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Im Bundestag zeichnet sich eine breite Mehrheit für eine Verlängerung des Bundeswehr-Mandats beim Afghanistan-Einsatz der internationalen Isaf-Schutztruppe ab, was indes mit einer Reduzierung der Truppenstärke einhergehen soll. Bei der ersten Lesung des von der Regierung eingebrachten Antrags (17/8166), über den im Januar abgestimmt werden soll, erklärten Außenminister Dr. Guido Westerwelle (FDP) und Verteidigungsminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) am Donnerstag, 15. Dezember 2011, die verbesserte Sicherheitslage und Fortschritte beim zivilen Aufbau am Hindukusch ermöglichten den Beginn des schrittweise zu vollziehenden Abzugs deutscher Soldaten. Während die SPD ihre Unterstützung für eine Mandatsverlängerung ankündigte, lehnt dies Die Linke ab. Die Grünen wollen ebenfalls nicht zustimmen. Neben dem Mandatsantrag lag der Debatte auch der vom Kabinett verabschiedete Fortschrittsbericht für Afghanistan (17/8180) zugrunde.
Im Rahmen des bis Ende 2014 geplanten Abzugs der internationalen Truppen vom Hindukusch wird die Zahl der deutschen Soldaten laut Westerwelle bis Februar auf 4.900 vermindert. Derzeit liegt die Obergrenze bei rund 5.300 Mann. Stationiert sind momentan 5.000 Soldaten. Im Laufe des nächsten Jahres sollen weitere 500 Soldaten zurückkehren, „sofern es die Sicherheitslage erlaubt“, so der FDP-Politiker. „Der Trend einer sich von Jahr zu Jahr verschlechternden Sicherheitslage ist vorerst gebrochen“, sagte der Außenminister. Demnächst werde die Hälfte des afghanischen Territoriums unter der Verantwortung einheimischer Sicherheitskräfte stehen.
De Maizière ergänzte, 2011 sei die Zahl der Anschläge im ganzen Land um 25 Prozent und im Norden Afghanistans, wo die Bundeswehr stationiert ist, um 50 Prozent gesunken. Der CDU-Politiker verurteilte die „veränderte Anschlagstaktik“ der Aufständischen, die zu einer höheren Zahl ziviler Opfer führe. Fortschritte bei der weiterhin „labilen“ Sicherheitslage seien auch erzielt worden, „weil ganze Gebiete militärisch freigekämpft wurden“.
Angesichts der positiven Entwicklung ist aus Sicht Westerwelles „trotz schwerer Rückschläge“ der Einstieg in den „Transitionsprozess“ mit der nach und nach zu vollziehenden Übergabe der Verantwortung an die Afghanen als Erfolg zu werten. Er betonte, die internationale Gemeinschaft und Deutschland würden sich über 2014 hinaus am Hindukusch engagieren: „Kabul darf nie wieder Hauptstadt der Terroristen werden.“ Allerdings werde es „keine militärische, sondern nur eine politische Lösung geben“.
Westerwelle rief dazu auf, den innerafghanischen Versöhnungsprozess unter Einbeziehung aller Lager zu intensivieren und in die Suche nach einer Friedenslösung die Nachbarstaaten einzubeziehen. Kabul sei in der Pflicht, sich mehr als bisher um eine bessere Regierungsführung wie auch um den Aufbau der Justiz und die Reform des Wahlsystems zu kümmern. Trotz vieler Fortschritte im Bildungs- und Gesundheitswesen, bei der Infrastruktur oder der Wasserversorgung bedürfe die zivile Entwicklung weiterer Anstrengungen.
Aus Sicht Gernot Erlers entspricht der Antrag zur Mandatsverlängerung weithin den von der SPD seit Langem erhobenen Forderungen. Am Hindukusch helfe nur eine politische Lösung. Die Übertragung der Verantwortung an die Afghanen könne nur schrittweise erfolgen, Deutschland solle sich auf die Ausbildung von Polizisten und Soldaten konzentrieren.
