Die Indemnität gilt auch nicht für verleumderische Beleidigungen. Sie können strafrechtlich verfolgt werden, wenn der Bundestag die Immunität (im engeren Sinne) aufhebt. Die Indemnität hindert schließlich nicht, dass der Abgeordnete von seiner Fraktion oder von Abgeordneten anderer Fraktionen, von seiner Partei, den Wählern im Wahlkreis oder von der öffentlichen Meinung für das, was er im Bundestag sagt, zur Rede gestellt und kritisiert wird.
Jede strafrechtliche Verfolgung oder jede Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten ist nur mit Genehmigung des Bundestages zulässig (Immunität im engeren Sinne). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Abgeordnete auf frischer Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.
Dieses Recht dient nach seiner historischen Entwicklung vor allem dazu, die Funktionsfähigkeit des Parlaments nicht durch staatliche Maßnahmen zu gefährden. Es ist ein Recht des Bundestages und nicht des einzelnen Abgeordneten. Daher ist die Entscheidung über die Aufrechterhaltung oder Aufhebung der Immunität, wie die Geschäftsordnung sagt, eine politische Entscheidung, die ihrem Wesen nach kein Eingriff in ein schwebendes Verfahren sein darf, bei dem es um die Feststellung von Recht oder Unrecht, Schuld oder Nichtschuld geht. Sie beruht auf einer Interessenabwägung zwischen den Belangen des Parlaments und denen der anderen hoheitlichen Gewalten. Das betroffene Mitglied kann daher nicht selbst beantragen, seine Immunität aufzuheben.
Der Abgeordnete darf über Personen, die ihm als Abgeordneten oder denen er in seiner Eigenschaft als Abgeordneter Tatsachen anvertraut hat, sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis verweigern. Insoweit ist auch die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig. Damit soll ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Abgeordneten und dem Bürger geschaffen werden. Über dieses Recht kann der Bundestag nicht verfügen. Es ist allein die Entscheidung des Abgeordneten, ob er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. Das Recht ist auch noch nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag wirksam.
Materielle Rechtsgrundlagen des Immunitätsrechts, des Rechts auf Indemnität und des Zeugnisverweigerungsrechts
sind
Gemäß § 107 GOBT werden die auf dem Dienstweg dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zugeleiteten Ersuchen in Immunitätsangelegenheiten dem Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung unmittelbar zugeleitet, der ohne eine Beweiswürdigung die formellen Voraussetzungen für eine Entscheidung des Bundestages prüft. Bei Verkehrs- und Bagatelldelikten sowie bei der Fortsetzung von Strafverfahren zu Beginn einer Wahlperiode gegen Mitglieder des Bundestages, gegen die der vorhergehende Bundestag die Durchführung dieser Strafverfahren bereits genehmigt hatte, wird die Entscheidung des Ausschusses als Vorentscheidung gedruckt und an alle Mitglieder des Bundestages verteilt; sie gilt als Entscheidung des Bundestages, wenn nicht innerhalb von sieben Tagen nach Verteilung ein Mitglied des Bundestages Widerspruch gegen die Entscheidung erhebt. In allen anderen Fällen wird die Beschlussempfehlung auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt. Die Entscheidung des Bundestages wird dem Bundesminister der Justiz zugeleitet, der sie auf dem Dienstweg an die zuständige Stelle weiterleitet.
12. WP 1990–1994 |
13. WP 1994–1998 |
14. WP 1998–2002 |
15. WP 2003–2005 |
16. WP 2005–2009 |
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Immunitätsfälle (insgesamt) | 13 | 22 | 17 | 15 | 13 |
– genehmigt | 12 | 19 | 14 | 15 | 12 |
– nicht genehmigt | 1 | 2 | 3 | 0 | 1 |
– nicht behandelt bzw. eingestellt | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 |
Äußerungsdelikte (§ 185 ff. StGB) | 2 | 2 | 3 | 0 | 0 |
– genehmigt | 1 | 0 | 0 | 0 | 0 |
– nicht genehmigt | 1 | 2 | 3 | 0 | 0 |
– nicht behandelt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Verkehrsdelikte | 2 | 2 | 6 | 0 | 3 |
– genehmigt | 2 | 2 | 6 | 0 | 3 |
– nicht genehmigt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Allgemeine Kriminalität | 6 | 11 | 6 | 7 | 9 |
– genehmigt | 6 | 11 | 6 | 7 | 9 |
– nicht genehmigt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
– nicht behandelt bzw. eingestellt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Disziplinarverfahren (Ehrengerichtsverfahren) | 0 | 2 | 1 | 1 | 0 |
– genehmigt | 0 | 2 | 1 | 1 | 0 |
– nicht genehmigt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Strafvollstreckung | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
– genehmigt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
– nicht genehmigt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Haft zur Erzwingung der Ableistung des Offenbarungseides | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 |
– genehmigt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
– nicht genehmigt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
– gegenstandslos | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 |
Sonstige Beschränkungen der persönlichen Freiheit (Untersuchungshaft, zwangsweise Vorführung) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
– genehmigt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
– nicht genehmigt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Sonstiges | 0 | 3 | 1 | 4 | 0 |
– genehmigt | 0 | 3 | 1 | 4 | 0 |
– gegenstandslos | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Zeugenvernehmungen | 3 | 1 | 0 | 3 | 0 |
– genehmigt | 3 | 1 | 0 | 3 | 0 |
– nicht genehmigt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
– zurückgezogen | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
– an ersuchende Stelle zurückgesandt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
– gegenstandslos | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Zahl der betroffenen Abgeordneten | 12 | 15 | 15 | 11 | 12 |
Quelle: Deutscher Bundestag, Sekretariat Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
Angaben für den Zeitraum bis 1990 s. Datenhandbuch 1949 – 1999, Kapitel 2.4