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Ob Studiengebühren Auswirkungen auf die Studienbereitschaft in Deutschland haben, darüber herrschte bei den Sachverständigen eines öffentlichen Fachgesprächs im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung unter Vorsitz von Ulla Burchardt (SPD) am Mittwoch, 25. Januar 2012, je nach empirischer Grundlage und Erfahrung, Uneinigkeit. Seit 2005 haben in Deutschland sieben Bundesländer Studiengebühren eingeführt und fünf wieder abgeschafft. Zum Wintersemester 2012/13 werden voraussichtlich nur noch Bayern und Niedersachsen allgemeine Studiengebühren erheben.
Die Frage der Studienfinanzierung spiele bei der Entscheidung für oder gegen ein Studium eine wichtige Rolle, sagte Matthias Anbuhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund. So sagten 69 Prozent derer, die auf ein Studium verzichteten, dass die Finanzierung ein entscheidendes Kriterium gewesen sei.
Auch Christoph Heine vom HIS Hochschul-Informations-System betonte, dass die Kosten einen hohen Einfluss auf die Studienentscheidung hätten. Zwei unterschiedlichen Studien des HIS zufolge sei die Studierbereitschaft aufgrund von Gebühren gesunken. Es habe eine „länderübergreifende Verunsicherung“ gegeben – und zwar auch dort, wo keine Gebühren eingeführt worden seien.
Dagegen sagte Marcel Helbig vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Studiengebühren hätten keinen Einfluss auf die Studienneigung. Wie eine entsprechende Studie des WZB ergeben habe, gilt das auch für Haushalt von Nichtakademikern. Jedoch sei festzustellen, dass sich mit Erhöhung der Kosten die Ertragserwartungen der Studenten an ihr Studium erhöht hätten.
Studiengebühren wirkten abschreckend und seien sozial selektiv, widersprach Bernhard Börsel, Referatsleiter Studienfinanzierung und Bildungspolitische Fragen beim Deutschen Studentenwerk. Dieser Meinung schloss sich Erik Marquardt vom „Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften“ an. Bildung sei ein Menschenrecht, das der Staat sicherstellen müsse, forderte er.
Zwar hätten Studiengebühren lediglich Einfluss auf einen niedrigen Prozentsatz der breiten Masse von Studienberechtigten, meinte Prof. Dr. Michael Hartmann, Elite- und Organisationssoziologe an der Technischen Universität Darmstadt. Jedoch liege der Einfluss im kleinen Segment – etwa bei Frauen aus Arbeiterfamilien – im hohen zweistelligen Prozentbereich.
Zudem wirkten Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester nicht unbedingt abschreckend, jedoch bestehe immer die Gefahr einer Erhöhung. Als Beispiel nannte Hartmann Großbritannien: Hier seien die Studiengebühren von anfangs 1.000 Pfund auf durchschnittlich 8.000 Pfund gestiegen.
Bayern sei trotz Studiengebühren weiterhin ein Zuzugsland für Studenten, betonte Dr. Wolfgang Heubisch (FDP), bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Zudem seien die Studiengebühren sozial verträglich: Rund ein Drittel der Studierenden ist laut Heubisch von den Gebühren befreit, darüber hinaus gebe es das Modell der nachgelagerten Studienbeiträge. Hierbei hätten die Studierende die Möglichkeit, die Gebühren zurückzuzahlen, wenn sie nach dem Studium einen Arbeitsplatz und eine bestimmte Einkommensgrenze erreicht haben.
Wie Andreas Schleicher von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sagte, haben sich nachgelagerte Studiengebühren im europäischen Vergleich positiv ausgewirkt. Jedoch reichten nachgelagerte und einkommensabhängige Darlehen allein nicht aus. Daneben müsse es nach sozialen Kriterien differenzierte, nicht zurückzuzahlende Leistungen geben.
Nicht die Studiengebühren an sich seien das Problem, sondern der „Block der Studienfinanzierung insgesamt“, meinte Christiane Konegen-Grenier vom Institut der deutschen Wirtschaft. Das aktuelle System unterstütze Studierende aus hochschulfernen und einkommensschwachen Schichten nicht ausreichend. Als Lösung nannte sie gezieltere Förderung statt kostenfreies Studium.
Dr. Mathias Winde vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft betonte die Wichtigkeit von Studiengebühren: Das Geld werde an den Hochschulen benötigt. (tyh)