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Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus, hat seinen Jahresbericht 2011 (17/8400) an Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert und die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Dr. Susanne Kastner (SPD), überreicht. Königshaus verband die Übergabe am Dienstag, 24. Januar 2012, mit „besonderem Dank“ auch im Namen der Soldatinnen und Soldaten dafür, dass das Parlament im vergangenen Jahr die Verbesserung der Versorgung von Bundeswehrangehörigen auf den Weg gebracht hatte.
Mit dem Beschluss zur Verbesserung des Einsatzversorgungsgesetzes (17/7143, 17/7389) vom 28. Oktober 2011 werden Soldaten und Zivilbedienstete, die bei einem Auslandseinsatz schwer verletzt wurden, sozial und finanziell bessergestellt.
"Das ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Zeichen dafür, dass wir eine Parlamentsarmee haben und dafür, dass sich das Parlament auch für die Soldaten wirklich verantwortlich fühlt", sagte der Wehrbeauftragte. Die Verbesserung sei nur auf Initiative des Parlaments in dieser Form vorangebracht worden. "Das ist ein wirklich gutes Zeichen für die Truppe und ist auch in der Truppe so angekommen", sagte Königshaus.
Norbert Lammert unterstrich die "herausragende Bedeutung" des Jahresberichtes sowie die Bedeutung der Institution des Wehbeauftragten für das Parlament. „Formal betrachtet handelt sich bei der Übergabe um eine jährliche Routine, die aber zu den Besonderheiten des Aufgabenfeldes des Parlaments gegenüber der Bundeswehr zählt“, sagte der Bundestagspräsident.
Insofern entspreche es der ungewöhnlich engen Bindung von Parlament und Bundeswehr, dass es aus den Reihen des Parlaments immer wieder Initiativen gebe, die Verantwortung des Parlaments gegenüber der Bundeswehr wahrzunehmen.
„Dazu gehört auch, dass wir uns um die Soldatinnen und Soldaten kümmern, die auf Einsätzen zu Schaden gekommen sind, und dazu zählt, dass wir in wenigen Wochen auch ein Treffen mit deren Angehörigen haben werden.“ Davon solle ein demonstratives Signal der Verantwortung und des Mitgefühls der Parlamentarier für die betroffenen Familien ausgehen. Darüber hinaus solle es helfen, Probleme besser zu verstehen, um daraus wiederum konkrete Maßnahmen abzuleiten, so Lammert.
Der Wehrbeauftragte beobachtet in weiten Teilen der Bundeswehr eine schlechte Stimmung und eine tiefgreifende Verunsicherung. Dies stehe im engen Zusammenhang mit der Neuausrichtung der Streitkräfte und der damit verbundenen Ungewissheit vieler Soldaten über die eigene Zukunft.
Die Zahl der Eingaben und Beschwerden sei im vergangenen Jahr zwar in absoluten Zahlen leicht zurückgegangen – sie sank von 4.976 im Jahr 2010 auf 4.864 –, gemessen an der Truppenstärke sei sie jedoch angestiegen. Der Jahresbericht 2011 ist der erste nach der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland im Sommer des vergangenen Jahres.
Schwerpunkte legt Königshaus auf die mangelnde Ausbildung und Ausrüstung in den Auslandseinsätzen, den Personalmangel im Sanitätsdienst, Defizite in der Versorgung Verwundeter, Traumatisierter und Hinterbliebener. Mängel in diesen Bereichen waren bereits in den Berichten der Vorjahre angemahnt worden. Nach Einschätzungen der Soldaten sei die Truppe in diesen Bereichen seit Jahren strukturell unterfinanziert und Einsparungen gingen erfahrungsgemäß zu ihren Lasten.
Königshaus mahnt in seinem Bericht die schnelle und konsequente Umsetzung des von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) angekündigten Attraktivitätsprogramms für die Streitkräfte an. Besonderes Augenmerk legt er auf die Situation in den Auslandseinsätzen. Die Gefährdung in den Einsatzgebieten, vor allem in Afghanistan, sei unverändert hoch. Daran habe auch nichts die Umsetzung des sogenannten Partnering-Konzeptes in Afghanistan geändert.
