Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2011 > Artikel 115 Grundgesetz
Der Artikel 115 des Grundgesetzes, in dem es um die Schuldenbremse geht, wird nicht geändert. Einen entsprechenden Gesetzentwurf der SPD-Fraktion (17/4666 neu), der dies vorsah, lehnte der Bundestag am Donnerstag, 30. Juni 2011, auf Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (17/6241) ab. Mit der Einführung der Schuldenbremse im neuen Artikel 115 des Grundgesetzes (GG) und dem Ausführungsgesetz dazu habe der Gesetzgeber für diese notwendige Konsolidierung sowohl die strukturelle Defizitobergrenze mit 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ab 2016 als auch den Abbaupfad ab 2011 bis dahin festgelegt, betonte die SPD in ihrer Initiative.
Die Beratungen zum Bundeshaushalt 2011 hätten jedoch offengelegt, dass der Bundesfinanzminister sich Ermessensspielräume bei der Festlegung des Abbaupfades zugebilligt habe, die den Verschuldungsspielraum für die Jahre bis 2016 um viele zig Milliarden Euro nach oben schrauben, statt konsequent das Ziel des Abbaus der Neuverschuldung umzusetzen.
Der Bundesfinanzminister habe dem weiteren Abbaupfad für die Jahre 2012 bis 2016 nicht den Ist-Wert für die Neuverschuldung 2010 von 44 Milliarden Euro als Ausgangswert zugrunde gelegt, sondern den im Sommer vorigen Jahres als damals voraussichtliches Ist angenommenen Wert von 65 Milliarden Euro. Allein diese "willkürliche hohe Festlegung" schiebe die Verschuldungsobergrenze des Bundes für die Jahre 2012 bis 2015 um 29 Milliarden Euro nach oben, schreiben die Abgeordneten. Damit handele der Bundesfinanzminister zwar nicht contra legem, aber "eindeutig“ entgegen Geist und Sinn der Schuldenbremse.
Die SPD regte deshalb in ihrem nunmehr abgelehnten Gesetzentwurf an, die tatsächlichen strukturellen Defizite des Jahres 2010 als Ausgangsbasis für den Konsolidierungspfad des Bundes von 2011 bis 2015 festzuschreiben sowie den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit den Berechnungen gemäß der Artikel-115-Verordnungen zu beauftragen.
Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Norbert Barthle, betonte, die Einführung der Schuldenbremse sei eine historische Leistung der Koalition. Ein permanentes Nachjustieren des Abbaupfades würde die Schuldenbremse unglaubwürdig machen. "Wir wollen einen in Stein gemeißelten Abbaupfad und keine Gummirutsche“, sagte er.
Das Ziel der SPD scheine es zu sein, sich dem Geist der Schuldenbremse abstrakt zu nähern. "Sie arbeiten sich an Nebenschauplätzen ab“, sagte Barthle in Richtung SPD. Deshalb lehne die Union den Gesetzentwurf ab. Die Union werde den Weg zum Abbau der Schulden konsequent weitergehen.
Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, erklärte, dass das Gesetz zur Schuldenbremse Lücken habe. Diese wolle die SPD mit ihrem Gesetzentwurf schließen. "Der Abbaupfad wird von der Koalition manipulativ genutzt, indem an den falschen Zahlen festgehalten wird“, betonte er weiter. Das führe dazu, dass Schulden in Höhe von 50 Milliarden Euro aufgenommen werden könnten.
"Diese Kredite werden genutzt, um wahrscheinlich 2013 mit zusätzlichen Steuersenkungen der FDP zu helfen“, betonte Schneider. Dem Land würden aber dadurch höhere Schulden hinterlassen. Damit werde die Glaubwürdigkeit in eine solide Finanzpolitik verspielt.
Otto Fricke (FDP) gab zu, dass die Verfassungsgesetzgeber bei dieser Bestimmung nicht präzise genug gewesen seien. Dennoch hielt er die von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Gesetzesänderung nicht für notwendig. Erfolgreiche Sparpolitik müsse daran gemessen werden, wie die tatsächlichen Ergebnisse aussehen.
"Sie werden wie ein begossener Pudel dastehen, wenn am Ende des Jahres rauskommt, dass wir selbst unter ihrer Sparlinie sind“, sagte Fricke an die Adresse der SPD. Sparen heiße immer, an die Ausgaben heranzugehen, sonst komme man selbst in guten Zeiten nicht auf eine positive Seite.
Dagegen lehnte Roland Claus (Die Linke) die Schuldenbremse generell ab. Es sei in Wahrheit "eine Bildungsbremse, eine Wirtschaftsförderungsbremse, eine Sicherheitsbremse, ein Bremse für den Osten und eine Demokratiebremse“.
Claus nannte dafür mehrere Beispiele, etwa für den Bereich der Sicherheit die Streichung von Polizistenstellen.
Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) widersprach Claus heftig: Es könnenicht sein, dass man glaube, politische Schwerpunktsetzungen in Haushalten nur durch zusätzliche Verschuldung setzen zu können. Die Linke wolle die Nettokreditaufnahme weiter steigern. "Das hat mit nachhaltiger Haushaltspolitik nichts zu tun. Wir wollen auch, dass die Schuldenbremse eingehalten wird“, sagte Hinz und unterstützte den SPD-Vorstoß.
Sie verwies auf die Zinszahlungen, die heute 38 Milliarden Euro jährlich betügen und bis 2014 auf 50 Milliarden Euro anwachsen könnten. (mik/hle)