Kritik an mangelnder Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - 08.02.2012

Berlin: (hib/AW) Das Deutsche Institut für Menschenrechte übt schwere Kritik an der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland. Der Institutsmitarbeiter Hendrik Cremer begrüßte zwar am Mittwoch Vormittag vor dem Familienausschuss, dass Deutschland die bei der Ratifizierung abgegebene Vorbehaltserklärung im Juli 2010 zurückgezogen hat. Allerdings werde die Konvention von staatlicher Seite noch immer nicht umgesetzt. „In der Praxis hat sich der Rücknahme der Vorbehalte nichts geändert“, sagte Cremer. Er kenne keinen Bereich, wo Gesetze so häufig gebrochen werden wie im Falle der Kinderrechte. Konkret forderte Cremer vor allem Nachbesserungen für Kinder im deutschen Asyl- und Aufenthaltsrecht. Gemäß der UN-Konvention seien alle Menschen bis zum Erreichen der Volljährigkeit als Kinder anzusehen, auch 16- bis 17-jährige Jugendlichen. Doch gerade diese würden von den deutschen Behörden all zu oft wie Erwachsene behandelt.

Deutschland hatte mit seiner Vorbehaltserklärung ursprünglich ausländerrechtlichen Bestimmungen einen Vorrang vor bestimmten Bereichen der Konvention eingeräumt. Im Mai 2010 hatten Bundestag und Bundesrat dann beschlossen, diese zurückzunehmen.

Besonders gravierend gestalten sich nach den Ausführungen Cremers die Probleme bei unbegleiteten Flüchtlingskindern, das heißt Kindern, die ohne ihre Eltern oder andere volljährige Familienmitglieder nach Deutschland kommen. Es stehe im klaren Widerspruch zu Artikel 20 der UN-Konvention, wenn diese in Sammel- und Massenunterkünften untergebracht werden. Gemäß der Konvention seien unbegleitete Kinder prinzipiell in Obhut zu nehmen, in einer Pflegefamilie oder einer anderen kindesgemäßen Unterkunft unterzubringen. Ebenso dürften Kinder nicht an der Grenze zurückgewiesen werden. Nachholbedarf sieht Cremer auch in der Rechtsprechung. Die Urteile zum Umgang mit Flüchtlingskindern fielen immer wieder sehr unterschiedlich aus. Dies zeige, dass es „große Unsicherheiten“ bei den Juristen im Umgang mit den völkerrechtlichen Menschrechtsverträgen gibt. nach Cremers Einschätzung ist dies eine Folge des unzureichenden Stellenwertes der Menschenrechte in der juristischen Ausbildung in Deutschland.

Den Einwand der CDU/CSU-Fraktion, bei der Umsetzung der UN-Konvention seien in erster Linie die Bundesländer und Kommunen gefragt und die Änderung von Gesetzen allein bringe keine Verbesserungen, wollte Cremer nicht gelten lassen. Es gebe zwar durchaus Unterschiede zwischen den Ländern, aber die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Bundes reichten einfach nicht aus. Das Völkerrecht nehme zudem aus gutem Grund keine Rücksicht auf die föderale Ordnung der Bundesrepublik. Auch Länder und Kommunen seien an die völkerrechtlich bindende UN-Kinderrechtskonvention gebunden. Und der Bund habe Sorge zu tragen, dass dies umgesetzt werde.

Unterstützung bekam Cremer von Seiten der Oppositionsfraktionen. Die Konvention sei „kein Ausdruck des guten Herzens, sondern ein Menschrechtsvertrag“, den es einzuhalten gelte, hieß es aus den Reihen der Sozialdemokraten. Die Linke verwies auf entsprechende Anträge der Opposition, die alle an der Koalitionsmehrheit gescheitert seien. Bündnis 90/Die Grünen hielt der Union entgegen, sie habe noch immer nicht den Charakter der Konvention verstanden. Dies sei nicht „vom guten Willen der Bundesländer abhängig“.

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