Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > > Wahlperioden seit 1949 > Der 5. Deutsche Bundestag (1965-1969)
Die Bundestagswahl am 27. September 2009 folgt auf ein Jubiläum: Vor 60 Jahren, am 7. September 1949, trat die Volksvertretung in der provisorischen Hauptstadt Bonn zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Anlass für einen Rückblick auf 16 Wahlperioden, auf Meilensteine, Wendemarken, Personen und Entscheidungen.
Mitte der sechziger Jahre hält das Wirtschaftswunder inne. Der lang andauernde Aufschwung, an den sich die Deutschen gewähnt hatten, lahmt. Und mit der Konjunkturkrise kommt es zur Haushalts- und schließlich Regierungskrise.
1966 bildet sich erstmals eine Große Koalition im Bundestag. Außerhalb des Parlaments erstarkt mit dem Ringen um eine Notstandsgesetzgebung eine Protestbewegung, die in den Studentenunruhen von 1968 gipfelt.
Am 19. September 1965 sind die Deutschen zum fünften Mal zur Wahl ihrer Volksvertretung aufgerufen. 86,8 Prozent der Wahlberechtigten geben ihre Stimme ab. 47,7 Prozent für die CDU/CSU, 39,3 Prozent für die SPD, die damit weiter aufholt. Die FDP erhält 9,5 Prozent der Stimmen.
36 der insgesamt 518 Parlamentssitze werden von Frauen besetzt. Der Frauenanteil lag damit deutlich niedriger als in der dritten Wahlperiode mit 48 und in der vierten Wahlperiode mit 43 weiblichen Abgeordneten.
Der Bundestag wählt erneut Ludwig Erhard zum Bundeskanzler, der die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP fortführt. Das Bündnis zerbricht jedoch ein Jahr später, Erhard tritt am 30. November 1966 zurück.
Anlass für den Kanzlersturz sind wirtschaftliche Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen über den Bundeshaushalt. Die FDP verlässt wegen einer großen Lücke im Etat, die nach dem Willen der Union unter anderem durch Steuererhöhungen gedeckt werden sollen, die Regierung. Vier Minister treten zurück.
CDU/CSU und SPD einigen sich schnell auf die Bildung einer Großen Koalition unter Kurt Georg Kiesinger (CDU). Nach 17 Jahren Opposition übernehmen die Sozialdemokraten erstmals Regierungsverantwortung.
Die FDP stellt allein die Opposition. Ihre 50 Abgeordneten stehen 468 Abgeordneten der Regierungsfraktionen gegenüber; das parlamentarische Gleichgewicht gerät in Schieflage.
Auf der konstituierenden Sitzung, die Alterspräsident Konrad Adenauer leitet, wird Eugen Gerstenmaier (CDU) erneut zum Bundestagspräsidenten gewählt. Von sich reden machen vor allem Finanzminister Franz Josef Strauß (CSU) und Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) als Duo "Plisch und Plum", das die Wirtschaft wieder ankurbelt.
Auch andere politische Talente kommen nun zum Zug. Vorsitzender der SPD-Fraktion wird Helmut Schmidt. Der SPD-Vorsitzende Willy Brandt wird im Kabinett Kiesinger Vizekanzler und Außenminister.
Eines der Hauptziele der Großen Koalition ist die Überwindung der Rezession. Preisstabilität, Vollbeschäftigung, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und angemessenes Wirtschaftswachstum werden im "Stabilitätsgesetz" festgeschrieben und dem Staat wirksame Mittel für eine aktive Konjunkturpolitik in die Hand gegeben.
Als "Konzertierte Aktion" finden Gespräche von Vertretern des Staates, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften statt, um sich in der Wirtschafts- und Sozialpolitik aufeinander abzustimmen. Bald hellt sich die Wirtschaftslage auf, die Arbeitslosigkeit sinkt.
Das Parlament verabschiedet weitere wegweisende Gesetze. Dazu gehören die Neuregelung der bundesstaatlichen Finanzverfassung, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die rechtliche Gleichstellung unehelicher Kinder, während eine Reform des Wahlrechts scheitert.
Mit der gewaltsamen Niederschlagung reformkommunistischer Bestrebungen im "Prager Frühling" in der Tschechoslowakei erleidet auch die bundesdeutsche Entspannungspolitik einen Rückschlag. Der Bundestag beschließt, dass die Regierung dem Parlament jährlich einen Bericht zur Lage der Nation vorlegen soll.
Nachdem mit ersten Planungen für eine Notstandsverfassung schon im Jahr 1958 begonnen worden war, verabschiedet worden war, verabschiedet die Große Koalition nach langen und intensiven Diskussionen im Mai 1968 eine Notstandsregelung. Die Notstandsgesetze weiten im Verteidigungsfall, bei inneren Unruhen und Naturkatastrophen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus.
Außerdem erlauben sie die Einschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses und den Einsatz der Bundeswehr im Fall des inneren Notstandes gegen militärisch bewaffnete Revolutionäre, deren Ziel es ist, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beseitigen. Im Fall innerer und äußerer Notstände unterliegt die Regierung dabei jedoch der parlamentarischen Kontrolle.
Mit der Notstandsverfassung verzichten die West-Alliierten auf einen weiteren Teil ihrer Vorbehaltsrechte. Gegen die Verfassungsänderungen formiert sich eine außerparlamentarische Opposition (APO).
Sie verbindet sich mit der Protestbewegung der Studenten gegen den Vietnamkrieg und die NATO, wie sie sich auch in anderen westlichen Ländern entwickelt, und richtet sich später gegen das "System", wie die Bonner Demokratie von ihren Gegnern genannt wird.
Die APO protestierte auch gegen das Verschweigen der Verwicklungen der Elterngeneration in den Nationalsozialismus.