"Politische Mittel sind noch nicht ausgeschöpft"

Hans-Ulrich Klose (SPD)

Für verstärkte internationale Bemühungen um eine politische Lösung des Konflikts in Syrien plädiert Hans-Ulrich Klose, stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Auch wenn Sanktionen gegen das Assad-Regime wichtig seien, so lasse sich ein Fortdauern des Bürgerkriegs doch nur auf politischem Weg vermeiden, ist der SPD-Abgeordnete überzeugt. Klose lehnt im Interview eine militärische Intervention von außen in Syrien als „viel zu gefährlich“ ab, „binnen kurzem könnte eine ganze Region in Flammen stehen“. Der Bundestag debattiert auf der Grundlage eines Antrags der Grünen-Fraktion (17/8132), die eine internationale Isolierung des Assad-Regimes fordert, am Freitag, 20. Januar 2011, ab 14.05 Uhr eine halbe Stunde lang über die Lage in Syrien. Bereits zuvor findet am Mittwoch, 18. Januar, ab 15.35 Uhr eine von Union und FDP beantragte Aktuelle Stunde mit dem Titel "Solidarität von Linken-Abgeordneten mit dem syrischen Präsidenten Assad" statt. Das Interview im Wortlaut:


Die EU hat angesichts der Eskalation in Syrien und der Repressionspolitik des Assad-Regimes die Sanktionen gegen Damaskus zusehends verschärft, etwa durch ein Verbot von Ölimporten aus Syrien. Ist angesichts dieser Politik der Vorwurf der Grünen gerechtfertigt, bei diesem Konflikt habe die internationale Staatengemeinschaft versagt?

Diese Kritik der Grünen kann ich in ihrer Konsequenz nicht teilen. Richtig ist, dass die Uno angesichts von Widerständen im Sicherheitsrat gegenüber Assad bislang eine passive Haltung einnimmt. Die EU wiederum hat weitreichende Sanktionen beschlossen, die bislang freilich nicht die erwünschten Ergebnisse zeitigen. Mir drängt sich vor allem der Eindruck auf, dass bisher noch nicht alle diplomatischen Kanäle aktiviert wurden, um gegenüber beiden Konfliktparteien in Syrien Einfluss zu nehmen.

Die Zurückhaltung der Uno hat nicht zuletzt mit der Haltung Russlands und Chinas zu tun. Könnte diese Bremserrolle Moskaus und Pekings mit den Erfahrungen in Libyen zusammenhängen, wo die Nato mit dem Segen der UN offiziell zum Schutz der Zivilbevölkerung militärisch interveniert hat, es im Kern aber um den Sturz Gaddafis ging?

In der Tat ist es so, dass die Nato den Libyen-Beschluss der UN bis an die oder sogar über seine Grenzen hinaus genutzt hat, auch um Gaddafi zu stürzen. Im Fall von Syrien spielt bei Moskau und Peking aber nicht nur diese Erfahrung eine Rolle. Man darf nicht übersehen, dass Russland einen Marinestützpunkt in dem Land unterhält und dass China stark auch an Ölimporten aus Syrien interessiert ist.

Wegen der gewaltsamen Repression des Assad-Regimes werden die Rufe nach einer Intervention von außen lauter, auch aus den Reihen der syrischen Opposition. Unverständlich erscheint eine solche Forderung ja nicht.

Eine solche militärische Intervention lehne ich ab, das wäre viel zu gefährlich. Mit der Türkei, dem Iran, den arabischen Ländern und Israel hat Syrien sehr viele Nachbarn. Angesichts dieser Lage wäre ein militärischer Eingriff von außen in seinen Konsequenzen völlig unkalkulierbar. Binnen Kurzem könnte eine ganze Region in Flammen stehen, und das will niemand. Im Übrigen laufen bereits verdeckte Interventionen. So wurde dieser Tage vor Zypern ein Schiff mit einer für Syrien bestimmten Ladung von 60 Tonnen Munition gestoppt, Gleiches geschah an der türkisch-syrischen Grenze mit Lastwagen, die Waffen, wahrscheinlich aus Iran, Richtung Syrien transportieren sollten.

Sind Reformen in Syrien noch denkbar mit Assad, etwa die Abhaltung freier Wahlen? Oder sind der Rücktritt oder der Sturz Assads die Voraussetzung für ein Ende des Konflikts?

Ich bin nicht sonderlich optimistisch, was eine Verständigung zwischen beiden Lagern in Syrien angeht. Die internationalen Bemühungen sollten sich aber vor allem darauf konzentrieren, überhaupt Gesprächskontakte zwischen den beiden Konfliktparteien herzustellen. Die Alternative ist ein lang andauernder Bürgerkrieg, und diese Perspektive ist leider realistisch.

In der internationalen Politik gibt es den Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staats. Lässt es diese Vorgabe zu, von außen den Sturz Assads zu betreiben, ob über Sanktionen oder über eine militärische Intervention?

In der Tat existiert diese Leitlinie der Nichteinmischung. Jedoch gehört neuerdings zum UN-Völkerrecht auch die Maxime, dass von außen der Schutz der Zivilbevölkerung übernommen werden kann, wenn die Regierung eines Landes dazu nicht in der Lage oder willens ist. Allerdings lässt sich mit diesem Prinzip nicht in jedem Fall eine militärische Intervention rechtfertigen. In Syrien sind die politischen Mittel zur Konfliktlösung bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Helfen könnte vielleicht, einen von beiden Seiten akzeptierten Moderator zu bestellen, der nicht aus der Region stammt und somit als neutral gelten kann.

Sollte die EU ihre Sanktionen gegenüber Damaskus verschärfen, ist eine solche Strategie erfolgversprechend? Die Grünen fordern eine verstärkte internationale Isolierung des Assad-Regimes.

Sanktionen waren und sind wichtig. Mit dem Verlangen nach einer internationalen Isolierung Assads kann ich mich indes nicht anfreunden. Was nützt eine solche Isolierung, wenn das Regime angesichts eines ausreichenden militärischen Potenzials weiter gewaltsam gegen die Opposition vorgehen kann? Man sollte sich vielmehr darum bemühen, Gespräche zwischen den Konfliktparteien zu fördern. Die Alternative zu einer politischen Lösung ist der fortdauernde Bürgerkrieg, und das ist meine größte Sorge.

(kos)