Menu | Plenum | Parlaments-TV |
Wie lässt sich der Konsum von Ressourcen spürbar reduzieren und von der Wirtschaftsleistung abkoppeln? Welche Hindernisse stehen einer solchen Strategie entgegen? Die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ will sich unter dem Vorsitz von Daniela Kolbe (SPD) am Montag, 6. Februar 2012, mit dem Thema „Ressourceneffizienz“ befassen und damit zu einem Kern ihres Arbeitsauftrags vorstoßen. Für diese Veranstaltung wurden Prof. Dr. Dr. Reinhard F. Hüttl, Friedel Hütz-Adams und Prof. Dr. Ernst-Ulrich von Weizsäcker als Referenten gewonnen. Die Sitzung beginnt um 13 Uhr im Saal E 700 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin.
Hüttl ist Leiter des Deutschen Geoforschungszentrums in Potsdam und Co-Präsident der Akademie für Technik-Wissenschaften. Hütz-Adams ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim „Südwind“-Institut tätig, das sich mit Fragen einer gerechten Weltwirtschaft befasst. Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst-Ulrich von Weizsäcker, ehedem Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie, war von 2002 bis 2005 Vorsitzender des Umweltausschusses im Bundestag.
Aufgabe der Enquete-Kommission ist es, das rein ökonomisch und quantitativ ausgerichtete Bruttoinlandsprodukt als Messgröße für gesellschaftliches Wohlergehen weiterzuentwickeln und etwa um ökologische, soziale und kulturelle Kriterien zu ergänzen.
Letztlich soll die Arbeit der 17 Parlamentarier und 17 Wissenschaftler in die Definition dessen münden, was als qualitatives Wachstum gelten kann und wozu als wesentliches Element die Entkoppelung des Ressourcenkonsums von der Steigerung der Wirtschaftsleistung gehört. Mit diesem Thema setzt sich speziell ein von dem Gremium einberufener Arbeitskreis auseinander, nämlich die Projektgruppe III unter Leitung des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (Bündnis 90/Die Grünen).
Für Ott markiert die Verminderung des Rohstoffverbrauchs um 80 Prozent eine „zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts“. Diese Forderung wurzelt aus Sicht vieler Wissenschaftler in der Erkenntnis, dass einerseits die Ressourcenvorkommen beschränkt sind und andererseits die Fähigkeit von Umwelt und Natur begrenzt ist, die Abfallprodukte des Wirtschaftens zu verkraften.
Allerdings führt die prinzipielle Knappheit bei vielen Rohstoffen beim Wirtschaften bislang noch nicht zu ernsthaften Schwierigkeiten. Öl etwa gibt es immer noch genug, auch wenn die Preise immer höher klettern. Die Verteuerung von Seltenen Erden hat bisher weniger mit echten Engpässen bei deren Förderung als vielmehr mit der gezielten Preispolitik Chinas zu tun, des mit Abstand größten Exporteurs auf diesem Gebiet. Ott ist indes überzeugt, dass die „große Knappheit kommen wird“.
Wenn die Enquete-Kommission nach Möglichkeiten zur Senkung des Ressourcenkonsums forscht, dann werden dabei die technischen Möglichkeiten natürlich eine große Rolle spielen. Ein bislang noch nicht ausgeschöpftes Potenzial wohnt etwa der Energieeffizienz, der Photovoltaik oder dem Recycling inne. Bei der Wiederverwertung werden bisher Abfallstoffe gesammelt, um sie wieder zu Rohstoffen zu machen.
Für Ott ist dies freilich eine „riesige Verschwendung“, sinnvoller sei es, nach dem Muster der Natur Restsubstanzen zum Ausgangsmaterial für neue Produktionsprozesse zu machen. Der Abgeordnete sieht jedenfalls eine „gigantische technische Revolution“ heraufziehen.
Ressourcneffizienz hat auch etwas mit dem Verhältnis von freiem Markt und staatlicher Reglementierung zu tun. Wie weitreichend soll oder muss der Staat eingreifen, um den Verbrauch von Rohstoffen unter ökologischen wie ökonomischen Aspekten zu steuern? In welchem Umfang sollte man auf marktwirtschaftliche Selbstregulierung setzen? Schließlich klettern die Preise, wenn eine steigende Nachfrage auf ein sinkendes Angebot trifft. Auch dieses Spannungsfeld gehört zu dem Thema des Treffens am 6. Februar.
Eine bessere Ressourceneffizienz hat jedoch mit Hindernissen zu kämpfen hat. Da ist etwa das komplizierte Problem des „Rebound-Effekts“. Dieser Fachbegriff beschreibt das Dilemma, dass Einsparungen beim Rohstoffverbrauch neutralisiert oder konterkariert werden können durch eine Ausweitung des Ressourcenkonsums, die wiederum durch mehr Effizienz erst ermöglicht wird. So reduziert sich etwa bei Autos infolge besserer Motortechniken der Benzinverbrauch, der sich aber, so Ott, „durch diverse Extras wie Klimaanlagen, mehr PS oder mehr Komfort wieder erhöht“.
Ein anderes Beispiel: Bewohner eines Hauses haben wegen der Wärmedämmung mehr Geld in der Tasche, mit dem sie dann eventuell Fernreisen mit dem Flugzeug bezahlen – womit dann der Effekt der Energieeinsparung aufgehoben wird. Ein schwieriges Feld, schließlich wäre eine staatliche Reglementierung des Geldausgebens ein massiver Eingriff in persönliche Freiheitsrechte der Bürger.
Als Hürden für eine Entkoppelung des Rohstoffkonsums können sich zudem die Zunahme der Weltbevölkerung oder die Urbanisierung erweisen, beide Trends bergen die Möglichkeit in sich, dass der Verbrauch steigt – sofern nicht mit besserer Ressourceneffizienz gegengesteuert wird.
Ein anderes Problem: Der reiche Norden vermag den Rohstoffbedarf vielleicht zusehends von der Wirtschaftsleistung zu entkoppeln, doch der arme Süden hat einen beträchtlichen Nachholbedarf beim ökonomischen Wachstum, allein schon zur Bekämpfung der Armut – auch auf diese Weise können Einspareffekte auf der einen durch Mehrverbrauch auf der anderen Seite neutralisiert werden. Schließlich stellt sich die Frage, welche ökologischen, sozialen und ökonomischen Konsequenzen eine Politik der forcierten Ressourceneffizienz hat. (kos)