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In Maastricht wurde der Grundstein für die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion gelegt. © ZB - Fotoreport
Am Ende gab es eine überwältigende Mehrheit. 543 Abgeordnete stimmten in namentlicher Abstimmung dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Vertrag über die Europäische Union (12/3334, 12/3895) zu. Es gab 17 Nein-Stimmen und acht Enthaltungen. Damit hatte der Bundestag am 2. Dezember 1992 das Gesetz zum sogenannten Maastricht-Vertrag verabschiedet. So wurde nicht nur der Einstieg in eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und in die „Zusammenarbeit der Justiz- und Innenminister" geschaffen. Auch die Einführung einer Wirtschafts- und Währungsunion mit einer zukünftigen gemeinsamen Währung wurde vor fast auf den Tag genau 19 Jahren festgelegt. Das Vertragswerk hatten die zwölf Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft vor 20 Jahren, am 9. Dezember 1991, im niederländischen Maastricht beschlossen. Unterzeichnet wurde der Vertrag am 7. Februar 1992. Er trat am 1. November 1993 in Kraft.
Während der Debatte versuchte der damalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl (CDU) Befürchtungen hinsichtlich der Stabilität der gemeinsamen Währung zu zerstreuen. „Wir haben in Maastricht durchgesetzt, dass die künftige europäische Währung eine sichere Stabilitätsgrundlage erhält", sagte Kohl. Die Kriterien für die Qualifikation der einzelnen Länder zur Wirtschafts- und Währungsunion seien so streng gefasst worden, dass nur diejenigen Mitgliedstaaten teilnehmen könnten, „die den Willen und die Fähigkeit zu einer strikten Stabilitätspolitik bewiesen haben".
Ein besonderer Erfolg der deutschen Politik sei es, dass die künftige Europäische Zentralbank dem Ziel der Geldwertstabilität verpflichtet und zugleich unabhängig von politischen Vorgaben sei, betonte der Bundeskanzler.
Finanzminister Theo Waigel (CSU) stellte klar, dass sich in der künftigen Gemeinschaft niemand darauf verlassen könne, tarif-, wirtschafts- und finanzpolitische Fehlentscheidungen über den Haushalt der Europäischen Gemeinschaft auszugleichen.
„Es gibt ausdrücklich keine Haftung der Gemeinschaft für die Finanzen der einzelnen Mitgliedstaaten", so Waigel.
Die Abgeordneten der damaligen Regierungskoalition von CDU/CSU- und FDP-Fraktion sprachen sich ebenfalls für die Ratifizierung des Vertrags aus. Im Sonderausschuss Europäische Union sei „intensiv und kontrovers diskutiert worden", sagte der Berliner Unionsabgeordnete Peter Kittelmann. Dabei habe man vor allem die „Sorgen und Ängste der Bevölkerung" aufgenommen und auch „Unwägbarkeiten des Vertragstextes" herausgearbeitet.
„Wir wissen aber, dass es gerade die enormen Chancen des Vertrages sind, die diese Unwägbarkeiten aufwiegen", urteilte Kittelmann. Das „Ja zu Europa" im Sonderausschuss, auf das sich Union, FDP und SPD geeinigt hätten, sei „ein Gewinn für unser Land, ein Gewinn für die Menschen".
Mit der Ratifizierung des Maastricht-Vertrages mache der Bundestag deutlich: „Wir wollen kein Kleineuropa und kein Europa der zwei Geschwindigkeiten", sagte die SPD-Abgeordnete Heidemarie Wieczorek-Zeul. Sie zeigte sich erfreut, dass es in den Beratungen des Sonderausschusses gelungen sei, den Bundestag stärker in die Kontrolle der europäischen Gesetzgebung und der Rolle der Bundesregierung im Ministerrat einzubringen.
„Dazu haben wir im Grundgesetz einen Europaausschuss verankert, der der Bundesregierung künftig stärker auf die Finger schaut", sagte Wieczorek-Zeul. Auch die SPD-Politikerin betonte, dass die Wirtschafts- und Währungsunion in ihrer dritten Stufe nur dann komme, „wenn die ökonomischen und die stabilitätspolitischen Kriterien stimmen".
„Geldwertstabilität auf europäischer Ebene hat bei uns nationalen Verfassungsrang", sagte der FDP-Abgeordnete Ulrich Irmer. Den Bürgern könne man daher versprechen: „Zur Währungsunion kommt es nur, wenn die europäische Währung so stabil sein wird, wie wir es von unserer Deutschen Mark gewöhnt sind." Außerdem sehe der Vertrag „härteste Stabilitätskriterien" vor.
Gegen die Befürchtung, diese Kriterien könnten aus politischen Gründen ausgehöhlt werden, habe man Vorkehrungen getroffen, beruhigte Irmer. Zugleich machte er deutlich, dass durch die Einführung des Subsidiaritätsprinzips die Gefahr einer Zentralisierung und der Verlust nationaler und regionaler Identität gesunken sei.
Trotz „angebrachter Zweifel" stimme er dem Vertrag zu, weil der Abschlussbericht des Sonderausschusses auf die Möglichkeiten seiner Fortschreibung verweise, sagte Gerd Poppe (Bündnis 90/Die Grünen). Er kritisierte, dass der Vertrag der Kontinuität der wirtschaftlichen Integration Westeuropas zulasten seiner Demokratisierung diene.
Nun sei eine merkwürdige Situation entstanden, so Poppe: „Man ist sich einig, dass dieses Werk sehr kritisch zu bewerten ist, meint aber, ihm als dem kleineren Übel seine Zustimmung nicht entziehen zu können." Die Bundesregierung habe sich ohne Wenn und Aber auf dieses Ergebnis festgelegt und die Parole ausgegeben: „Ohne Maastricht stirbt Europa." Damit habe sie den Mechanismus einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung in Gang gebracht, befand Poppe.
Gegen den Vertrag von Maastricht stimmte die Fraktion PDS/Linke Liste. Zwar wolle man die europäische Einigung, sagte Hans Modrow (PDS). Doch stimme man gerade deshalb dem Vertrag nicht zu. „Unser Ziel ist ein friedliches, nicht militärisches, demokratisches, rechtsstaatliches, soziales und ökologisches Europa", machte Modrow deutlich.
Maastricht jedoch spalte Europa gleich mehrfach: „Zwischen Ost und West, Nord und Süd, Arm und Reich, zwischen den Bürgern und den Regierungen." Die Menschen würden sehr gut verstehen, dass Maastricht „über die offene Marktwirtschaft der freien Konkurrenz den Weg für die Stärksten und dabei insbesondere für eine Vorherrschaftsrolle des größer gewordenen Deutschland freimachen soll". (hau)