Im vergangenen Jahr verloren nach Angaben des Wehrbeauftragten sieben deutsche Soldaten ihr Leben, 63 Soldaten wurden zum Teil schwer verwundet, darunter 19 bei den Zwischenfällen an der kosovarisch-serbischen Grenze. Deutliche Kritik übt Königshaus an den mangelnden Lufttransportkapazitäten des deutschen Isaf-Kontingents in Afghanistan.
Während im vergangenen Jahr die Ausstattung mit geschützten und bewaffneten Bodenfahrzeugen verbessert worden sei, habe sich die Situation beim Lufttransport nochmals verschlechtert. Nach seinen Angaben verfügt die Bundeswehr in Afghanistan über nur noch sechs Hubschrauber vom Typ CH-53. So werde die Bergung von verwundeten deutschen Soldaten und die Luftnahunterstützung nur noch durch die amerikanischen Verbündeten gewährleistet.
Lobend äußert sich Königshaus über die verbesserte Absicherung der Soldaten und ihrer Familien durch das vom Bundestag beschlossene Einsatzversorgungsverbesserungsgesetz im Fall von Verwundung, Traumatisierung und Tod. Massive Probleme gebe es allerdings, wenn Soldaten oder ihre Hinterbliebenen ihre Ansprüche geltend machen. Die Verwaltungsverfahren seien zu lang und zu viele Stellen seien involviert.
Für die Betreuung verwundeter und traumatisierter Soldaten fordert Königshaus eine stärkere Zentralisierung. Noch immer seien die Behandlungskapazitäten für Traumatisierte zu gering, da die Bundeswehr über zu wenige Psychologen und Psychiater verfüge. Umgekehrt habe die Zahl der traumatisierten Soldaten mit 922 im Jahr 2011 einen neuen Höchststand erreicht.
Große Defizite sieht Hellmut Königshaus bei der Vereinbarkeit von Dienst und Familie. Inzwischen pendelten etwa 70 Prozent aller Soldaten zwischen ihren Wohn- und Dienstorten, teilweise über mehrere Hundert Kilometer. Die im neuen Stationierungskonzept der Bundeswehr geplante Schließung von 31 Standorten und die Reduzierung von 91 Standorten um bis zu 50 Prozent der Dienstposten werde dieses Problem noch vergrößern.
Königshaus bedauert ausdrücklich, dass das Bundesverteidigungsministerium seine Anregung bezüglich einer dezentralen und regionalen Zusammenlegung von Verbänden und Ausbildungseinrichtungen nicht aufgenommen habe. Die häufigen Abwesenheiten von zu Hause führten zu extremen Belastungen für die Ehen und Familien der Soldaten. So liege die Trennungs- und Scheidungsrate von Soldaten bei bis zu 80 Prozent.
Mängel benennt Königshaus auch bei den Betreuungsangeboten für Soldatenkinder. An den Standorten fehlten mindestens 1.000 Betreuungsplätze. Keine Fortschritte sieht der Wehrbeauftragte bei der Bereitstellung von Eltern-Kind-Zimmern. Der angemeldete Bedarf von 300 Eltern-Kind-Zimmern an 170 Standorten sei bislang erst zu einem Drittel gedeckt.
Insgesamt muss der Dienst in der Bundeswehr nach Ansicht von Hellmut Königshaus deutlich attraktiver werden. Seit Juli 2011 hätten sich zwar rund 8.000 junge Frauen und Männer für den neuen freiwilligen Wehrdienst gemeldet, aber bereits 20 Prozent von ihnen hätten den Dienst bereits wieder verlassen. Dies deute darauf hin, dass der Dienst in den Streitkräften zumindest für diesen Personenkreis nicht attraktiv genug sei.
Der Verteidigungsausschuss wird sich mit dem Jahresbericht des Wehrbeauftragten im Einzelnen befassen. (eis/aw)