Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2011 > Auslandsvertretungen
Mehrere Sachverständige aus der deutschen Wirtschaft möchten die Visumpflicht möglichst aufheben oder begrenzen. Dies ergab die öffentliche Anhörung des Auswärtigen Ausschusses unter Vorsitz von Ruprecht Polenz (CDU/CSU) zur Praxis der Visumerteilung durch die Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland am Mittwoch, 28. September 2011. Michael Harms, Vorstand der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, die 800 Mitglieder vertritt, forderte solche Visaerleichterungen und beklagte „zahlreiche Probleme“. Harms wörtlich: „Das schadet dem Image unseres Landes.“
Prof. Dr. Rainer Lindner, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, machte den Vorschlag, die Visumpflicht völlig aufzuheben. Der Sachverständige argumentierte, die Visumpflicht sei für die Entfaltung des Handels und die Umsetzung von Investitionsprojekten im Zeitalter der Globalisierung eine ständige Belastung, unter der die Exportnation Deutschland in besonderem Maße zu leiden habe.
Unverständlich sei daher, dass ausgerechnet Deutschland beim Thema Visa-Liberalisierung auf europäischer Ebene die Rolle eines „Bremsers“ eingenommen habe.
Martin Hoffmann, Vorstand des Deutsch-Russisches Forum e.V., argumentierte, die derzeitigen Visa-Regelungen lägen nicht im deutschen oder europäische Interesse.
Dieser Sichtweise schloss sich Hiltrud Stöcker-Zafari vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften an: Die Abschaffung der Visumpflicht sei im Interesse des ungehinderten Reisens von Familienangehörigen zu begrüßen. Leider werde visumfreies Reisen sehr schnell mit Gefahren und kriminellen Handlungen assoziiert. In dieser Haltung stecke die Befürchtung, dass die Menschen in Osteuropa in Scharen ungehindert ins Bundesgebiet einreisen würden. Diese Annahme entbehre jeder sachlichen Grundlage, so die Sachverständige weiter.
Peter Wittschorek, Geschäftsführer des MitOst e.V., begrüßte die Forderung nach einer vollständigen Abschaffung der Visumpflicht ebenfalls. Es bedürfe einer zügigen und kompromisslosen Umsetzung dieses Vorhabens. Ihm sei es aber auch wichtig, dass keine Gruppe bevorzugt behandelt wird.
Prof. Dr. Kay Hailbronner vom Forschungszentrum Ausländer- und Asylrecht an der Universität Konstanz nahm einen anderen Standpunkt ein: Soweit ersichtlich, würden die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen Russlands nicht als in einem Maße stabil eingeschätzt, dass sie dauerhaft Anreize für Migrationsbewegungen in die wirtschaftlich und sozial stabilen EU-Mitgliedstaaten verhindern könnten.
Hailbronner warnte: Es bestünden nicht unbeträchtliche Risiken einer illegalen Einwanderung.
Im Übrigen würden Russland und andere osteuropäische Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, die auf der sogenannten „Negativliste“ aufgeführt seien, lediglich durch Änderung der EU-Visumverordnung im Wege des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens „visumfrei“ gestellt werden können. (bob)