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Vor dem 1. Untersuchungsausschuss zu Gorleben hat der ehemalige Vizepräsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Henning Rösel, am Donnerstag, 10. November 2011, politischen Druck auf Wissenschaftler bestritten. „Ich möchte nochmals betonen, dass nach meiner Erinnerung keinerlei Einflussnahmen auf die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und spätere Institutionen erfolgt sind“, sagte der 66-Jährige. Er war zum zweiten Mal geladen. Die Parlamentarier des Gorleben-Ausschusses gehen der Frage nach, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung, sich bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll auf den Standort Gorleben zu beschränken, zu politischen Einflussnahmen oder Manipulationen gekommen ist.
Am Donnerstag rückte der Rahmenbetriebsplan für die Erkundung des Gorlebener Salzstocks in den Blickpunkt. „Das Konzept von 1982 hat sich nicht geändert, bis heute“, sagte Rösel. Änderungen habe es indes beim Vorgehen gegeben. „Wir sind im zu erkundenden Gelände gen Nordost gegangen. Nach Südwest konnte wir nicht, da die Besitzer der Salzrechte uns dies verwehrten.“
Zwar seien Enteignungen diskutiert worden. „Wir sind aber im Ergebnis zur Überzeugung gekommen, dass Enteignungen nicht möglich sind.“ Man hätte dafür nachweisen müssen, dass ein Weg durch dieses verwehrte Gebiet unabänderlich notwendig sei, dass eine Enteignung zwingend geboten sei. „Dafür musste erst einmal gen Nordost erkundet werden.“
Rösel sagte, bei der Erkundung habe das BfS angenommen, dass ein Endlager im Nordosten möglich wäre – wenn die Sicherheitsnachweise geführt würden. „Es kann sich ja auch die Notwendigkeit ergeben, im Südwesten zu erkunden.“
Auf den Vorhalt einer Mitarbeiteräußerung, wonach diese Beschränkung der Planung ein neues Vorhaben mit der Notwendigkeit eines neuen Planfeststellungsverfahrens und eines neuen Rahmenbetriebsplans ergebe, antwortete der Jurist: „Das war die Auffassung eines Kollegen, die er später revidierte. Die Vorgehensweise nach Nordost hat er nicht mehr infrage gestellt.“
Auf den Vorhalt einer Notiz aus dem Jahr 1991, in der eine Energieberatungsfirma warnte, ohne eine Erkundung des Südwestflügels sei ein Planfeststellungsverfahren nicht durchhaltbar, sagte Rösel: „Das ganze Thema war eingebettet in einen Diskussionsprozess. Am Ende hat sich die Meinung herausgebildet: Das geht.“ So habe man den parallelen Ansatz nicht mehr verfolgt, Nordost und Südwest zugleich zu erkunden. „Die Entscheidung sollte nach der Erkundung des Nordostflügels fallen, ob und wie weit nach Südwesten gegangen werden soll.“
Abgeordnete zitierten daraufhin einen Vermerk, den Rösel 1994 angefertigt hatte. In ihm hatte Rösel die Position des damaligen Bundesumweltministers Prof. Dr. Klaus Töpfer (CDU) referiert, Gorleben zügig zu erkunden, aber auch andere Formationen zu untersuchen.
Auf die Frage, wie das BfS auf diese Äußerungen Töpfers reagiert habe, antwortete Rösel: „Wir haben gar nichts gemacht. Das war eine Äußerung. Wir haben unsere Aufträge für die Durchführung vom Ministerium.“
Im zweiten Teil seiner Vernehmung berichtete Rösel über die Erkundungen im Gorlebener Salzstock. „Wir sind zum Schluss gekommen, dass eine Erkundung in Richtung Nordost grundsätzlich möglich ist, wenn die bergfreien Flächen dafür hinzukommen – allerdings mit Schwierigkeiten und Risiken“, sagte der 66-Jährige. Bergfreie Flächen bezeichnen ein Areal, auf dem die Eigentümer nicht ihre Salzrechte geltend das BfS zeichnet für die Erkundung des Standorts Gorleben verantwortlich.
Wegen fehlender Salzrechte hatte das BfS seinerzeit beschlossen, sich bei der Erkundung auf den Nordostflügel des Salzstocks zu beschränken. Auf Vorhalt eines Vermerks der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE) vom 18. August 1993, in dem aufgrund der Beschränkungen die Rede von einem „veränderten Erkundungskonzept“ ist, antwortete Rösel: „Ich bleibe dabei, dass das Konzept sich nicht verändert hat. Diejenigen, die darüber zu befinden hatten, haben sich der Auffassung angeschlossen, dass es
Rösel sagte, bei der Erkundung habe das BfS eine Kostenoptimierung innerhalb des Gesetzesrahmens betrieben. „Wir haben diesen aber nie ruhen lassen, um Kosten zu sparen.“ Selbst während des Moratoriums habe Gorleben Geld gekostet: „Für das Offenhalten waren jährlich 20 bis 25 Millionen Euro nötig.“
Abgeordnete fragten Rösel nach dem Umgang mit Mitarbeitern, die Bedenken über die Erkundungseinschränkung geäußert hatten. Konkret wollten Parlamentarier wissen, ob ein Kollege Rösels vorzeitig von seiner Zuständigkeit für Bergbaufragen abgezogen worden ist. „Ich weiß es nicht“, antwortete Rösel. „Es kann möglicherweise sein, dass er in den Ruhestand gegangen ist.“
Der Geologe Detlef Appel äußerte Bedenken gegenüber den Erkundungsarbeiten am Gorlebener Salzstock. Aufgrund fehlender Salzrechte stehe nicht das gesamte Areal zur Verfügung, kritisierte der 68-Jährige. „Eine Einschränkung muss sicherheitstechnisch begründbar sein.“ Fehlende Salzrechte dagegen bildeten kein Argument für eine Reduzierung des Erkundungsprogramms. „Das kann doch nur dann hinnehmbar sein, wenn es keine andere Option gibt, eine Ultima Ratio. Aber vor der Situation stehen wir nicht.“
Appel ist selbstständiger Berater und Gutachter. Seit Mitte der siebziger Jahre berät er politische Parteien, Nichtregierungsorganisationen, Kommunen, Landes- und Bundesministerien in atomrechtlichen Genehmigungsverfahren sowie zu methodischen und geologischen Fragen der Endlagerung.
Appel forderte, eine Erkundung müsse thematisch und räumlich umfassend angelegt sein. „Ohne genaues Nachgucken kann man in Gorleben keine umfassende Sicherheit gewinnen.“ So blieben bei diesem Salzstock noch Fragen offen. Wegen der Gasfunde in Gorleben müsse geklärt werden, ob es Wandermöglichkeiten von Kohlenwasserstoffen gebe. „Auch muss Klarheit herrschen, wo Gefahrenbereiche durch Gesteinskörper wie das brüchige Anhydrit liegen.“ Solch eine umfassende Erkundung allein auf dem beschränkten Terrain sei sicherlich nicht ausreichend. „Man muss dort in alle Richtungen gehen.“
Zu einer Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) aus dem Jahr 1995 über Ersatz-Standorte sagte Appel: „Nach den dort angelegten Kriterien würde sich Gorleben nicht eignen.“ Als Grund nannte er die Struktur des Deckgebirges über dem Salzstock. „Fakt ist, dass merkwürdigerweise diese Studie in der späteren Argumentation der BGR nicht gewürdigt wird.“ (jr)