Oberkreisdirektor berichtet über Reaktionen der Kommunalpolitik

1. Untersuchungsausschuss (Gorleben) - 02.12.2011

Berlin: (hib/JR) Wie reagierte der Landkreis Lüchow-Dannenberg auf die geplante Erkundung des Gorlebener Salzstocks als Endlager? Am späten Donnerstagnachmittag hat hierzu Klaus Poggendorf vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss ausgesagt. Der Oberkreisdirektor von 1978 bis 1996 sagte, seit 1977 sei der Landkreis mit dem Projekt konfrontiert gewesen. „Der Kreistag hat sich deswegen mehrfach mit diesem Problem befassen müssen.“ Gerüchte über ein geplantes Nationales Entsorgungszentrum samt Wiederaufarbeitungsanlage und Endlager hätten erhebliche Unruhe in der Bevölkerung ausgelöst. „Als die Entscheidung fiel, äußerten auch die Gemeinden Gorleben und Gatow Bedenken. Es herrschte Furcht vor Demonstrationen. Man hatte gerade begonnen, den Fremdenverkehr auszubauen.“ Diese Befürchtung habe sich schließlich nicht bewahrheitet.

Der Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung, sich bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll auf den Standort Gorleben zu beschränken, zu Einflussnahmen oder Manipulationen gekommen ist.

„Ministerpräsident Ernst Albrecht nahm Kontakt zur Bürgerinitiative und zum Grundbesitzer Graf Bernstorff auf“, erinnerte sich Poggendorf. „Die Kommunalpolitiker aber fühlten sich übergangen.“ Daher hätten sie die Gründung der so genannten Gorleben-Kommission betrieben, einer Experten-Anhörungsrunde für die Lokalpolitik. „Die Kommissionssitzungen wurden von Pressevertretern begleitet. Das war kein Geheimbund.“

Poggendorf schilderte, wie der Landkreis von Zahlungen des Bundes für das Zwischenlanger in Gorleben profitierte. Ein Zehn-Jahres-Vertrag von 1979 habe dafür gesorgt, das jährlich 4,1 Millionen DM an den Landkreis und die betroffenen Gemeinden geflossen seien. Eine so genannte Wohlverhaltensklausel verteidigte Poggendorf vor dem Ausschuss. Diese besagte, dass die Kommunalpolitiker das Projekt eines Zwischenlagers im rechtlichen Rahmen zu unterstützen haben. Andreas Graf von Bernstorff, Gutsbesitzer im Landkreis, hatte bei seiner Zeugenvernehmung unmittelbar vor Poggendorf die Klausel kritisiert. „Diese Klausel beeinträchtigt die gewählten Vertreter in ihrer freien Meinung“, hatte er gesagt. Poggendorf dagegen sagte, der seit 1991 von Kernkraftgegnern dominierte Kreisrat habe durch den Ansiedlungsvertrag zwischen 1992 und 2011 acht Millionen DM eingenommen, davor seien es über drei Millionen DM gewesen. „Wenn auch Kernkraftgegner dieses Geld annehmen, kann man diesen Beschluss ja wohl nicht als anstößig bezeichnen.“ Dieser Vertrag laufe noch heute. „Er kann jederzeit gekündigt werden.“

Vor dem Ausschuss räumte der 74-Jährige ein, viele Kommunalpolitiker hätten sich vom Entsorgungszentrum eine Lösung der wirtschaftlichen Probleme im Landkreis erhofft. Zwischen 1979 und 1989 seien 21 Millionen DM in den Landkreis investiert worden. „Das trug wesentlich zum Abbau der Strukturschwäche bei.“

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