Die ersten Schritte hin zur Übernahme der Zuständigkeit durch einheimische Sicherheitskräfte verliefen vielversprechend, sagte Erler, sie könnten sich gegen Angriffe der Aufständischen behaupten. Gleichwohl warnte der SPD-Parlamentarier davor, in einen „naiven Optimismus zu verfallen“. So könne die Transition an einer mangelnden Einsatzfähigkeit der afghanischen Kräfte scheitern. Der Härtetest stehe noch bevor, bisher hätten die Einheimischen „eher ruhige Regionen“ übernommen. Erler mahnte innenpolitische Reformen durch Kabul an.
Wolfgang Gehrcke kritisierte, das von der Regierung angestrebte Mandat laufe im Kern darauf hinaus, die Bundeswehr in Afghanistan zu belassen und den Krieg fortzusetzen, weil die Nato fälschlicherweise glaube, militärisch gewinnen zu können. Eine solche Strategie gefährde jedoch eine politische Lösung, betonte der Abgeordnete der Linksfraktion: „Der Abzug der Militärs ist der Schlüssel, um eine politische Lösung erreichen zu können.“
Solange am Hindukusch der Eindruck bestehe, das Land sei besetzt, werde es Widerstand geben, erklärte Gehrcke: „Die bisherige Afghanistan-Politik ist gescheitert.“ Der avisierte Teilrückzug diene nur dazu, SPD und Grüne für eine Mandatsverlängerung ins Boot zu holen.
Für Bündnis 90/Die Grünen lobte Dr. Frithjof Schmidt die Bonner Afghanistan-Konferenz vom 5. Dezember als „wichtigen Schritt“ hin zu einem Konzept, das auf eine politische Lösung, den zivilen Aufbau und einen Truppenabzug setze. Dem Ziel, die Aufständischen in Verhandlungen einzubinden, widerspreche jedoch der Strategiewechsel der Bundeswehr hin zu einer offensiven Bekämpfung der Taliban.
Die Bilanz dieses Vorgehens sei „düster“, so Schmidt, da es zu vielen zivilen Opfern komme, was den Aufständischen zur Rekrutierung neuer Kräfte verhelfe. Er bezeichnete die angekündigte Verringerung des Bundeswehrkontingents als „Luftnummer“ und „Mogelpackung“, in Wahrheit würden nur 200 Soldaten zurückgeholt.
Aus Sicht des CDU-Parlamentariers Dr. Andreas Schockenhoff hat die „verantwortungsvolle Übergabe der Verantwortung an die Afghanen Vorrang vor der Verwirklichung ehrgeiziger Zeitpläne“. Die Sicherheitslage habe sich „weiter verbessert, auch wenn noch nicht alles erreicht wurde“. So wachse etwa die Zahl der Überläufer aus den Reihen der Regierungsgegner.
Das langfristige Engagement am Hindukusch über 2014 hinaus wird nach Ansicht Schockenhoffs vor allem geprägt sein von ziviler Kooperation und von Hilfe bei der Ausbildung der Polizei, weswegen die Bundeswehr in reduziertem Umfang weiterhin vor Ort präsent sein werde.
Für Dr. Bijan Djir-Sarai lässt ein positiver Trend bei der Sicherheitslage trotz diverser Rückschläge eine Truppenverminderung zu. Langfristig sei in Afghanistan noch viel Engagement für den Ausbau einer Zivilgesellschaft vonnöten, meinte der FDP-Abgeordnete.
So sei etwa bei der Entwicklung der Demokratie und einer guten Regierungsführung noch einiges zu tun. Schon viele Fortschritte seien im Bildungswesen und bei der medizinischen Versorgung der Bevölkerung zu verzeichnen. Eine innere Aussöhnung, so Djir-Sarai, könne nur von den Afghanen selbst vorangebracht werden. (kos)